Die Zutatenliste von 67P
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
8. Dezember 2017
Der Staub, den der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko ins All
spuckt, besteht etwa zur Hälfte aus organischen Molekülen. Das ergab eine jetzt
vorgestellte Auswertung von Daten des Instruments COSIMA an Bord der Raumsonde
Rosetta. Zudem gehört das Material zu dem ursprünglichsten und
kohlenstoffreichsten, das in unserem Sonnensystem bekannt ist.
Blick auf den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko
aus einer Entfernung von etwas mehr als 100
Kilometern.
Bild: ESA/Rosetta/NAVCAM – CC BY-SA IGO 3.0 [Großansicht] |
COSIMA ist ein Instrument der Raumsonde Rosetta, die den Kometen
67P/Churyumov-Gerasimenko von August 2014 bis September 2016 untersucht hat. In
ihrer aktuellen Studie analysieren die beteiligten Forscher, zu denen auch
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) zählen,
so umfassend wie nie zuvor, aus welchen chemischen Elementen sich Kometenstaub
zusammensetzt.
Wenn sich ein Komet auf seiner stark elliptischen Umlaufbahn der Sonne
nähert, wird er aktiv: Gefrorene Gase verdampfen und reißen dabei winzige
Staubpartikel mit sich ins All. Diese einzufangen und zu untersuchen, bietet die
Möglichkeit, den "Baustoffen" des Kometen nachzuspüren. Nur wenigen
Weltraummissionen ist dies bisher gelungen. Zu ihnen zählt die Rosetta-Mission
der europäischen Weltraumagentur ESA.
Anders als ihre Vorgänger konnten die Rosetta-Forscher in der
aktuellen Studie erstmals Staubkörnchen verschiedenster Größe über einen
Zeitraum von etwa zwei Jahren sammeln und analysieren. Frühere Missionen wie
etwa Giotto zum Kometen 1P/Halley oder Stardust, die sogar Kometenstaub von
81P/Wild 2 zurück zur Erde brachte, lieferten im Vergleich nur eine
Momentaufnahme. Im Fall der Raumsonde Stardust, die 2004 an "ihrem" Kometen
vorbeiraste, hatte sich der Staub beim Einfang zudem stark verändert, so dass
eine quantitative Analyse nur eingeschränkt möglich war.
Im Verlauf der Rosetta-Mission sammelte COSIMA mehr als 35.000
Staubpartikel. Die kleinsten von ihnen maßen nur 0,01 Millimeter im Durchmesser,
die größten etwa einen Millimeter. Das Instrument erlaubt es, die einzelnen
Partikel zunächst mit dem Mikroskop zu betrachten. In einem zweiten Schritt
werden sie mit einem hochenergetischen Strahl aus Indium-Ionen beschossen. Die
so ausgelösten Sekundär-Teilchen lassen sich dann im COSIMA-Massenspektrometer
"wiegen" und analysieren.
Für die aktuelle Analyse beschränkten sich die Forscher auf 30 Staubpartikel,
deren Eigenschaften sich besonders gut auswerten ließen. Ihre Auswahl umfasst
Staubkörnchen aus allen Phasen der Rosetta-Mission und aller Größen.
"Unsere Auswertungen zeigen, dass die Zusammensetzung all dieser Partikel sehr
ähnlich ist", beschreibt MPS-Forscher Dr. Martin Hilchenbach, Leiter des
COSIMA-Teams, die Ergebnisse. Die Forscher schließen daraus, dass der
Kometenstaub aus denselben "Zutaten" besteht wie der Komentenkern selbst und
somit an seiner statt untersucht werden kann.
Weit oben auf der Zutatenliste stehen laut Studie organische Moleküle. Diese
machen etwa 45 Prozent des Gewichts des festen Kometenmaterials aus. "Der
Rosetta-Komet gehört damit zu den kohlenstoffreichsten Körpern, die wir im
Sonnensystem kennen", so MPS-Forscher und Mitglied des COSIMA-Teams Dr. Oliver
Stenzel. Der andere Teil des Gewichts, etwa 55 Prozent, liefern mineralische
Stoffe, hauptsächlich Silikate.
Auffällig ist, dass es sich fast ausschließlich um nicht hydrierte Mineralien
handelt, also solche, in denen Wasserverbindungen fehlen. "Natürlich enthält der
Rosetta-Komet wie jeder andere Komet auch Wasser", so Hilchenbach. "Doch weil
Kometen die meiste Zeit seit ihrer Entstehung am eisigen Rand des Sonnensystems
verbracht haben, war dies fast immer gefroren und konnte nicht mit den
Mineralien reagieren."
Die Forscher betrachten das Fehlen hydrierter Mineralien im Kometenstaub
somit als Indiz dafür, dass der Körper ausgesprochen ursprüngliches und
unverändertes Material enthält. Dafür spricht ebenfalls das Verhältnis
bestimmter Elemente wie etwa Kohlenstoff zu Silizium. Mit mehr als 5 liegt
dieser Wert sehr nahe am Wert der Sonne, in der in etwa die ursprüngliche
Gewichtung der Elemente aus den Kindertagen des Sonnensystems erhalten ist.
Die aktuellen Ergebnisse berühren auch unsere Vorstellungen davon, wie das
Leben auf der Erde entstand. In einer früheren Veröffentlichung konnte das
COSIMA-Team zeigen, dass der Kohlenstoff des Rosetta-Kometen
hauptsächlich in Form großer, organischer Makromoleküle vorliegt. Zusammen mit
der aktuellen Studie wird deutlich, dass diese Verbindungen einen Großteil des
Kometenmaterials ausmachen. Sollten Kometen die frühe Erde tatsächlich mit
organischem Material versorgt haben, wie viele Forscher annehmen, wäre dies
somit wahrscheinlich hauptsächlich in Form solcher Makromoleküle eingetragen
worden.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen ist.
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