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Im Rahmen des Experiments MAIUS 1 ist es Wissenschaftlern erstmals gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat in einer Forschungsrakete zu erzeugen und für Experimente zu nutzen. Es handelt sich um eines der komplexesten Experimente, das je an Bord einer Forschungsrakete geflogen ist. Ziel des Projekts ist unter anderem die Überprüfung des Äquivalenzprinzips.
Eines der komplexesten Experimente, das je auf einer Forschungsrakete geflogen wurde: So könnte man das Experiment MAIUS 1 (Materiewellen-Interferometrie unter Schwerelosigkeit) beschreiben, das am 23. Januar 2017 um 3.30 Uhr MEZ mit einer Forschungsrakete vom Raumfahrtzentrum Esrange bei Kiruna in Nordschweden ins Weltall gestartet ist. Während der etwa sechsminütigen Phase, in der während des Fluges Schwerelosigkeit herrscht, ist es deutschen Wissenschaftlern erstmalig gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat (BEK) im Weltraum zu erzeugen und für Interferometrie-Experimente zu nutzen. "Bose-Einstein-Kondensate entstehen, wenn ein Gas bis fast auf den absoluten Nullpunkt heruntergekühlt wird", sagt Rainer Forke vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Nun sind wir glücklich, dass wir nachweisen konnten, dass die MAIUS-1-Anlage im Weltraum einwandfrei arbeitet. Während der Schwerelosigkeitsphase konnten rund 100 Einzelexperimente zu verschiedenen Aspekten der Materiewelleninterferometrie durchgeführt werden." Wissenschaftler von elf deutschen Forschungseinrichtungen haben innerhalb weniger Jahre die Technologie zur Erzeugung von Bose-Einstein-Kondensaten so miniaturisiert, dass die Experimentanlage in das Nutzlastmodul einer Forschungsrakete von rund zweieinhalb Metern Höhe und 50 Zentimetern Durchmesser passt. "Normalerweise füllt eine solche Apparatur einen ganzen Laborraum", sagt Dr. Stephan Seidel, wissenschaftlicher Projektleiter MAIUS 1 von der Universität Hannover. "Die Anlage so kompakt und robust zu konzipieren, dass sie auf einer Forschungsrakete fliegen kann, war eine große Herausforderung für Wissenschaftler und Ingenieure."
Will man ein Bose-Einstein-Kondensat erzeugen, so muss eine Wolke von Atomen - in diesem Fall verwenden die Forscher Rubidium-Atome - auf nahezu Minus 273 Grad Celsius abgekühlt werden. Hierfür reichen konventionelle Kühlungsmethoden nicht aus. In einem zweistufigen Verfahren wird daher die Bewegung der Atome zunächst mit Hilfe von Lasern abgebremst - denn je schneller sich ein Atom bewegt, desto höher ist seine Temperatur. In der MAIUS-Apparatur sind dafür winzige Laser eingebaut, deren Strahlen die Rubidium-Atome abbremsen. Die Teilchen werden auf diese Weise in eine Atom-Falle überführt, aus der sie nicht entweichen können. Diese Falle wird kreiert mit Hilfe eines Atomchips, auf dem Magnetfelder erzeugt werden. Den magnetischen Einschluss kann man sich als die "Wände" der Falle vorstellen. Nach der Laserkühlung beginnt in der Magnetfalle die zweite Phase der Temperaturreduktion. Dabei wird das magnetische Feld reduziert, so dass sich die Höhe der "Wände" verringert. Damit bleiben nunmehr nur die kältesten und damit unbeweglichsten Teilchen in der Falle, während die beweglicheren Atome die niedrigere Barriere überwinden können. Die so erzeugten ultrakalten Atome werden in MAIUS zur Materiewelleninterferometrie genutzt. "Der Reiz, die Interferometrie mit Materiewellen auf möglichst lange Zeiten auszudehnen, hat auch einen wichtigen Anwendungsaspekt", so Prof. Ernst Rasel, wissenschaftlicher Leiter des Projekts an der Universität Hannover. "Die Empfindlichkeit eines Atominterferometers wächst nämlich quadratisch mit der freien Fallzeit von BEKs in einem solchen Messgerät. So ist es nicht verwunderlich, dass bereits über lang andauernde Missionen von Weltraumsatelliten nachgedacht wird. Auch der Einsatz von Quantensensoren in Satelliten für eine präzisere Geodäsie und Navigation wird schon diskutiert." "Wir sind sehr am deutschen Know-How für unser Cold Atom Laboratory (CAL), einer Apparatur zur Erforschung ultrakalter Quantengase, interessiert", sagt Mark Lee von der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. "CAL soll bereits im Juni 2017 zur Internationalen Raumstation ISS starten." Bereits im Jahr 2007 war es Wissenschaftlern im Rahmen von QUANTUS (Quantengase unter Schwerelosigkeit) - des Vorläuferprojekts von MAIUS 1 - erstmalig gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat in Schwerelosigkeit zu erzeugen. Dazu wurde die QUANTUS-Anlage in eine Kapsel integriert, mit der im Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen Fallturmexperimente durchgeführt wurden. Die weltweit beachtete Forschung mit QUANTUS leistete entscheidende Pionierarbeit für MAIUS und bleibt auch für die Vorbereitung weiterer Missionen eine wichtige Forschungsplattform. Mit dem erfolgreichen Start von MAIUS 1 wurde bewiesen, dass die Technologie unter Weltraumbedingungen störungsfrei funktioniert. Mit MAIUS 2 und 3 sollen in den Jahren 2018 und 2019 zwei weitere Missionen folgen. Auf MAIUS 2 werden neben ultrakalten Rubidium-Atomen erstmalig auch ultrakalte Kalium-Atome auf einer Forschungsrakete eingesetzt. Bei MAIUS 3 soll dann die Fallgeschwindigkeit von Bose-Einstein-Kondensaten aus beiden Atomarten via Interferometrie verglichen werden. Damit soll der Teil der Einsteinschen Relativitätstheorie überprüft werden, der besagt, dass im Vakuum alle Massen gleich schnell fallen - das so genannte Äquivalenzprinzip. Würde diese Annahme widerlegt werden, wäre die Relativitätstheorie nicht mehr uneingeschränkt gültig. Doch auch diese Experimente sind nur ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu einer Langzeitmission im Weltraum. Ziel ist es, die Technologie auch auf Satelliten oder der Internationalen Raumstation ISS einsetzen zu können. Denn dort könnten die Experimente wochen- oder sogar monatelang in Schwerelosigkeit durchgeführt werden, während dies im Fallturm nur für etwa neun Sekunden und beim Raketenflug für rund sechs Minuten möglich ist. Das Projekt MAIUS 1 steht unter wissenschaftlicher Leitung der Leibniz Universität Hannover im Verbund mit der Humboldt-Universität und dem Ferdinand-Braun-Institut in Berlin, dem ZARM der Universität Bremen, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Hamburg, der Universität Ulm und der Technischen Universität Darmstadt. Dem Forschungsverbund gehören außerdem das DLR Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen, die DLR-Einrichtung für Simulations- und Softwaretechnik in Braunschweig und die Mobile Raketenbasis des DLR (MORABA) an, welche auch die Startkampagne durchführt. Koordiniert und unterstützt wird das Projekt vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).
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