Die Rolle der Präzession
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf astronews.com
15. März 2018
Magnetfelder spielen im Universum eine entscheidende Rolle:
Das Magnetfeld der Erde ist etwa für das Leben von großer Bedeutung, schirmt es doch
die Erdoberfläche vor gefährlicher Strahlung ab. Wie Magnetfelder im All aber
genau entstehen, ist noch nicht vollständig verstanden. Ein neues Experiment in
Dresden soll nun ab 2020 helfen, diese Frage zu beantworten.

Das Dynamo-Experiment an der neuen
DRESDYN-Anlage des HZDR wird sich an der Grenze
des technisch Machbaren bewegen. Geplanter Start
ist 2020.
Bild: SBS Bühnentechnik GmbH [Großansicht] |
Strömungen flüssiger Metalle sind in der Lage, Magnetfelder zu generieren.
Dieser sogenannte Dynamo-Effekt lässt kosmische Magnetfelder entstehen, wie sie
bei Planeten, Monden oder auch Asteroiden vorkommen. Ein weltweit einmaliges
Experiment, in dem eine Stahltrommel mit mehreren Tonnen flüssigem Natrium um
zwei Achsen rotiert, soll diesen Effekt in den nächsten Jahren am
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) im Labor belegen. Eine jetzt
veröffentlichte Studie bestätigt die Erfolgsaussichten für das Experiment.
Ähnlich wie ein Fahrraddynamo Bewegung in Strom umwandelt, können bewegte
leitfähige Flüssigkeiten Magnetfelder erzeugen. Ob dabei tatsächlich ein
Magnetfeld generiert wird, darüber entscheidet vor allem die sogenannte
magnetische Reynoldszahl (das Produkt aus Strömungsgeschwindigkeit sowie
Ausdehnung und Leitfähigkeit der Flüssigkeit). Wissenschaftler im Team um Dr.
Frank Stefani vom Institut für Fluiddynamik des HZDR wollen in einem
spektakulären Experiment den kritischen Wert erreichen, der für das Auftreten
des Dynamo-Effekts erforderlich ist.
Hierfür werden sich acht Tonnen flüssiges Natrium in einem Stahlzylinder mit
zwei Metern Durchmesser bis zu zehnmal pro Sekunde um eine Achse und einmal pro
Sekunde um eine zweite, dazu geneigte Achse drehen. Der Fachbegriff für diese
Bewegung, die häufig mit einem gekippten, sich drehenden Kinderkreisel
verglichen wird, lautet Präzession. "Unser Experiment an der neuen
DRESDYN-Anlage soll den Nachweis liefern, dass die Präzession als natürlicher
Antrieb einer Strömung ausreicht, um ein Magnetfeld zu erzeugen", erklärt
Teammitglied Dr. André Giesecke.
In den von ihm erstellten Simulationen sowie in begleitenden
Wasserexperimenten – die Modellanlage war im Vergleich zum großen Dynamo um den
Faktor sechs kleiner – untersuchten die Wissenschaftler die Struktur der durch
Präzession getriebenen Strömung. "Zu unserer Überraschung konnten wir in einem
gewissen Bereich der Präzessionsrate eine symmetrische Doppelrolle beobachten,
die schon bei einer magnetischen Reynoldszahl von 430 einen Dynamo liefern
sollte", so der Physiker.
Das Zentrum der Erde besteht aus einem festen Kern, der von einer Schicht aus
flüssigem Eisen umgeben ist. "Das strömende Metall induziert einen elektrischen
Strom, der wiederum das Magnetfeld hervorruft", erklärt Giesecke. Die gängige
Meinung lautet, dass auftriebsgetriebene Konvektion, zusammen mit der Rotation
der Erde, für diesen Geodynamo verantwortlich ist. Welche Rolle die Präzession
für die Entstehung des Erdmagnetfeldes spielt, ist jedoch noch völlig ungeklärt.
Die Rotationsachse der Erde ist um etwa 23 Grad gegenüber ihrer Bahnebene
geneigt. Mit einer Periode von rund 26.000 Jahren ändert die Rotationsachse ihre
Lage. Diese Taumelbewegung im All, die Präzession, wird als eine der möglichen
Energiequellen für den Geodynamo diskutiert. Auch der Mond hatte vor vielen
Millionen Jahren ein starkes Magnetfeld. Darauf weisen Gesteinsproben früherer
Apollo-Missionen hin. Experten zufolge könnte die Präzession hierfür
die hauptsächliche Ursache gewesen sein.
2020 sollen die Experimente mit flüssigem Natrium am HZDR starten. Im
Unterschied zu früheren Laborexperimenten zum Geodynamo wird es im Inneren der
Stahltrommel keinen Propeller geben, wie er noch im ersten erfolgreichen
Dynamo-Experiment im Jahr 1999 in Riga verwendet wurde, an dem die
Wissenschaftler des HZDR maßgeblich beteiligt waren. Dieses und weitere
Experimente in Karlsruhe und Cadarache in Frankreich waren Pionierarbeiten auf
dem Weg zum besseren Verständnis des Geodynamos.
"Prinzipiell können wir für die Experimente an DRESDYN drei unterschiedliche
Parameter einstellen: Rotation, Präzession und den Winkel zwischen den beiden
Achsen", erläutert Giesecke. Er und seine Kollegen erwarten zum einen Antworten
auf die fundamentale Frage, ob Präzession tatsächlich ein Magnetfeld in einem
leitfähigen Fluid erzeugt. Zum anderen interessieren sie sich dafür, welche
Komponenten der Strömung ursächlich für die Entstehung des Magnetfeldes sind
oder wann die Sättigung eintritt.
"In Simulationen hatten wir festgestellt, dass in weiten Parameterbereichen
stehende Trägheitswellen auftreten. In einem bestimmten Bereich haben wir nun
aber eine charakteristische Doppelrollenstruktur beobachtet, die sich für den
Dynamoeffekt als extrem effizient erweist. Eine solche Geschwindigkeitsstruktur
kennt man prinzipiell auch vom französischen Dynamo-Experiment, bei dem sie
allerdings durch zwei Propeller künstlich erzeugt wird, während sie sich in
unserem Präzessionsexperiment von selbst einstellt."
Für die Vermessung der Strömungsstruktur verwendeten die HZDR-Forscher eine
spezielle Ultraschall-Technik. "Wir waren sehr überrascht, wie gut die Daten aus
Experiment und Simulation übereinstimmen. Damit haben wir eine sehr robuste
Vorhersage für das große DRESDYN-Experiment. Wir wissen beispielsweise, bei
welchen Rotationsraten der Dynamo-Effekt eintritt und welche
Magnetfeld-Strukturen wir erwarten können", sagt Giesecke.
Die Wissenschaftsgemeinde, die sich mit Dynamos beschäftigt, wartet
jedenfalls schon gespannt auf die Ergebnisse des geplanten Experiments, welches
sich in vielerlei Hinsicht am Rand des technisch Machbaren bewegt. "Wir
versprechen uns aber auch detaillierte Einblicke in die generelle Dynamik von
Flüssigmetall-Strömungen unter dem Einfluss von Magnetfeldern. Damit werden
Rückschlüsse auf Strömungen im industriellen Bereich möglich sein", so Giesecke.
Nicht zuletzt ist die am HZDR im Rahmen der Dynamo-Forschung entwickelte
magnetische Strömungstomographie für unterschiedlichste Bereiche im Stahlguss
und der Kristallzüchtung interessant.
Die Studie über die Erfolgsaussichten des geplanten Versuchsaufbaus wurde
kürzlich in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
|