Quasar beleuchtet kosmisches Netz
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie astronews.com
21. Januar 2014
Kosmologen glauben, dass unser Universum von einem
verzweigten Netz aus Gasfilamenten durchzogen ist. Dieses Gas konnte bislang nur
indirekt nachgewiesen werden. Jetzt ist Astronomen aber erstmals eine direkte
Beobachtung dieser kosmischen Filamentstruktur gelungen. Zu Hilfe kam ihnen
dabei die intensive Strahlung aus dem Zentrum einer aktiven Galaxie.
Der beobachtete Ausschnitt des kosmischen
Netzwerks (türkisfarben) mit einer Ausdehnung von
rund zwei Millionen Lichtjahren, der in der
direkten Umgebung des Quasars UM 287 (Bildmitte)
beobachtet wurde.
Bild: S. Cantalupo (UCSC)
Computersimulationen weisen auf die Existenz
eines kosmischen Netzwerks aus Gasfilamenten auf
Größenskalen von Millionen von Lichtjahren und
mehr hin.
Bild: A. Klypin / J. Primack und S.
Cantalupo [Großansicht
mit weiterer Erläuterung] |
Glaubt man den Computersimulationen der Kosmologen, dann ist das Universum
von einem gewaltigen Netzwerk aus Wasserstoffgas durchzogen. Galaxien wie unsere
Milchstraße entstehen in diesem Modell genau dort, wo die Filamente dieses
Netzwerks sich in Knotenpunkten berühren. Das Wasserstoffgas, das so entlang der
Filamente in eine Galaxie strömen kann, liefert einen wichtigen Beitrag zur
Bildung neuer Sterne in dieser Galaxie.
Direkt überprüfen ließ sich dieses Bild der großräumigen Struktur des Kosmos
allerdings bislang nicht: Selbst an den dichtesten Knotenpunkten ist das
Wasserstoffgas so extrem verdünnt, dass es kaum Licht von sich gibt und sich
sogar mit den größten derzeit verfügbaren Teleskopen nicht nachweisen lässt.
Jetzt aber glauben Astronomen erstmals ein direktes Bild eines Teilgebiets
dieses kosmischen Netzwerks aufgenommen zu haben. Zu Hilfe kam ihnen dabei ein
Quasar, der wie eine Art kosmischer Scheinwerfer wirkte. Bei Quasaren handelt es
sich um die aktiven Zentren von Galaxien. In das dortige zentrale,
supermassereiche Schwarze Loch stürzen also gerade großen Mengen an Material,
das sich zuvor jedoch auf enorme Temperaturen aufheizt und so eine intensive
Strahlung aussendet.
Die Wirtsgalaxie des Quasars sitzt - wie andere größere Galaxien auch - an
einem der Knoten des kosmischen Netzwerks, und der Quasar kann dann die direkt
umliegenden Gasfilamente anstrahlen. Dabei kann es zum gleichen Effekt kommen,
der auch das Gas in einer Leuchtstoffröhre zum Leuchten anregt: zur Fluoreszenz.
Bei einer Leuchtstofflampe liefert der elektrische Strom die zur Anregung nötige
Energie. Hier ist es das intensive Licht des Quasars.
"Das Licht des Quasars ist wie der Strahl eines Scheinwerfers. In unserem
Falle haben wir das Glück, dass dieser Scheinwerfer direkt auf ein Filament des
kosmischen Netzwerks gerichtet ist und dessen Gas zum Leuchten bringt", erklärt
Sebastiano Cantalupo von der University of California in Santa Cruz.
Für ihre Beobachtungen des fluoreszierenden kosmischen Gases nutzten die
Astronomen das Keck-I-Teleskop am W. M. Keck Observatory auf
Hawaii. Dessen Licht erreicht uns in einem ganz bestimmten, eng begrenzten
Bereich des elektromagnetischen Spektrums. Ein Filter sorgte dafür, dass nur
diese Art von Licht die Detektoren des Teleskops erreichte.
Dass es Wasserstoffgas in den nahezu leeren Weiten zwischen den
Galaxien gibt, wissen die Astronomen schon seit Jahrzehnten - allerdings nur aus
indirekten Messungen. Auf diese Weise ließen sich nur die Eigenschaften des
kosmischen Gases bestimmen, das sich entlang der Verbindungslinie zwischen einem
fernen Hintergrund-Quasar und dem irdischen Beobachter befand. Dieser
eindimensionale Ausschnitt reicht nicht aus, um die gesamte dreidimensionale
Struktur des Netzwerks sichtbar zu machen.
"Dies ist das erste Mal, dass es gelungen ist, ein Bild des kosmischen Netzes
aufzunehmen, das dessen Filamentstruktur zeigt", erklärt Fabrizio Arrigoni
Battaia, der am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg als Doktorand
arbeitet, die Bedeutung der neuen Beobachtungen. Der Ausschnitt aus dem
kosmischen Netzwerk aus Gas, der auf dem Bild zu sehen ist, hat einen
Durchmesser von rund zwei Millionen Lichtjahren.
Solche Beobachtungen sind für Astronomen von großer Bedeutung: Mit ihrer
Hilfe lassen sich nämlich die Ergebnisse von Supercomputer-Simulationen
überprüfen, mit denen Kosmologen versuchen, die Entstehung großräumiger
Strukturen im Universum nachzuvollziehen. Tatsächlich lieferten die
Beobachtungen des Filaments bereits Hinweise darauf, dass den Simulationen
offenbar noch wichtige Elemente fehlen. So scheint es in den Filamenten deutlich
mehr kühles Gas zu geben, als in den Modellen vorausgesagt.
"Wenn man verstehen will, wie Galaxien entstehen, dann muss man wissen,
welches Rohmaterial sie für die Sternentstehung zur Verfügung haben - und dieses
Rohmaterial beziehen die Galaxien aus dem riesigen kosmischen Netz aus
Gasfilamenten", erklärt Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie.
"Die neuen Beobachtungen stellen unser Verständnis in dieser Hinsicht durchaus
auf die Probe - sie legen nahe, dass eine Menge des Gases in Form kleiner,
dichter Einzelwolken vorliegt; ein Umstand, den unsere Modelle derzeit noch
nicht berücksichtigen. Wenn wir hier Klarheit schaffen können, verspricht das
wichtige Erkenntnisse über die Galaxienevolution."
Über die Beobachtungen berichteten die Wissenschaftler jetzt in einem
Fachartikel für die Zeitschrift Nature.
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