Grüne Erbsen und das frühe Universum
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam astronews.com
26. März 2019
Ein Team von Astronominnen und Astronomen hat entdeckt, wie
energiereiche Photonen einer nahegelegenen Galaxie entkommen. Auf diese Weise
erleuchtete wahrscheinlich auch die erste Generation von Galaxien das junge und
bis dahin lichtundurchlässige Universum weniger als eine Milliarde Jahre nach
dem Urknall. Im Visier hatte das Team eine der eigentümlichen
Grüne-Erbsen-Galaxien.
"Green pea"-Galaxie NGC 2366, aufgelöst in Tausende blaue (junge) Sterne in einem Farbbild. Nebel erscheinen als rote/rosa
Bereiche. Mrk 71, der hellste Nebel, ist durch
den Pfeil markiert.
Bild: J. van Eymeren & A. R. López- Sánchez
(ATNF) [Großansicht] |
Astronominnen und Astronomen des Leibniz-Instituts für Astrophysik
Potsdam (AIP) haben zum ersten Mal den komplexen Mechanismus, wie ultraviolettes
Licht aus Galaxien entkommt, mithilfe des in Potsdam entwickelten Instruments
Potsdam Multi-Aperture Spektrophotometer (PMAS) untersucht. Eine detaillierte
physikalische Analyse der jetzt veröffentlichten einmaligen Beobachtungen am
Calar Alto Observatorium in Spanien belegt, dass aus einer untersuchten Galaxie
Gas mit Überschallgeschwindigkeit ausströmt. Ein ähnlicher Prozess fand
wahrscheinlich im frühen Universum statt.
Das frühe
Universum war ein dunkler Ort: Wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall
bildeten sich die ersten Sterne. Deren ultraviolette Strahlung ionisierte die
Wasserstoffatome, die das Weltall bevölkerten und bis dato die Strahlung
absorbierten. Dieser Vorgang wird als Reionisierungsepoche bezeichnet, die dazu
führte, dass das Universum transparent für Licht (und damit beobachtbar) wurde.
Nun haben Astronominnen und Astronomen das PMAS Instrument dafür genutzt, eine
sogenannte "Green Pea"-Galaxie (Grüne-Erbsen-Galaxie) zu untersuchen. Diese stellen ein lokales
Gegenstück zu den ersten Galaxien dar und zeigen, wie ultraviolettes Licht
ausgesendet und ferne Regionen in einem ähnlichen Prozess ionisiert werden.
"Wegen der enormen Entfernung können wir die Galaxien, die die ersten Sterne
beherbergten, nicht beobachten, auch nicht mit den in Zukunft geplanten
Teleskopen. Wir können jedoch lokale Gegenstücke dazu finden und stattdessen
untersuchen. Diese haben einen lustigen Namen, Green Pea, weil sie grün
leuchten", sagt Dr. Genoveva Micheva, Astronomin am AIP. Die der Erde nächste "Green Pea"-Galaxie
ist NGC 2366, eine Zwerggalaxie mit unregelmäßigem Aussehen, die der Großen
Magellanschen Wolke ähnelt. Mit nur elf Millionen Lichtjahren Entfernung ist NGC 2366 nah genug, um sie im Detail
untersuchen zu können.
In ihrem südlichen Gebiet liegt Mrk 71, ein riesiger
Nebel und zwei Ansammlungen junger, heißer Sterne, die das Gas (größtenteils
Wasserstoff) um sie herum erleuchten. Solche großen nebelartigen Komplexe sind
ein Ort aktiver und anhaltender Entstehung von Sternen.
Mrk 71 dominiert durch seine Größe die Ionisierungseigenschaften der
gesamten Galaxie NGC 2366. Es werden Photonen ausgestoßen, die so energiereich
sind, dass sie das einzelne Elektron jedes Wasserstoffatoms in ihrer Nähe
herauslösen können. Energiereiches ultraviolettes Licht, von dem Astronominnen
und Astronomen annehmen, dass es für die Reionisierungsepoche verantwortlich
war, entkommt den Grenzen dieser Galaxie. Dieses Licht reagiert extrem
empfindlich auf Gas und Staub und wird von beiden absorbiert und zerstreut. Aus
diesem Grund war bisher nicht bekannt, wie es entkommt.
Als Micheva und ihr Team
diese Region mit dem PMAS-Instrument am Calar Alto Observatorium untersuchten,
entdeckten sie Hinweise auf eine sehr schnelle doppelkonische Gasausströmung,
wahrscheinlich ausgelöst von Sternentstehungsaktivitäten. Die Ausströmung von
Gas beginnt bei einem jungen Sternhaufen mit mehrerer zehnfacher Sonnenmasse,
der ursprünglich vom Hubble- Weltraumteleskop entdeckt wurde. Durch diese
Ausströmung entsteht ein Loch im Gas, wodurch das energetische ultraviolette
Licht ungehindert entkommen kann.
"Stützende Beweise für dieses Szenario liefern
uns die Erstellung und Untersuchung räumlicher Karten der Elektronentemperatur
und –dichte sowie der Schallgeschwindigkeit und der Machzahl", sagt Micheva. In
Mrk 71 ist die durchschnittliche Machzahl, die das Verhältnis von
Geschwindigkeit zur Schallgeschwindigkeit angibt, im Überschallbereich und
steigt außerhalb des Kerns der Region sogar noch weiter an. Dies weist auf einen
plötzlichen Abfall der Gasdichte hin. "Wir zeigen, dass dieser Dichteabfall sehr
dramatisch sein kann und ausreicht, sie soweit zu reduzieren, dass das Gas
transparent für ionisierende Photonen wird", betont Micheva.
Es ist
wahrscheinlich, dass ein ähnlicher Prozess im entfernten (frühen) Universum
stattfand, bei dem gewaltige Ausströmungen das dichte Gas ihrer Heimatgalaxien
durchbrechen und so den Weg freimachen konnten, wodurch das Universum nach
seinem dunklen Anfang transparent wurde.
Das Deutsch-Spanische Astronomische
Zentrum (CAHA) in Calar Alto befindet sich in der Sierra de Los Filabres
(Andalusien, Südspanien) nördlich von Almeria. Es wird gemeinsam vom
Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und dem Instituto de
Astrofísica de Andalucía (CSIC) in Granada/Spanien betrieben. Junta de Andalucía,
die Regionalregierung,
wird in Kürze die Copartnerschaft von MPIA beim Calar Alto Observatorium
übernehmen.
Die Ergebnisse hat das Team in einem Fachartikel beschrieben, der in der
Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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