Leben überlebt auch ohne Wasser
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der TU Berlin astronews.com
28. Februar 2018
Die Suche nach Leben auf anderen Planeten und Monden des
Sonnensystems oder um andere Sterne beginnt für Astrobiologen auf der Erde: Hier
studieren sie Lebensformen, die unter sehr extremen Bedingungen existieren, etwa
in der chilenischen Atacama-Wüste. Die Umweltbedingungen dort ähneln in
mancherlei Hinsicht denen auf dem Mars. Und doch gibt es hier Leben.
Feldforschung in Chile - marsähnliche
Landschaft in der chilenischen Atacama-Wüste nahe
der Probenentnahmestelle Yungay.
Foto: TU Berlin / Atacama-Project [Großansicht] |
Es sieht aus wie auf dem Mars: Die Atacama-Wüste, die sich nahe der
Pazifikküste Chiles rund 1200 Kilometer entlangzieht, ist der trockenste Ort der
Erde außerhalb der Polarregionen. Oft fällt dort jahrzehntelang kein einziger
Regentropfen. Und dennoch: auch in dieser unwirtlichen Region gibt es Leben. Es
harrt dort in den Salz- und Staubkrusten aus, toleriert Sauerstoff-, Wasser- und
Nahrungsmangel – und erwacht, wenn minimale Feuchtigkeitsmengen auftreten. Eine
internationale Forschergruppe rund um den Astrobiologen Prof. Dr. Dirk Schulze-Makuch
von der TU Berlin hat in dem "Atacama – Dry Limit of Life Project" drei Jahre
lang methodologisch aufwendige Untersuchungen durchgeführt, und in verschiedenen
Erdschichten Bakterien und andere Zellverbände nachgewiesen, die in ihren
Stoffwechselaktivitäten jahrelange Pausen einlegen können, ohne zu sterben.
"Die Atacama-Wüste sieht nicht nur so aus wie die Marsoberfläche, auch die
Umweltbedingungen sind bis zu einem gewissen Grad vergleichbar", erklärt
Schulze-Makuch. "Das war ein wesentliches Kriterium für die Auswahl dieses Ortes
für die Feldforschung." Der TU-Forscher, Astronom und Mikrobiologe, beschäftigt
sich mit der Suche nach den Grenzen des Lebens, mit der Frage, ob es außerhalb
unserer Erde habitable, also bewohnbare Zonen auf anderen Planeten gibt. Das
Atacama-Projekt wurde zum großen Teil aus einem Forschungspreis des Europäischen
Forschungsrates, dem ERC-Grant, finanziert, mit dem er 2013 an die TU Berlin
kam.
Insgesamt drei Expeditionen unternahm die Forschungsgruppe nach Chile. Die
erste Probenentnahme auf der Oberfläche und aus tieferen Schichten fand im April
2015 statt. Immer wieder stießen die Forscher auf Zellen und DNA, aber es musste
geklärt werden: Woher kommt dieses Material? Sind dies durch atmosphärische
Verwirbelungen eingetragene Zellen aus anderen Regionen, die dort langsam
sterben? Oder wurden die mikrobiologischen Organismen sogar durch menschliche
Kontamination eingebracht? Oder ist diese Extremwüste tatsächlich noch ein
Habitat?
Schulze-Makuch und seine Kolleginnen und Kollegen konnten aktive
Bakterien finden, einige die sich sogar teilten. Allerdings fand die
Probenentnahme nur kurze Zeit nach einem durch das Klimaphänomen El Niño
hervorgerufenen Regenfall statt, dem ausgiebigsten seit Beginn der
Aufzeichnungen 1978. Es gab in den folgenden Jahren zwei weitere Expeditionen
mit Probenentnahmen an sechs verschiedenen, viele Kilometer auseinanderliegenden
Orten in der Wüste.
Aufwendige Feuchtigkeitsmessungen, DNA-Untersuchungen und andere innovative
Messmethoden ergaben dabei eine teils große Vielfalt an Spuren, Biomarkern, von
Bakterien, Pilzen und anderen DNA-haltigen stoffwechselaktiven Einzellern.
Offenbar sind diese in der Lage, schon mit nur extrem wenig Wasserzufuhr, zum
Beispiel aus Nebel, der vom Meer herzieht, oder Absonderungen unterirdischer
Kristalle und Mineralien, ihren Stoffwechsel zu aktivieren, sich zu vermehren
und beim vollständigen Fehlen dieser Bestandteile wieder über Jahre
"einzuschlummern".
"Auf dem Mars fällt natürlich kein Regen", so Schulze-Makuch. "Aber es gibt
auch dort flüssiges Wasser in Form von Wasserfilmen auf Mineralen, Nebel,
Grundwasser und sogar ab und zu durch nächtlichen Schneefall. Insofern kann die
hyper-aride Kernzone der Atacama-Wüste, in der wir ein vorübergehend bewohnbares
Habitat mit kurzzeitig aktiven Mikroben entdeckt haben, als Arbeitsmodell für
den Mars gelten. Darüber hinaus gibt es mit unseren Ergebnissen ausreichend
Grund zu der Annahme, dass entsprechendes Leben auf dem Mars gefunden werden
kann."
Ihre Ergebnisse und Untersuchungsmethoden beschreibt das Team in einem
Fachartikel, der in dieser Woche in den Proceedings of the National Academy
of Sciences of the USA erscheint.
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