Die vierfache Supernova
von Stefan Deiters astronews.com
9. März 2015
Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
erstmals vier Bilder der Explosion eines entfernten Sterns entdeckt. Das Licht
der Supernova wurde durch einen gewaltigen Galaxienhaufen verstärkt und
abgelenkt. Die Forscher halten es sogar für möglich, dass innerhalb der
kommenden Jahre ein weiteres Bild der Supernova erscheint.
Der Galaxienhaufen MACS J1149+2223 mit der
"vierfachen" Supernova.
Bild: NASA, ESA, S. Rodney (John
Hopkins University, USA) und das FrontierSN team;
T. Treu (University of California Los Angeles,
USA), P. Kelly (University of California
Berkeley, USA) und das GLASS team; J. Lotz (STScI)
und das Frontier Fields team; M. Postman (STScI)
und das CLASH team und Z. Levay (STScI) [Großansicht]
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Bei der Beobachtung einer massereichen elliptischen Galaxie im Galaxienhaufen
MACS J1149+2223 sind Astronomen auf ein äußerst seltenes Phänomen gestoßen. Die
Galaxie und der Galaxienhaufen, deren Licht etwa fünf Milliarden Jahre benötigt,
um die Erde zu erreichen, haben das Licht einer noch weiter entfernten
Supernova-Explosion direkt dahinter so abgelenkt, dass das Bild davon nicht nur
verstärkt wird, sondern auch an vier verschiedenen Stellen zu sehen ist.
Das Phänomen an sich ist nicht unbekannt und als Gravitationslinseneffekt
bekannt. Es tritt immer dann auf, wenn sich ein sehr massereiches Objekt direkt
auf der Sichtlinie zwischen uns und einem noch entfernteren Beobachtungsziel
befindet. Nach Einsteins Relativitätstheorie lenken kompakte Massenansammlungen auch Licht ab. Dadurch
können in Galaxienhaufen verstärkte und oftmals verzerrte Bilder von entfernten Objekten
entstehen, die
man ohne diese natürlichen Lupen gar nicht beobachten könnte. Eine Anordnung,
wie man sie jetzt für die Supernova beobachtet hat, wird auch Einsteinkreuz
genannt.
Erstmals ist es damit gelungen, die durch den Gravitationslinseneffekt auf
diese Weise verstärkten Bilder einer entfernten Sternexplosion zu beobachten. "Das hat mich wirklich umgehauen, als ich die
vier Bilder rund um die Galaxie gesehen habe", erinnert sich Patrick Kelly von
der University of California in Berkeley. "Das war eine komplette Überraschung."
Das Licht der Supernova war deutlich länger zu uns unterwegs, als das Licht des
Galaxienhaufens: etwa neun Milliarden Jahre.
"Die Supernova erscheint etwa 20-mal heller, als ihre natürliche Helligkeit",
erklärt Jens Hjorth vom dänischen Dark Cosmology Center. "Ursache dafür ist der
kombinierte Effekt, von zwei Gravitationslinsen, die sich überlappen. Der
massereiche Galaxienhaufen fokussiert das Licht der Supernova entlang von
mindestens drei verschiedenen Sichtlinien und wenn eine dieser Linien dann
gerade genau deckungsgleich mit einer einzelnen elliptischen Galaxie des Haufens
ist, tritt noch ein sekundärer Gravitationslinseneffekt auf." An der
Ablenkung des Lichts, die schließlich zu dem Einsteinkreuz führte, ist auch die
Dunkle Materie in dem Galaxienhaufen beteiligt.
Das genaue Aussehen und die Anordnung der Bilder kann den Astronomen daher etwas über den
Anteil und die Verteilung der Dunklen Materie in dem Galaxienhaufen und der
Galaxie verraten. Im Universum gibt es mehr Dunkle Materie als normale,
sichtbare Materie. Die Dunkle Materie verrät sich aber ausschließlich durch ihre
Gravitationswirkung und ist darum nur sehr schwer zu kartieren.
Die vier Bilder der Supernova werden bald wieder verschwinden, doch haben die
Astronomen die Hoffnung, dass sie sogar eine Art Wiederholung der Explosion zu Gesicht
bekommen. Die verschiedenen Bilder der Supernova erreichen die Erde
nämlich nicht zur gleichen Zeit, da das Licht für jedes Bild unterschiedliche
Wege zurückgelegt hat. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Bildern erlauben
weitere Rückschlüsse auf die Massenverteilung in dem Haufen.
"Die vier Supernova-Bilder, die von Hubble beobachtet wurden,
müssen
innerhalb weniger Tage oder Wochen erschienen sein. Wir haben sie allerdings erst entdeckt, nachdem sie
bereits erschienen waren", erläutert Steve Rodney von der Johns Hopkins
University. "Wir glauben aber, dass die Supernova bereits vor etwa 20
Jahren an anderer Stelle in dem Galaxienhaufen zu sehen war. Wir vermuten sogar,
dass sie noch einmal innerhalb der kommenden ein
bis fünf Jahre erscheinen wird. Dann hoffen wir, alles von Beginn an beobachten zu
können.
Über ihre Beobachtungen berichteten die Wissenschaftler in der vergangenen
Woche in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Science, die anlässlich
des 100-jährigen Jubiläums von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie
erschienen ist.
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