Interstellarer Staub ist sehr vielfältig
Redaktion
/ Pressemitteilung der Universität Heidelberg astronews.com
29. August 2014
In diesem Monat hat ein internationales
Wissenschaftlerkonsortium erste Ergebnisse der Analyse von Partikeln des
interstellaren Staubs vorgestellt, die die Sonde Stardust eingefangen
und zur Erde zurückgebracht hatte. Die Untersuchungen zeigten, dass die Teilchen
sehr vielfältig sind und in ihren Eigenschaften von dem abweichen, was die
Forscher bislang über sie zu wissen glaubten.

Die Raumsonde Stardust. Der an einen
Tennisschläger erinnernde Staubfänger ist gut zu
erkennen.
Bild: NASA / JPL |
Mit der Untersuchung von interstellarem Staub ist ein internationales
Wissenschaftlerkonsortium der sogenannten Urmaterie auf der Spur, die als
Grundlage für Leben gilt, wie wir es kennen. Das Konsortium aus 33
Forschungseinrichtungen analysiert seit acht Jahren Staub aus interstellarer
Materie, der von der Raumsonde Stardust eingefangen wurde. Die
Untersuchungen zeigen, dass die Teilchen in ihrer Elementzusammensetzung,
Kristallstruktur und Größe sehr verschieden sind und deutlich von bisher
angenommenen Eigenschaften abweichen.
"Der Weltraum zwischen den Sternen unserer Milchstraße ist nicht völlig leer,
er enthält immerhin einige Prozent der gesamten Masse. Diese sogenannte
interstellare Materie ist extrem wichtig, da aus ihr neue Sterne und
Planetensysteme entstehen", erläutert Prof. Dr. Mario Trieloff den Hintergrund
der Untersuchungen. Der Geowissenschaftler der Universität Heidelberg
koordiniert das DFG-Schwerpunktprogramm "Die ersten zehn Millionen Jahre des
Sonnensystems", in dessen Rahmen Wissenschaftler verschiedener deutscher
Forschungseinrichtungen an dem internationalen Konsortium beteiligt sind.
Der größte Teil der interstellaren Materie ist Gas aus Wasserstoff und
Helium, nur ein Hundertstel davon ist Staub, der auch alle schweren Elemente
enthält. "Diese schweren Elemente im interstellaren Staub sind letztlich der
Baustoff für die terrestrischen oder erdähnlichen Planeten", erklärt Trieloff.
Die Raumsonde Stardust brachte 2006 zusammen mit den ersten
Staubproben eines Kometen erstmals Proben dieser Urmaterie mit zur Erde. Dafür
war mit speziellen Kollektoren interstellarer Staub aus unserem Sonnensystem
eingefangen worden. Diese Staubteilchen waren sowohl kleiner als auch seltener
als der Kometenstaub. Das internationale Wissenschaftlerkonsortium unter Leitung
der Universität Berkeley untersuchte acht Jahre lang intensiv diese Kollektoren.
Diese bestanden aus einem extrem leichten Aerogel, um die Teilchen möglichst
schonend abzubremsen und intakt zu sammeln, denn die erwarteten
Aufschlaggeschwindigkeiten betrugen bis zu 50 Kilometer pro Sekunde, was 180.000
Kilometern pro Stunde entspricht. Zu Beginn der Untersuchungen mussten nun diese
"Staubfänger" nach Einschlagspuren untersucht werden, wofür mikroskopische Scans
erstellt wurden.
Diese 1,5 Millionen Bilder wurden von weltweit 34.000 Amateuren, die dafür in
einem speziellen Online-Trainingsprogramm eingelernt wurden, optisch inspiziert.
"Um vielversprechende Einschlagspuren überhaupt zu erkennen und von ihnen auf
die Einschlaggeschwindigkeit und andere Eigenschaften der einschlagenden
Teilchen wie Masse, Porosität oder chemische Zusammensetzung rückschließen zu
können, wurde Kollektormaterial in Heidelberg in Kooperation mit der Universität
Stuttgart unter Leitung von Dr. Ralf Srama mittels eines weltweit einzigartigen
Staubbeschleunigers beschossen, um den Einschlagprozess zu simulieren und zu
kalibrieren", berichtet Trieloff.
Weitere Einschlagspuren wurden an der Goethe-Universität Frankfurt von der
Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Frank Brenker mittels hochempfindlicher
nano-Synchrotron-Röntgenfluoreszenz und am Max-Planck-Institut für Chemie
mittels hochauflösender Rasterelektronenmikroskopie analysiert.
"Bislang konnten nur wenige große Teilchen untersucht werden: Zwei Teilchen
mit den Namen Orion und Hylabrook wurden in Aerogel eingefangen, ein weiteres
hinterließ nur eine Einschlagspur, vier Teilchen erzeugten Einschläge auf Folien
zwischen den Aerogel-Waben", erläutert Trieloff die ersten
Untersuchungsergebnisse. Diese Teilchen sind entgegen den gängigen Vorstellungen
und Modellen nicht vollständig amorph, sondern eine Mischung aus verschiedenen
Mineralen, also auch kristallin.
Zum ersten Mal wurden Silikate wie Olivin und Oxide wie Spinell definitiv
nachgewiesen, die nicht dem aus Meteoriten bekannten kohlenstoffreichen
Sternenstaub entsprechen. Zudem handelt es sich auch nicht um silikatische
Hochtemperaturkondensate. Die Elementzusammensetzung entspricht in Teilen dem
kosmischen Durchschnitt, es gibt aber wichtige Abweichungen, etwa Defizite des
Elements Kalzium oder Überschüsse des Elements Aluminium.
"Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Teilchen heterogen bezüglich
ihrer Elementzusammensetzung, Kristallstruktur und Größe sind. Der Anteil
kristalliner Komponenten ist höher als bislang vermutet, es gibt
unterschiedliche eisenhaltige Phasen, darunter Sulfide. Somit weichen diese
Teilchen deutlich von den bisher mittels astronomischer Beobachtungen und
Modellierungen abgeleiteten Durchschnittseigenschaften ab," so Triefloff.
Wie der Geowissenschaftler betont, stehen zum ersten Mal im Labor Staubproben
aus dem zeitgenössischen interstellaren Medium zur Verfügung, die so kostbar
sind, dass mit Erlaubnis der NASA bislang nur zerstörungsfreie Messungen
durchgeführt werden durften. "Diese haben allerdings nur eine begrenzte
Genauigkeit, die Analytik für so kleine Teilchen muss in den nächsten Jahren
erst noch entwickelt werden. Spätere Untersuchungen werden vermutlich noch
überraschendere Ergebnisse zutage bringen. Darüber hinaus befinden sich in den
Kollektoren wahrscheinlich noch viele weitere unentdeckte Teilchen. Es stehen
also wohl noch weitere wissenschaftliche Entdeckungen bevor."
Über ihre Ergebnisse berichtete das Forscherteam Mitte August in der
Wissenschaftszeitschrift Science.
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