Gewächshäuser im Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
24. April 2014
Ab 2016 will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt
ein Jahr lang ausprobieren, wie sich auf dem Mars und dem Mond Tomaten züchten
lassen würden. Als Düngemittel wird dabei Urin dienen. Die Experimente sollen an
Bord eines Satelliten ablaufen, in dem die entsprechenden Umweltbedingungen
simuliert werden können.
Der Satellit Eu:CROPIS des DLR soll
2016 starten.
Bild: DLR |
Eine Überlebensgemeinschaft aus Bakterien, Tomaten und einzelligen Algen,
künstlicher Urin und ein Satellit, der mit seiner Rotation um seine Achse die
Schwerkraft von Mond und Mars simulieren kann - das sind die Bestandteile der
Mission Eu:CROPIS (Euglena and Combined Regenerative Organic-Food Production in
Space) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). 2016 sollen zwei
Gewächshäuser ins Weltall starten, in denen ein kombiniertes
Lebenserhaltungssystem das Abfallprodukt Urin zu Dünger verwertet und so das
Wachstum von Tomaten für Mond- und Marshabitate sowie Langzeitmissionen
ermöglicht. Die Mission wird über ein Jahr laufen, anschließend verglüht der
Satellit in der Atmosphäre.
Die Wissenschaftler des DLR setzen dabei auf die Kooperation von Bakterien
und der einzelligen Alge Euglena gracilis, um die Pflanzen mit wichtigen
Nährstoffen zu versorgen. In regelmäßigen Abständen wird künstlicher Urin in das
System gegeben. Dieser wird über einen Wasserkreislauf durch die Lavaplatten des
Rieselfilters C.R.O.P. geleitet, in dem unzählige Mikroorganismen leben und
hungrig auf diese Nahrung warten. Diese Bakterien zersetzen das für Pflanzen
giftige Ammoniak des Urins zunächst in Nitrit und anschließend in Nitrat. Dieses
wiederum ist für die Tomatenpflanzen der richtige Dünger, um Früchte zu tragen
und neue Samen zu produzieren.
Um den plötzlichen Anstieg von Ammoniak abzufangen, kommen die Euglena der
beteiligten Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ins Spiel:
Die Augentierchen sind unempfindlich gegen Ammoniak und helfen beim raschen
Abbau. "Wir nutzen die Eigenschaften von Organismen, um Stoffe umzuwandeln - die
wir wiederum für die Erhaltung anderer Organismen benötigen", erläutert der
wissenschaftliche Leiter der Mission, Dr. Jens Hauslage vom DLR-Institut für
Luft- und Raumfahrtmedizin.
Um im Weltraum die unterschiedliche Schwerkraft von Mars und Mond simulieren
zu können, entwickeln und bauen die Ingenieure des DLR-Instituts für
Raumfahrtsysteme und des DLR-Instituts für Faserverbundleichtbau und Adaptronik
einen 250 Kilogramm leichten Satelliten, der während des Flugs in rund 600
Kilometern Höhe um seine Längsachse rotiert. Damit wirkt im Inneren eine
Zentrifugalkraft, die je nach Rotationsgeschwindigkeit entweder die 0,16-fache
Erdgravitation wie auf dem Mond oder die 0,38-fache Erdgravitation wie auf dem
Mars erzeugt.
In den ersten sechs Monaten wird das erste der beiden Gewächshäuser unter
Mondbedingungen in Betrieb sein, die nächsten sechs Monate ist das zweite
Gewächshaus unter Marsbedingungen aktiviert. Beide befinden sich dabei in einem
speziellen, aus Kohlenstofffaserverbund-Komponenten gefertigten Drucktank, der
konstant einen Innendruck von einem Bar aufrechterhält.
Mit an Bord von Eu:CROPIS sind zudem zwei weitere Experimente: Das
DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin nutzt den Flug ins All für die
Langzeitmessung der Weltraumstrahlung mit den Strahlungsdetektoren RAMIS
(Radiation Measurement in Space). Das Strahlungsfeld im Weltraum gerade bei
Langzeitaufenthalten im Weltall nicht nur für Astronauten ein limitierender
Faktor, sondern wirkt auch auf jedes andere biologische System - seien es
Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen.
Mit RAMIS messen die DLR-Strahlenbiologen deshalb sowohl an der Außenwand als
auch im Inneren des Satelliten das Strahlenfeld. Die Daten sollen sowohl als
Grundlage für die Weiterentwicklung von Modellen des Strahlenfelds dienen als
auch die Höhe der Strahlungsdosis erfassen, die während des Flugs auf die
Eu:CROPIS-Lebensgemeinschaft einwirkt. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA
führt ein Experiment zur Photosynthese-Messung an Algen mit.
Während der Mission werden unzählige Kameras und Sensoren erfassen, was im
Inneren der Gewächshäuser abläuft: Wie verläuft das Wachstum der Tomaten und
ihre Photosynthese? Welchen pH-Wert und welche Sauerstoffkonzentration hat das
Wasser, das in einem Kreislaufsystem die Stoffe durch das gesamte Gewächshaus
transportiert. Weitere Kameras haben die einzelligen Algen, ihr Schwimmverhalten
und somit ihre Wahrnehmung von Schwerkraft im Blick. In regelmäßigen Abständen
werden Proben genommen und vollautomatisch auf genetischer Ebene analysiert.
"Wir wollen demonstrieren, dass die Nutzung von Abfallprodukten in diesem
Fall zur Tomatenzucht auch bei reduzierter Schwerkraft auf Mars und Mond und bei
Langzeitmissionen möglich ist. Die Experimente an Bord von Eu:CROPIS werden
wichtige Ergebnisse liefern, um ein Überleben der Menschheit in
lebensfeindlichen Räumen zu ermöglichen - sei es im Weltraum oder auf der
Erde",so Hauslage. So wird der Rieselfilter C.R.O.P. derzeit bereits in der
Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn (Agrohort) erfolgreich
eingesetzt, um aus Abfällen wertvollen Dünger zu gewinnen.
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