ISON mit bloßem Auge sichtbar
von
Stefan Deiters astronews.com
14. November 2013
Der Komet C/2012 S1 (ISON), der sich gegenwärtig der Sonne
nähert und der, so zumindest die Hoffnung vieler Kometenfreunde, zu einem
Jahrhundertkometen werden könnte, ist in den vergangenen Tagen deutlich heller
geworden. Bei optimalen Bedingungen und mit etwas Erfahrung dürfte er nun am frühen Morgen schon
mit bloßem Auge zu sehen sein.

Die Position des Kometen C/2012 S1 (ISON) in den kommenden
Tagen gegen 6 Uhr morgens über dem Südost-Horizont. Beim
Aufspüren könnte Spica, der Hauptstern des Sternbilds
Jungfrau, helfen.
Bild: astronews.com / Stellarium [Großansicht] |
Mit einem Fernglas und ein wenig Geschick war der Komet C/2012 S1 (ISON)
schon seit einiger Zeit am morgendlichen Himmel auszumachen und wird von
Amateurastronomen auf der ganzen Welt regelmäßig in Augenschein genommen. Auf
zahlreichen Seiten im Internet gibt es Beobachtungsberichte über den
Kometen, der inzwischen einen doppelten Schweif ausgebildet hat (siehe Verweise
unter dem Artikel).
In den letzten beiden Tagen ließ sich nun ein deutlicher Anstieg der
Helligkeit beobachten: Der Komet ist damit inzwischen so hell, dass er sich -
optimale Bedingungen und ein wenig Erfahrung vorausgesetzt - gerade so mit
bloßem Auge beobachten lassen sollte. Ein Fernglas kann natürlich weiterhin
nicht schaden. Der Komet ist vor Sonnenaufgang am südöstlichen Horizont zu
sehen.
C/2012 S1 (ISON) bewegt sich gerade durch das Sternbild Jungfrau. In den
nächsten Tage hält sich der Komet dabei am Himmel in der Nähe von Spica, dem
hellen Hauptstern des Sternbilds, auf. Dies sollte das Aufspüren des Kometen erheblich
erleichtern. Wird der Komet, der sich immer weiter der Sonne annähert, in den
nächsten Tagen noch heller, dürfte eine Sichtung noch besser gelingen.
ISON wird seit seiner Entdeckung im vergangenen Jahr von den Astronomen mit
besonderem Interesse verfolgt. ISON steht für International Scientific
Optical Network, denn es war eines der Teleskope dieses Netzwerks, mit dem
der Komet im September 2012 von zwei russischen Astronomen entdeckt wurde. Erste
Berechnungen der Bahn von ISON hatten bald gezeigt, dass der Komet sehr
wahrscheinlich das erste Mal ins Innere des Sonnensystems kommt.
Für Astronomen und auch die Kometenfans unter den Amateurastronomen macht
dies den Kometen besonders interessant: So wird ISON vermutlich noch eine reine
Oberfläche besitzen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit flüchtige Stoffe
enthält, die bei einer Annäherung an die Sonne verdampfen können. Bei einem so
"frischen" Kometen ist damit die Chance größer, dass dieser uns mit einem
spektakulären Schauspiel am Nachthimmel erfreut. C/2012 S1 (ISON) wurde so auch
bald zum potentiellen Jahrhundertkometen.
ISON dürfte aus der Oortschen Wolke stammen, einem vermuteten Reservoir von
eisigen Brocken, das unser Sonnensystem in großer Entfernung umgibt. Durch
Störungen oder Kollisionen in diesem Bereich können Brocken immer wieder ins
innere Sonnensystem abgelenkt werden, wo sie dann als langperiodische Kometen
erscheinen.
Die erste Passage ins innere Sonnensystem birgt allerdings auch zahlreiche
Unwägbarkeiten: So weiß man über den Kometen nur sehr wenig und kann daher nur
schwer abschätzen, ob der Kometenkern nicht eventuell durch die immer weiter
zunehmende Hitze bei der Annäherung an die Sonne auseinanderbrechen wird. Ein
entscheidendes Kriterium dafür ist die Größe des Kometenkerns.
ISON wird sich in den kommenden Tagen immer weiter der Sonne annähern und den
sonnennächsten Punkt seiner Bahn am 28. November erreichen. Sein Abstand zu
unserem Zentralgestirn beträgt dann nur noch 1,1 Millionen Kilometer. Auf der
Oberfläche des Kometen dürften dann Temperaturen von bis zu 2.700 Grad Celsius
herrschen. Da sich der Komet zu dieser Zeit - von der Erde aus gesehen - direkt
hinter der Sonne befindet, wird er Ende November für einige Tage nicht zu
beobachten sein.
Sollte ISON die Umrundung der Sonne unbeschadet überstehen, darf man
tatsächlich auf ein faszinierendes Himmelsschauspiel hoffen: Der Komet sollte
dann nämlich noch für einige Wochen am Nachthimmel auch mit bloßem Auge zu sehen
sein. Den erdnächsten Punkt erreicht der Komet am zweiten Weihnachtstag. Sein
Abstand zur Erde beträgt dann aber noch immer über 60 Millionen Kilometer.
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