Zwei Ringe um Asteroid Chariklo
von Stefan Deiters astronews.com
26. März 2014
Mithilfe verschiedener Teleskope in Südamerika haben
Astronomen jetzt den ersten Asteroiden entdeckt, der von zwei dichten und
schmalen Ringen umgeben ist. Es ist das kleinste bislang bekannte Objekt mit
einem Ringsystem. Wie die Ringe entstanden sind, ist den Astronomen noch ein
Rätsel. Sie vermuten jedoch, dass sie die Überreste einer Kollision sind.

So könnte ein
Blick von der Oberfläche von Chariklo aussehen.
Bild: ESO / L. Calçada / Nick Risinger (skysurvey.org) |
Mit ihrer gestrigen Ankündigung einer Pressekonferenz über eine "überraschende
Entdeckung im äußeren Sonnensystem" hat die europäische Südsternwarte ESO für
erhebliche Spekulationen gesorgt: Wurde eventuell ein neunter oder zehnter
Planet oder gar ein bislang unbekannter stellarer Begleiter der Sonne entdeckt?
Zwar hatte eine Auswertung von Daten des Weltraumteleskops WISE die Existenz
solcher Objekte zumindest bis zu einer bestimmten Größe und Entfernung erst
kürzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (astronews.com
berichtete), doch um was, so dachten viele, sollte es sich denn bei einer
"überraschenden Entdeckung" sonst handeln?
Nun ist klar, welche überraschende Entdeckung die Astromomen gemacht haben und
manche, die der heute für 19 Uhr angekündigten Veröffentlichung
entgegengefiebert haben, dürften wohl ein wenig enttäuscht sein. Dabei ist der
Nachweis eines Ringsystems um einen Asteroiden alles andere als eine alltägliche
Entdeckung, die zudem einiges über die Entstehungsgeschichte von Objekten und
Strukturen im Sonnensystem verraten könnte.
Entdeckt wurden die Ringe bei dem Asteroiden (10199) Chariklo, der zwischen
Saturn und Uranus um die Sonne kreist. Zu Hilfe kam den Astronomen dabei der
Sachverhalt, dass der Asteroid direkt vor einem entfernten Stern vorüberzog und
so dessen Licht kurzzeitig verdunkelt hat. Die Art und Weise, wie sich die
Helligkeit des fernen Sterns ändert, kann den Wissenschaftlern auch etwas über
eventuell umlaufende Monde oder - wie in diesem Fall - Ringe verraten.
"Wir haben nicht nach Ringen gesucht und waren auch nicht davon ausgegangen,
dass so kleine Objekte wie Chariklo über ein Ringsystem verfügen können. Die
Entdeckung - und auch die Details, die wir erkennen konnten - waren eine
wirkliche Überraschung", meinte Felipe Braga-Ribas vom Observatório Nacional/MCTI
im brasilianischen Rio de Janeiro, der die Beobachtungskampagne dieser
Sternbedeckung geplant hat.
Astronomen haben insgesamt sieben verschiedene Teleskope genutzt, um die
Bedeckung des Sterns UCAC4 248-108672 durch Chariklo an 3. Juni 2013 zu
verfolgen. Sie war nur von Südamerika aus zu sehen. Chariklo ist der größte
Vertreter einer Gruppe von Asteroiden zwischen den Bahnen von Saturn und Uranus,
die man als Zentauren bezeichnet. Chariklo hat einen Durchmesser von ungefähr
250 Kilometern. Die Beobachtung der Bedeckung von Sternen ist die einzige
Chance, mehr über diese entfernten Objekte zu erfahren, da sie selbst in großen
Teleskopen nur als schwacher Lichtpunkt erscheinen.
Als die Astronomen die Bedeckung des Sterns verfolgten, fiel ihnen auf, dass
sich die Helligkeit schon kurz vor und kurz nach der eigentlichen Bedeckung für
kurze Zeit ein wenig verringerte. Durch die Kombination der Beobachtungen von
verschiedenen Teleskopstandorten waren sie anschließend sogar in der Lage, die
Form, Ausrichtung und andere Eigenschaften der so entdeckten Ringe zu
rekonstruieren.
Das Ringsystem besteht offenbar aus zwei engen, nur sieben und drei Kilometer
breiten Ringen, die durch eine Lücke von etwa neun Kilometern getrennt sind.
Dies bei einem nur 250 Kilometer durchmessenden Objekt in einer Entfernung von
mehr als einer Milliarde Kilometern von der Erde bestimmen zu können, ist schon
eine außergewöhnliche Leistung.
"Für mich war es schon äußerst faszinierend, dass wir nicht nur das Ringsystem
nachweisen konnten, sondern es auch möglich war, festzustellen, dass es aus zwei
deutlich trennbaren Ringen besteht", so Teammitglied Uffe Gråe Jørgensen vom
Niels-Bohr-Institut der Universität im dänischen Kopenhagen. "Ich versuche mir
vorzustellen, wie es wohl wäre, auf der Oberfläche dieses eisigen Objekts zu
stehen, das so klein ist, dass sich die Entweichgeschwindigkeit noch mit einem
schnellen Sportwagen erreichen lassen würde. Über mir das 20 Kilometer breite
Ringsystem, das dem Asteroiden 1.000-mal näher ist als der Mond der Erde." Die
Entweichgeschwindigkeit von Chariklo dürfte ungefähr 350 Kilometer pro Stunde
betragen.
Die Astronomen vermuten, dass sich das Ringsystem aus den Überresten einer
Kollision gebildet hat. Dass sich diese in zwei engen Ringen befinden, deutet
darauf hin, dass es zumindest noch einen Mond geben muss, der um den Asteroiden
kreist. "Also außer zwei Ringen, verfügt Chariklo also noch mindestens über
einen kleinen Trabanten", so Braga-Ribas.
Aus den Ringen könnte sich zudem später auch ein Mond entwickeln. Ganz ähnlich
dürfte sich - nur in viel größerem Maßstab - auch einmal der Erdmond aus den
Trümmerteilen einer gewaltigen Kollision gebildet haben. Die Ringe in so weiter
Entfernung könnten also ein Hinweis auf Prozesse sein, die sich im Sonnensystem
regelmäßig abspielen.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der heute
online in der Zeitschrift Nature erscheint.
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