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HUBBLE
Neue Rätsel durch entfernteste Gravitationslinse
von Stefan Deiters
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17. Oktober 2013

Astronomen haben mithilfe des Weltraumteleskops Hubble die bislang entfernteste Gravitationslinse aufgespürt. Der Fund erlaubt nicht nur die Beobachtung eines noch weiter entfernten Systems und die Bestimmung der Masse der Linsengalaxie, sondern stellt die Forscher auch vor neue Rätsel: Entweder hatten sie nämlich großes Glück, oder aber sie haben die Anzahl bestimmter Galaxien bislang unterschätzt.

Gravitationslinse

Die bislang entfernteste Gravitationslinse. Die Linsengalaxie ist der helle Bereich in der Mitte, in dem Ring sind die verzerrten Bilder einer weiter entfernten Galaxie zu sehen. Bild: NASA/ESA/A. van der Wel

Gravitationslinsen sind ein faszinierendes Phänomen, das auf Einsteins Relativitätstheorie beruht. Danach beeinflusst nämlich die Masse eines Objektes durch seine Gravitationswirkung auch das Licht, so dass massereiche Objekte das Licht entfernterer Objekte, die sich, von der Erde aus betrachtet, genau hinter diesen befinden, ablenken und auch verstärken können.

Dieser Gravitationslinseneffekt, der sich eindrucksvoll in gewaltigen Galaxienhaufen beobachten lässt, erlaubt das Studium weit entfernter Systeme, die ohne die Hilfe der Gravitationslinse kaum zu untersuchen gewesen wären. Außerdem lässt sich aus dem beobachteten Linseneffekt auf die Masse des Objektes schließen, das für die Ablenkung des Lichts verantwortlich ist. Die so ermittelte Masse schließt dabei auch die mysteriöse Dunkle Materie ein, so dass es auf diese Weise schon in mehreren Fällen gelungen ist, die Verteilung der Dunklen Materie in Galaxienhaufen zu kartieren.

Jetzt haben Astronomen die bislang entfernteste Galaxie aufgespürt, die als Gravitationslinse wirkt. "Die Entdeckung war großer Zufall", erinnert sich Arjen van der Wel vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. "Ich habe mir Beobachtungen aus einem früheren Projekt angeschaut, als mir eine Galaxie auffiel, die irgendwie ungewöhnlich aussah. Sie wirkte wie eine sehr junge Galaxie, schien sich aber in einem deutlich größeren Abstand als erwartet zu befinden. Eigentlich hätte sie gar nicht in unser Beobachtungsprogramm gehört."

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Van der Wel begann nun Daten des Weltraumteleskops Hubble durchzusehen, die im Rahmen der Himmelsdurchmusterungen CANDELS und COSMOS gewonnen wurden. Auf diesen Bildern erschien die eigentümliche Galaxie wie ein altes System und hätte deswegen sehr wohl in das ursprüngliche Beobachtungsprogramm gepasst. Allerdings bemerkte Van der Wel einige Besonderheiten, die ihn vermuten ließen, dass er es mit einer Gravitationslinse zu tun hatte.

Er kombinierte daher die verfügbaren Aufnahmen des Systems, optimierte die Darstellung und wurde schon bald in seiner Vermutung bestätigt: Zum Vorschein kam nämlich ein nahezu perfekter Einsteinring. Zu diesem Phänomen kommt es, wenn Linsengalaxie und entfernte Galaxie praktisch exakt auf einer Linie liegen. Das Bild der entfernten Galaxie wird dann in eine Ringstruktur um die Linsengalaxie abgelenkt.

Die so aufgespürte Gravitationslinse hat eine beachtliche Entfernung: Ihr Licht hat 9,4 Milliarden Jahre gebraucht, um die Erde zu erreichen. Dies ist ein neuer Rekord für eine Gravitationslinse. Außerdem konnte man aus der Ablenkung des Lichts direkt die Masse der Linsengalaxie bestimmen. Ein solcher Wert erlaubt es den Astronomen dann, ihre sonst angewandten Verfahren zur Bestimmung von Galaxienmassen in dieser Entfernung zu testen. In diesem Fall bestanden sie den Test.

Der Fund gibt den Astronomen aber trotzdem einen Grund zum Nachdenken: Damit ein Gravitationslinseneffekt zu beobachten ist, muss die Ausrichtung von Linsengalaxie und entfernter Galaxie sehr präzise sein - insbesondere dann, wenn man einen Einsteinring beobachten kann. Bei der entfernten Galaxie handelt es sich zudem um eine sehr massearme und junge Galaxie, die gerade mit hoher Rate neue Sterne produziert.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es gelingt, gerade eine solche Galaxie mithilfe einer Gravitationslinse beobachten zu können, ist außerordentlich gering. Allerdings handelt es sich bei der entfernten Galaxie bereits um die zweite Galaxie dieser Art, die durch eine Gravitationslinse näher untersucht werden konnte.

Das lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder hatten die Astronomen wahnsinnig viel Glück oder aber solche Zwerggalaxien mit hoher Sternentstehung sind deutlich häufiger als angenommen. Dies könnte dann eine Überarbeitung der astronomischen Modelle erfordern, die die Entwicklung von Galaxien beschreiben. 

"Dies war schon eine verrückte und zugleich interessante Entdeckung", fasst van der Wel zusammen. "Es war ein komplett zufälliger Fund, doch hat er das Potential, ein ganz neues Kapitel unserer Beschreibung der Galaxienentwicklung im jungen Universum zu beginnen."

Die Astronomen berichten über ihre Entdeckung in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters.

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siehe auch
Hubble: Der doppelte Einstein-Ring - 11. Januar 2008
Links im WWW
Preprint des Fachartikels bei arXiv.org
spacetelescope.org, Seite der ESA
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