Gesucht: 340 fehlende Einschlagkrater
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Freiburg astronews.com
8. Juli 2015
Auch die Erde war im Verlauf ihrer Geschichte einem
Bombardement von kleineren und größeren Brocken aus dem All ausgesetzt. Doch
anders als auf Mars oder Mond finden sich auf ihrer Oberfläche nur noch wenige
Zeugen dieser Einschläge. Freiburger Wissenschaftler haben jetzt berechnet, wie
viele Einschlagkrater es auf der Erdoberfläche eigentlich noch geben müsste.
Der Meteor Crater im US-Bundesstaat Arizona
mit einem Durchmesser von rund 1,2 Kilometern ist
der wohl bekannteste Einschlagkrater auf der
Erde.
Foto: NASA / JPL |
Die Geologen Prof. Dr. Stefan Hergarten und Prof. Dr. Thomas Kenkmann vom
Institut für Geo- und Umweltnaturwissenschaften der Universität Freiburg haben
untersucht, wie viele Meteoritenkrater auf der Erdoberfläche vorhanden sein
müssten. 188 sind bislang nachgewiesen, 340 weitere gilt es zu entdecken – so
das Ergebnis einer Wahrscheinlichkeitsrechnung, die die beiden Forscher jetzt
vorgestellt haben.
Meteoriteneinschläge haben wiederholt die Entwicklungsgeschichte der Erde und
des Lebens beeinflusst. Auch das große Dinosauriersterben am Ende der Kreidezeit
geht wohl auf eine Megakollision zurück. Aber wie viele Relikte von großen und
kleinen Einschlägen sind erhalten?
Verglichen mit mehr als 300.000 Einschlagkratern auf dem Mars erscheinen die
bisher nachgewiesenen 188 auf der Erde verschwindend gering. Zudem sind 60 von
ihnen mehr oder weniger tief von Sedimenten begraben. Fortschritte in der
Fernerkundung haben nicht zu dem erwarteten Sprung geführt: Im Durchschnitt
werden jährlich nur etwa ein bis zwei zumeist stark erodierte Meteoritenkrater
neu entdeckt.
Die Wahrscheinlichkeit eines Einschlags ist auf der Erde nicht grundlegend
anders als auf dem Mars. Allerdings verändert sich die Erdoberfläche wesentlich
schneller. Dies führt dazu, dass die Krater eine deutlich kürzere Lebensdauer
haben und ihre heutige Anzahl daher viel geringer ist. "Bei der Studie bestand
die Herausforderung darin, die Wirkung der Erosion, die zum Verschwinden der
Krater führt, auch über lange Zeitintervalle hinweg abzuschätzen", erläutert
Hergarten.
Die Lebensdauer eines Kraters hängt von der Erosionsrate und von seiner Größe
ab. Große Krater können auf der Erde je nach Region eine Lebensdauer von einigen
100 Millionen Jahren erreichen. Allerdings gibt es sie wesentlich seltener als
kleine Krater, da die Wahrscheinlichkeiten für Einschläge unterschiedlich großer
Meteoriten stark voneinander abweichen.
Die Lösung war, die Anzahl der nachgewiesenen Krater verschiedener Größen zu
vergleichen, die vermutete Häufigkeit der Einschläge aufgrund der bekannten
Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln und durch Kombination dieser Informationen auf
die Erosionsraten zu schließen. "Als überraschendes, auf den ersten Blick
ernüchterndes Ergebnis haben wir herausgefunden, dass es oberhalb von sechs
Kilometern Durchmesser nicht mehr viele Krater auf der Erdoberfläche zu entdecken
gibt", berichtet Hergarten.
Bei den kleineren dagegen haben die Wissenschaftler ein Defizit im
derzeitigen Inventar nachgewiesen: In der Größenklasse von einem bis sechs
Kilometern Durchmesser warten noch etwa 90 auf ihre Entdeckung, weitere 250 mit
einem Durchmesser von 250 bis 1.000 Metern kommen hinzu. Tief unter Sedimenten
verborgen, wird es hingegen auch noch einige große unentdeckte Krater geben.
Doch diese sind ungleich schwieriger zu detektieren und nachzuweisen.
Freiburger Studierende beteiligen sich schon seit 2011 an der Forschung: Im
Masterstudiengang "Geology" findet jährlich der Kurs "Screening earth – a
student (re)search project" statt, der den wissenschaftlichen Nachwuchs in die
Suche nach unentdeckten Kratern einbindet. "Die Studierenden werden sich fragen
müssen, ob sie die Suche auf kleine Krater fokussieren - oder ob vielleicht doch
der Coup gelingt, einen der letzten verbleibenden großen Meteoritenkrater zu
entdecken", so Kenkmann mit Blick auf seine Ergebnisse.
Über ihre Untersuchungen berichten die Wissenschaftler in der
Fachzeitschrift Earth and Planetary Science Letters.
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