Bewegte Strukturen in einer Staubscheibe
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
8. Oktober 2015
Mithilfe des Instruments SPHERE am Very Large Telescope der
ESO und des Weltraumteleskops Hubble haben Astronomen jetzt
ungewöhnliche bewegte Strukturen in der Staubscheibe um den nahen Stern AU
Microscopii aufgespürt. Jetzt rätseln sie, wie diese Strukturen entstanden sind.
Eventuell könnten Eruptionen des Sterns oder bislang unentdeckte Planeten dafür
verantwortlich sein.
Bilder der Trümmerscheibe um den Stern AU Mic
von 2010, 2011 und 2014 zeigen die neu
entdeckten, bewegten, wellenartigen Strukturen.
Bild: ESO, NASA & ESA [Großansicht] |
Der Stern AU Mic (AU Microscopii) liegt weniger als 33 Lichtjahre von der
Erde entfernt im südlichen Sternbild Mikroskop. Er ist von einer großen
Staubscheibe umgeben, die irdische Beobachter fast genau von der Seite sehen.
Jetzt ist es mithilfe von SPHERE, einem jüngst am Very Large Telescope
der ESO installierten Instrument insbesondere zur Beobachtung von Exoplaneten
und den Scheiben um Sterne, gelungen, die Trümmerscheibe von AU Mic detailscharf
abzubilden.
Außer den SPHERE-Daten wurden dabei noch frühere Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Hubble genutzt. Erstmals gelang es dabei, nicht nur
Unterstrukturen der Scheibe zu zeigen, sondern auch zuverlässig nachzuweisen,
wie sich diese Strukturen mit der Zeit verändern. Die Scheibe um AU Mic weist
offenbar schnell bewegte, wellenartige Strukturen auf.
Als das Instrumententeam von SPHERE nach Zielobjekten für ihre ersten
Beobachtungen suchte, war AU Mic ein naheliegender Kandidat. "Gleich auf den
ersten Blick haben wir detaillierte Strukturen in der Scheibe gesehen – hätten
Sie mir vor ein paar Jahren gesagt, dass solche Bilder 2015 möglich wären, hätte
ich Ihnen das vermutlich nicht geglaubt", erläutert Thomas Henning, Direktor am
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, der an der Forschungsarbeit
beteiligt war. "Wir haben diese Strukturen dann mit Bildern verglichen, die
einige Kollegen und ich 2010 und 2011 mit dem Weltraumteleskop Hubble
aufgenommen hatten."
Dabei, so Henning, hätte es dann eine Überraschung gegeben: "In der Tat war
es uns möglich, eine ganze Reihe von Strukturen eindeutig sowohl in den SPHERE-
als auch in den Hubble-Bildern zu identifizieren. Aber innerhalb der
wenigen Jahre, die zwischen den beiden Beobachtungen vergangen waren, hatten
sich diese Strukturen deutlich weiter vom Stern entfernt. Zum ersten Mal
beobachten wir nicht nur die Struktur oder die spektralen Eigenschaften einer
solchen Trümmerscheibe - wir konnten zusehen, wie sich die Scheibe veränderte!"
Eine vorläufige Auswertung der Daten, die noch durch zukünftige Beobachtungen
bestätigt werden muss, legt nahe, dass ein Teil der Materie, die dort beobachtet
wurde, schnell genug fliegt, um aus der Scheibe und sogar aus dem gesamten
betroffenen Sternensystem zu entkommen. Bislang ist noch nicht vollständig
geklärt, wie die dynamischen Eigenschaften, die der Vergleich der SPHERE- und
Hubble-Bilder offenbart hat, zustande kommen.
AU Mic ist ein roter Zwergstern, der nur etwas mehr als halb so groß ist wie
die Sonne. Mit nur rund 12 Millionen Jahren ist er zudem ein recht junger Stern
im Vergleich zu der knapp fünf Milliarden Jahre alten Sonne. Wie bei solchen
jungen Sternen häufig, zeigt AU Mic starke Aktivität und weist immer wieder
Eruptionen auf, bei denen stellares Plasma mit hohen Geschwindigkeiten nach
außen geschleudert wird. Eine Möglichkeit ist, dass die bewegten Strukturen in
der Staubscheibe auf diese Weise zustande gekommen sind.
Eine weitere durchaus reizvolle Möglichkeit ist, dass die Veränderungen in
der Scheibe Hinweise auf das Vorhandensein eines oder mehrerer Riesenplaneten in
der Staubscheibe sind. Die Veränderungen würden in diesem Falle durch die
Schwerkraftanziehung der Planeten während ihres Wanderns durch die Scheibe
hervorgerufen. Bislang sind allerdings noch keine Planeten um AU Mic
nachgewiesen - was sich in Zukunft allerdings durchaus ändern könnte.
Insgesamt legt der überraschende Nachweis der Scheibendynamik von AU Mic ein
ganzes Programm zusätzlicher Beobachtungen nahe. Haben die Forscher besonders
großes Glück, könnte ihnen sogar der Nachweis von Protoplaneten in der Scheibe
gelingen, also von kleineren Körpern, die eifrig weitere Masse ansammeln um
später zu Planeten zu werden.
Zudem sollten detaillierte Beobachtungen der Dynamik solcher Scheiben direkte
Vergleiche mit der Simulation solcher Objekte ermöglichen – und könnten auch
Informationen über Prozesse der Planetenentstehung liefern, die in der Scheibe
ihre Spuren hinterlassen haben.
Über ihre Beobachtungen berichten die Wissenschaftler jetzt im
Wissenschaftsmagazin Nature.
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