Ein gerade entstehender Gasriese
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
2. Juli 2018
Mithilfe des Instruments SPHERE am Very Large Telescope
der ESO haben Astronomen jetzt einen extrem jungen extrasolaren Planeten
entdeckt, der sich noch in seiner Entstehungsphase befindet. Der junge Gasriese
mit der Bezeichnung PDS 70 b wurde innerhalb einer Lücke der protoplanetaren
Scheibe des Sterns PDS 70 nachgewiesen.
Aufnahme der Scheibe um den Stern PDS70 mit
dem SPHERE-Instrument. Der junge Exoplanet PDS 70
b ist deutlich als heller Punkt rechts von dem
durch eine Blende abgedeckten Stern zu sehen.
Bild: ESO/A. Müller et al. [Großansicht] |
Die Suche nach Exoplaneten hat bislang etwa 3800 Exemplare mit
unterschiedlichsten Größen, Massen sowie Abständen von ihren Muttersternen
zutage gefördert. Wie sie entstehen, weiß man aber nicht genau. Zwar verfügen
die Forscher über Theorien und Modelle möglicher Entstehungs-Szenarien. Jedoch
war es bislang kaum möglich, Planeten im Zustand ihrer Entstehung nachzuweisen,
den Entstehungsprozess direkt zu untersuchen und seine Eigenschaften mit den
Berechnungen der Modelle zu vergleichen. Genau das ist Astronomen des
Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und des Konsortiums des
SPHERE-Instruments am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO)
nun gelungen.
Der Planet PDS 70 b wurde in einer Entfernung von 22 Astronomischen Einheiten
(AE) von seinem Zentralgestirn PDS 70 entdeckt. Er ist damit 22 Mal so weit von
der Sonne entfernt wie die Erde. "Wir haben uns für unsere Untersuchung mit PDS
70 einen Stern ausgesucht, bei dem man bereits vermutete, dass dort ein junger
Planet seine Kreise ziehen könnte", erzählt Miriam Keppler, die als Doktorandin
am MPIA arbeitet.
PDS 70, ein 5,4 Millionen Jahre junger sogenannter T-Tauri-Stern, ist von
einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben, die 130 AE breit ist.
Zum Vergleich: Der äußere Rand des Sonnensystems, der Kuipergürtel, reicht nur
bis etwa 50 AE. Solche Scheiben bestehen aus Material, das nach der Entstehung
des Sterns übrig blieb. Die zirkumstellare Scheibe um PDS 70 weist eine große
Lücke auf. Man vermutet, dass solch eine Lücke typischerweise dadurch entsteht,
dass ein junger Riesenplanet auf seiner Bahn um den Mutterstern Scheibenmaterie
aufsammelt. Durch die Wechselwirkung mit der Scheibe verändert er dabei langsam
seinen Abstand zum Zentralgestirn. In dieser Weise räumt er allmählich eine
größere Zone in der Scheibe frei.
In einer anschließenden Untersuchung unter der Leitung von André Müller
konnte die Gruppe der Astronomen ein spektakuläres Bild des PDS 70-Systems
erhalten. Auf dieser Aufnahme ist der Planet am inneren Rand des Scheibenspalts
eindeutig erkennbar. Er läuft einmal innerhalb von etwa 120 Jahren um seinen
Mutterstern um. Ein Spektrum von PDS 70 b erlaubte es den Astronomen, seine
atmosphärischen und physikalischen Eigenschaften zu bestimmen. "Diese Entdeckung
bietet uns eine beispiellose Möglichkeit, theoretische Modelle der
Planetenbildung zu testen", erklärt Müller begeistert.
Tatsächlich zeigt die Analyse, dass PDS 70 b ein riesiger Gasplanet mit
mehreren Jupitermassen und einer Temperatur von etwa 1200 Kelvin ist. Er ist
damit ungleich heißer als jeder Planet in unserem Sonnensystem. PDS 70 b ist
jünger als der zentrale Stern und dürfte nach wie vor wachsen. Die Daten zeigen
außerdem, dass der Planet von Wolken umgeben ist, die die Strahlung des
Planetenkerns und seiner Atmosphäre modifizieren. "Aufgrund der neuen
Entfernungsdaten, die der Gaia-Satellit geliefert hat, mussten wir
unsere Zahlen noch einmal korrigieren. Laut Gaia ist PDS 70 rund 370 Lichtjahre
von uns entfernt," erklärt Keppler. PDS 70 b bestätigt zudem die Vorstellung,
dass sich Gasplaneten wie Jupiter in größerer Entfernung von ihrem Zentralstern
bilden sollten.
Um protoplanetare Scheiben sichtbar zu machen, wenden die Forscher
raffinierte Beobachtungs- und Auswerteverfahren an. Auf normalen Aufnahmen
überstrahlt der Stern alle Objekte in seinem direkten Umfeld. Mit dem
SPHERE-Instrument kann das Licht, das uns direkt vom Stern erreicht, jedoch
weitgehend eliminiert werden. Dafür nutzt die Kamera die Eigenschaft der
Polarisation des Lichts. Linear polarisierte Lichtwellen schwingen nur in einer
Ebene. Das Licht eines Sterns ist dagegen überwiegend unpolarisiert. Trifft es
jedoch auf die Scheibe, wird das Licht bei der Streuung an den Staubteilchen
linear polarisiert. Nutzt man nun einen entsprechenden Polarisationsfilter, der
Lichtwellen in nur einer Schwingungsebene durchlässt, detektiert oder blockiert
man je nach Ausrichtung das Licht, das von verschiedenen Bereichen der Scheibe
kommt.
Fotografen nutzen einen ähnlichen Effekt, wenn sie Reflexionen von einer
glatten Oberfläche ausblenden wollen. Vom Licht des Sterns erhält man dagegen
unabhängig von der Filterkonfiguration immer ein Signal. Dieser Unterschied
erlaubt es den Astronomen, das direkte Sternenlicht aus den Daten
herauszurechnen. Unterstützt wird die Operation durch eine weitere Methode: die
Astronomen decken den Stern mit einer Blende ab. Übrig bleibt ein Abbild der
Scheibe.
"Nach zehn Jahren der Entwicklung neuer, leistungsstarker astronomischer
Instrumente wie SPHERE zeigt uns diese Entdeckung, dass wir endlich in der Lage
sind, Planeten direkt bei ihrer Entstehung zu finden und zu studieren. Ein lang
gehegter Traum wird wahr", unterstreicht Prof. Thomas Henning, Direktor am MPIA,
leitender Wissenschaftler der beiden Studien und einer der verantwortlichen
Wissenschaftler des SPHERE-Instruments.
Über die Beobachtungen berichten die Astronomen in zwei Fachartikeln, die in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht werden.
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