Unerwartete Funde im Perseus-Haufen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
23. August 2017
Astronomen haben im Zentrum des Perseus-Galaxienhaufen
Galaxien entdeckt, die sie dort eigentlich nicht erwartet hatten, nämlich Galaxien mit einer außerordentlich geringen
Sterndichte. Wie diese Systeme einst entstanden sind und warum sie überhaupt in
dieser Form existieren können, wissen die Wissenschaftler noch nicht. Sie hoffen
auf weitere Beobachtungen in anderen Regionen des Haufens.
Der zentrale Bereich des
Perseus-Galaxienhaufens. Das Bild wurde aus einer
Vielzahl lang belichteter Aufnahmen
zusammengesetzt, die mit dem
4,2-Meter-William-Herschel-Teleskop auf der Insel
La Palma gewonnen wurden. Nur schwach erkennbar
sind die ultra-diffusen Galaxien, wie die
Vergrößerung zeigt. Das gesamte Bild hat am
Himmel etwa den Durchmesser des Vollmonds.
Bild: Carolin Wittmann, ZAH/ARI [Großansicht] |
Astronomen haben sehr große und dennoch schwach leuchtende Galaxien an einem Ort im Universum entdeckt, an dem die Experten sie nie
erwartet hätten: im Zentrum eines gigantischen Galaxienhaufens. Es handelt sich
um sogenannte ultra-diffuse Galaxien mit einer außerordentlich geringen
Sterndichte, deren Entdeckung "erstaunlich und rätselhaft zugleich ist", so Dr.
Thorsten Lisker vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH).
Unser Sonnensystem befindet sich mitten in einer großen Galaxie,
der Milchstraße, die sich aus vielen Milliarden Sternen zusammensetzt. Mit
bloßem Auge sind davon rund 3.000 Sterne zu sehen. Würde sich die Erde jedoch
stattdessen in einer ultra-diffusen Galaxie befinden, so wären lediglich einige
Dutzend Sterne und nur der "Hauch" einer Galaxie am Nachthimmel erkennbar.
In
dieser speziellen Klasse von Galaxien, deren Bezeichnung von ihrem extrem
diffusen Aussehen stammt, sind offensichtlich viel weniger Sterne als in anderen
Galaxien entstanden oder sie wurden ihnen vor langer Zeit durch die galaktischen
Gezeitenkräfte "entrissen". Erst seit drei Jahren suchen Astronomen das
Universum systematisch nach solchen ultra-diffusen Galaxien ab.
Mithilfe großer
Teleskope und neuer Technologien wurden sie dabei vor allem in großen
Galaxienhaufen fündig. Die Heidelberger Forscher konnten nun zu ihrer
Überraschung rund 90 solcher Galaxien im Zentralbereich des
Perseus-Galaxienhaufens identifizieren. Der Perseus-Haufen ist eine dichte
Ansammlung Hunderter großer und kleiner Galaxien in einer Entfernung von rund
240 Millionen Lichtjahren. Erstaunlicherweise scheinen die meisten der
ultra-diffusen Galaxien intakt zu sein; trotz eines starken Gezeitenfeldes
zeigen nur wenige von ihnen mögliche Zeichen einer laufenden Zerstörung.
"Wir
haben uns gefragt, wie die empfindlichen ultra-diffusen Galaxien überhaupt in
einer so unruhigen Umgebung wie einem Galaxienhaufen überleben konnten",
erläutert Carolin Wittmann, Doktorandin an dem
zum ZAH gehörenden Astronomischen Rechen-Institut (ARI). "Möglicherweise
sind die Sterne in den ultra-diffusen Galaxien durch einen besonders hohen
Gehalt an Dunkler Materie gravitativ gebunden." Dafür spricht nach Ansicht der
Wissenschaftlerin auch, dass kaum Anzeichen für Wechselwirkungen mit größeren
Galaxien gefunden wurden.
Grundlage der Heidelberger Forschungen sind
langbelichtete Aufnahmen des Perseus-Galaxienhaufens, die im Jahr 2012 mit dem
4,2-Meter-Spiegel des William-Herschel-Teleskops auf der Kanareninsel La Palma
gewonnen wurden. "Ursprünglich wollten wir damit bekannte kleine Galaxien
daraufhin untersuchen, welche Auswirkungen hier die Gezeitenkräfte haben und
welche strukturellen Störungen sie nach sich ziehen. Die außergewöhnliche
Qualität der Daten erlaubte es uns aber, zahlreiche ultra-diffuse Galaxien
ausfindig zu machen", erklärt Lisker, der das Projekt am ARI initiiert und
betreut hat.
Seine Forschungsgruppe und die internationalen Partner hoffen nun
auf ähnlich hochwertige Daten für die äußeren Bereiche des Perseus-Haufens. Hier
sind die Kräfte, die auf Galaxien einwirken, deutlich schwächer. Damit sollte
mehr vom ursprünglichem Aussehen der Galaxien erhalten sein, wie Lisker
betont.
Über ihre Entdeckung berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen
ist.
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