Merkwürdige Bahnen auch ohne Planet Neun
von Stefan Deiters astronews.com
23. Januar 2019
Vor drei Jahren kam eine faszinierende These auf: Könnten
sich die ungewöhnlichen Bahnen bestimmter Objekte im äußeren Sonnensystem durch
die Existenz eines bislang unentdeckten Planeten erklären lassen? Nach diesem Planet
Neun wurde seitdem intensiv gesucht - ohne Erfolg. Eine neue Studie erklärt die Bahnen nun auf einem anderen Weg: durch einen deutlich
massereicheren Kuipergürtel.
Jenseits der Neptunbahn kreisen unzählige
Brocken im Kuipergürtel um die Sonne. Wäre diese
Region deutlich massereicher, wäre der
postulierte Planet Neun nicht nötig, um die
ungewöhnlichen Bahnen einiger
Trans-Neptun-Objekte zu erklären, meinen nun
Wissenschaftler.
Bild: ESO / M. Kornmesser [Großansicht] |
Die These von der Existenz eines weiteren Planeten im äußeren
Sonnensystem mit der etwa zehnfachen Masse der Erde hat vor drei Jahren Fachwelt
und Öffentlichkeit elektrisiert: Zwei amerikanische Astronomen hatten aus den
ungewöhnlichen Bahnen einiger sogenannter Trans-Neptun-Objekte auf das
Vorhandensein dieser bislang
unentdeckten Welt geschlossen, die auf einer sehr unkreisförmigen,
langgestreckten Bahn in der etwa 20-fachen Neptunentfernung um die Sonne kreisen
müsste.
Seit damals wurde zwar intensiv nach der dunklen Welt am Rand des
Sonnensystems gesucht, allerdings bislang ohne Erfolg. Jetzt haben
Wissenschaftler der Universität im englischen Cambridge und von der American
University of Beirut eine neue Theorie vorgestellt: Die auffälligen Bahnen, die
als Hinweis auf "Planet Neun" gewertet wurden, könnten sich auch durch eine
Scheibe aus kleineren eisigen Objekten erklären lassen, deren Gesamtmasse etwa
der zehnfachen Masse der Erde entspricht.
"Die Planet-Neun-Hypothese ist faszinierend, aber wenn es den Planeten
geben sollte,
hat er sich bislang einer Entdeckung erfolgreich entzogen", so Antranik Sefilian
vom Department for Applied Mathematics and Theoretical Physics der Universität
Cambridge. "Wir wollten herausfinden, ob es noch eine alternative, vielleicht
etwas weniger dramatische Ursache für die ungewöhnlichen Bahnen mancher
Trans-Neptun-Objekte geben könnte. Da dachten wir uns, dass wir statt eines
neunten Planeten eine Scheibe aus kleinen Objekten jenseits der Neptunbahn
annehmen und schauen, was diese bewirken könnte."
Zusammen mit Professor Jihad Touma von der American University of Beirut
simulierte Sefilian die Dynamik von Trans-Neptun-Objekten unter Berücksichtigung
der äußeren Gasriesen und einer massereichen, ausgedehnten Scheibe von Objekten
jenseits der Neptunbahn. Daraus ergaben sich eine Reihe von Parameter, wie etwa
Masse der Scheibe, Ausrichtung oder Exzentrizität, die zu den gesuchten
ungewöhnlichen Bahnen mancher Objekte führen würden.
"Wenn man den neunten Planeten aus dem Modell entfernt und stattdessen eine
Vielzahl kleiner Objekte einführt, die über einen großen Bereich verteilt sind,
kann die gegenseitige Anziehungskraft dieser Objekte durchaus für die
exzentrischen Bahnen sorgen, die wir bei manchen Trans-Neptun-Objekten
beobachten", so Sefilian.
Die Gesamtmasse der Objekte in dem Bereich jenseits der Neptunbahn müsste
allerdings deutlich höher sein als die, die man heute für den gesamten
Kuiptergürtel annimmt. Dessen Gesamtmasse schätzt man auf etwa ein Zehntel der
Erde, die von Sefilian und Touma vorgeschlagene Scheibe müsste eine Masse von
bis zur zehnfachen Masse der Erde haben, um für die ungewöhnlichen Bahnen
verantwortlich zu sein.
Gibt es also den Planet Neun oder gibt es ihn nicht? Das weiß derzeit niemand: Auch die
massereiche Scheibe von Objekten im äußeren Sonnensystem ist bislang nichts
weiter als eine theoretische Möglichkeit - und zudem eine, die manche für sehr
theoretisch und mit bisherigen Modellen schwerer vereinbar halten, als die Idee
eines neunten Planeten. Grundsätzlich könnte es im äußeren
Sonnensystem sogar beides geben - einen Planeten und eine
massereichere Scheibe.
Über ihre Studie berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomical Journal erschienen ist.
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