Der Halo der Milchstraße dreht sich
von Stefan Deiters astronews.com
26. Juli 2016
Die Scheibe unserer Milchstraße mit den Spiralarmen ist in
einen ausgedehnten Halo aus heißem Gas eingebettet. Die Auswertung von
Archivdaten des europäischen Röntgenteleskops XMM-Newton ergab nun, dass sich
offenbar auch dieses heiße Gas dreht - in dieselbe Richtung wie die Scheibe.
Für die Forscher ist dies ein wichtiger Hinweis auf die Entstehungsgeschichte
unserer Heimatgalaxie.
Die Scheibe der Milchstraße ist in einen
ausgedehnten Halo aus heißem Gas eingebettet (in
dieser künstlerischen Darstellung blau
dargestellt).
Bild: NASA / CXC / M. Weiss / Ohio State / A.
Gupta et al. [Großansicht] |
Die Sonne und die meisten anderen Sterne unserer Milchstraße liegen in
einer großen scheibenförmigen Struktur, die um das Zentrum unserer Heimatgalaxie rotiert. Hier finden
sich auch die Spiralarme und die Sternentstehungsgebiete. Eingebettet ist diese
Scheibe allerdings in einen gewaltigen Halo aus heißem Gas, der weit ins All
hinausreicht - deutlich weiter, als es die Scheibe der Galaxie tut.
Astronomen des College of Literature, Science and Arts der University of
Michigan haben nun entdeckt, dass sich dieser Halo aus heißem Gas in die gleiche
Richtung dreht wie die Scheibe und dies auch mit einer vergleichbaren
Geschwindigkeit. Der Fund könnte wichtige Hinweise auf die Entstehungsgeschichte
unserer Milchstraße liefern.
"Die Entstehung widerspricht etwas den Erwartungen", meint Edmund
Hodges-Kluck von der University of Michigan. "Man hat immer angenommen, dass die
Scheibe der Milchstraße rotiert, während das gewaltige Reservoir aus heißem Gas
stillsteht - aber das ist falsch. Das heiße Gas rotiert auch, nur nicht ganz so
schnell wie die Scheibe."
Die Analyse der Wissenschaftler basiert auf Daten des europäischen
Weltraumteleskops XMM-Newton, das im Röntgenbereich beobachtet. Es ist damit
ideal geeignet, um mehr über den heißen gasförmigen Halo unserer Heimatgalaxie
zu erfahren. Die Bewegung eines Objekts sorgt für eine Verschiebung der
Wellenlänge des von diesem ausgesandten Lichts. Die Astronomen betrachteten für
ihre Studie Spektrallinien von sehr heißem Sauerstoff.
So konnten sie erstmals feststellen, dass sich auch das Gas im Halo der
Galaxie in die gleiche Richtung bewegt, wie die Scheibe der Milchstraße und auch
mit einer vergleichbaren Geschwindigkeit: Im Fall der Scheibe sind dies rund
860.000 Kilometer pro Stunde, das Halogas bewegt sich mit 640.000 Kilometern pro
Stunde. "Die Rotation des heißen Halo ist ein wertvoller Hinweis darauf, wie
unsere Milchstraße einmal entstanden ist", so Hodges-Kluck. "Es verrät uns, dass
diese heiße Atmosphäre die ursprüngliche Quelle von einem großen Anteil der
Materie in der Scheibe ist."
80 Prozent der Masse im Universum dürfte, so die aktuellen Theorien und
Beobachtungen, in Form von Dunkler Materie vorliegen. Bei der galaktischen
Scheibe kennt man allerdings auch die "normale" Materie nicht vollständig, die eigentlich
hier vorhanden sein müsste. Unlängst konnte man allerdings einen Teil dieser
Masse in den Halos von Galaxien aufspüren. Die neuen Daten könnten nun helfen,
die Prozesse besser zu verstehen, durch die Material aus dem Halo in die Scheibe
gelangt.
"Jetzt, wo wir von dieser Rotation wissen, können Theoretiker beginnen, diese
Information in die Modelle über die Entstehung der Milchstraße einzuarbeiten und
so auch ihr Schicksal vorhersagen", meint Joel Bregman von der University of
Michigan. "Aus dieser Entdeckung können wir aber noch viel mehr lernen. Die
Rotation des heißen Halo wird ein wichtiges Thema für künftige Röntgenspektrographen sein."
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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