Haumea hat einen Ring
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
17. Oktober 2017
Haumea besitzt einen schmalen und dichten Ring. Das hat die
Beobachtung einer Sternbedeckung durch den Zwergplaneten ergeben. An der
Kampagne waren zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern beteiligt.
Weitere Beobachtungen lieferten außerdem detailliertere Daten zu Größe, Form und Dichte von Haumea.
Die Entstehung dieses Ringsystems bleibt aber rätselhaft.

Künstlerische Darstellung von Haumea und
seinem Ringsystem, wobei der Hauptkörper und der
Ring maßstabsgetreu dargestellt sind.
Bild: IAA-CSIC/UHU [Großansicht] |
In unserem Sonnensystem wimmelt es außerhalb der Neptunbahn geradezu von
interessanten Himmelskörpern, den sogenannten TNOs (trans-neptunischen
Objekten). Die vier größten TNOs sind als Zwergplaneten klassifiziert – mit
Pluto als bekanntestem Mitglied. Haumea ist kleiner, besitzt eine langgestreckte
Form, rotiert sehr schnell, ist mit kristallinem Wassereis bedeckt und hat zwei
Monde. Allerdings waren viele seiner physikalischen, chemischen und thermischen
Eigenschaften bisher nicht gut bekannt.
"Seit seiner Entdeckung vor mehr als zehn Jahren wussten wir, dass Haumea ein
exotisches Objekt ist, aber trotz Beobachtungen mit den leistungsstärksten
Teleskopen kannten wir seine Eigenschaften nur unzureichend", erzählt Thomas
Müller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, der eines der
Projektteams für diese Studie leitete. "Es ist fantastisch zu sehen, dass eine
koordinierte Kampagne von Beobachtern mit kleinen bis mittelgroßen Teleskopen
nun einen derart spektakulären Beitrag zu unserem Verständnis von Haumea und der
Welt der eisigen Zwergplaneten hinter Neptun erbracht hat."
Die Astronomen nutzten die seltene Gelegenheit einer Sternbedeckung, um eine
Fülle von Beobachtungsdaten zu sammeln. Solche Sternbedeckungen sind einer
Sonnenfinsternis sehr ähnlich, doch anstatt des Mondes vor der Sonne läuft in
diesem Fall ein kleiner Körper unseres Sonnensystems vor einem beliebigen
Hintergrundstern vorbei. Aus der Messung des Schattens auf der Erde lässt sich
direkt die Größe des Objekts und seine (projizierte) Form errechnen.
Bereits im Jahr 2015 erkannten die Forscher die mögliche Bedeckung eines
ausreichend hellen Sterns durch Haumea. Die verbesserten Positionen für mehr als
eine Milliarde Sterne im Gaia-Katalog, der im September 2016
veröffentlicht wurde, machten Vorhersagen von Sternbedeckungen durch Asteroiden
viel verlässlicher. Allerdings bleibt die Berechnung von Ereignissen, die durch
TNOs verursacht werden, schwierig. Diese Objekte wurden erst vor relativ kurzer
Zeit entdeckt und astrometrische Beobachtungen sind nur für einen kleinen Teil
ihrer Umlaufbahnen verfügbar.
Daher bedurfte es einer großen astrometrischen Beobachtungskampagne nahe des
Zeitpunktes einer potenziellen Bedeckung, um den Pfad des Schattens zu berechnen
und das Beobachternetz im Januar 2017 in Bereitschaft zu versetzen. So erhielten
insgesamt zehn Observatorien in sechs europäischen Ländern Daten über Haumeas zu
erwartende Sternbedeckung, die dann am 21. Januar 2017 stattfand. Die
Lichtkurven zeigen tiefe Einschnitte, bedingt durch den Vorbeizug von Haumea vor
dem Hintergrundstern. Weil diese Einschnitte sehr abrupt sind, kann der
Zwergplanet keine globale Atmosphäre haben wie etwa Pluto.
Neben der großen Bedeckung gab es aber vor und nach dem größten Einschnitt in
der Lichtkurve kurze Verdunkelungen. "Wir waren sehr überrascht, diese
Sekundärereignisse zu sehen, was auf eine zusätzliche Struktur um den
Zwergplaneten hindeutete", sagt Ulrich Hopp vom Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik und der Universitätssternwarte München, die für die
Beobachtungen am Observatorium Wendelstein verantwortlich war. "Die Analyse
zeigt, dass diese Verdunkelungen durch einen schmalen und dichten Ring um Haumea
erklärt werden können, der etwa die Hälfte des ankommenden Sternenlichts
absorbierte."
Beobachtungskampagnen der vergangenen Jahre erhielten bereits Hinweise auf
Ringe um einige kleinere Planeten in der Trans-Neptun-Region wie Chariklo und
Chiron. Unerklärte Lichtkurven-Signaturen könnten zudem darauf hindeuten, dass
auch andere Objekte einen Ring oder ein ganzes Ringsystem besitzen könnten. Das
Reflexionsvermögen des Rings um Haumea ist vergleichbar mit jenem der bisher
bekannten Ringe. Der Positionswinkel des Rings stimmt mit der Rotationsachse von
Haumea überein, sodass der Ring in der Äquatorebene des Himmelskörpers liegen
sollte.
Bisherige Beobachtungen haben gezeigt, dass sich auch Haumeas einer Mond
Hi'iaka in der Äquatorialebene befindet, allerdings in deutlich größerer
Entfernung. Der Ring liegt so nahe am stark eiförmigen Zwergplaneten, dass die
Entstehung eines festen Körpers aus diesem Material nicht möglich ist.
Da Haumea eine triaxiale, ellipsoide Form besitzt, reicht die Bedeckung
allein nicht aus, seine dreidimensionale Gestalt zu bestimmen. Die Messungen
über mehrere Tage vor und nach der Bedeckung lieferten den Astronomen aber
zusätzliche Informationen über die Rotationslichtkurve, sodass sich die Form des
Ellipsoids sowie die Dichte des Zwergplaneten daraus ableiten ließen. Die neuen
Ergebnisse stehen viel besser im Einklang mit der Dichte anderer großer TNOs als
bisherige Messungen.
Allerdings sind die Ergebnisse nicht mit einem homogenen Körper im
hydrostatischen Gleichgewicht vereinbar. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass
die vereinfachte Annahme eines annähernd flüssigen Körpers nicht gültig ist und
die Gesetze granularer Medien angewandt werden müssen. "Die Anstrengungen, die
wir in die Koordination und Vorbereitung dieser großen Zusammenarbeit
investierten, haben sich voll ausgezahlt: In den wenigen Sekunden der Bedeckung
erhielten wir eine Fülle an Informationen", sagt Müller. "Wir wissen jetzt mehr
über die Form und den Aufbau von Haumea."
Die Entdeckung eines Rings um diesen Zwergplaneten – mit einer ganz anderen
dynamischen Masse und weiter entfernt als alle anderen Objekte mit Ringen –
bedeute, dass derartige Ringe wohl viel häufiger seien, als bisher gedacht, so
die Forscher. Das sei ein neues, unerwartetes und aufregendes Forschungsfeld, in
dem kleine und mittelgroße Teleskope fantastische Beiträge leisten könnten.
"Unser Sonnensystem überrascht uns immer wieder aufs Neue", sagt Paola Caselli,
Direktorin am Garchinger Max-Planck-Institut. "Diese neue Entdeckung wird viel
zum Verständnis der Entstehung von Zwergplaneten beitragen und damit auch
Rückschlüsse auf die Frühgeschichte unseres Sonnensystems zulassen. Ich freue
mich auf weitere Beobachtungen mit anderen leistungsstarken Teleskopen, um die
Zusammensetzung Haumeas und anderer TNO-Objekte zu untersuchen."
Über ihre Untersuchung berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Nature erschienen ist.
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