Der doppelte Einstein-Ring
von Stefan Deiters astronews.com
11. Januar 2008
Dem Weltraumteleskops Hubble
ist eine bislang einmalige Aufnahme gelungen: Das Teleskop entdeckte zwei
sogenannte Einstein-Ringe, wobei der eine Ring sich innerhalb des zweiten Rings
befindet. Ursache für dieses Schauspiel sind drei Galaxien, die, von der Erde
aus gesehen, wie auf einer Perlenkette aufgereiht hintereinander liegen.
Hubbles
Blick
auf das Gravitationslinsen-System
SDSSJ0946+1006.
Foto: NASA, ESA und R. Gavazzi und T. Treu
(University of California, Santa Barbara) [Großansicht]
Vergrößerung des Ring-Paars. Die helle
Vordergrund-Galaxie
wurde auf diesem Bild ausgeblendet.
Bild: NASA,
ESA und R. Gavazzi und T. Treu (University of
California, Santa Barbara) |
Für die Astronomen ist der seltene Fund des doppelten
Einstein-Rings mehr als eine astronomische Kuriosität. Die Beobachtungen, so die
Wissenschaftler um Raphael Gavazzo und Tommasi Treu von der University of
California in Santa Barbara, könnten neue Hinweise auf die Dunkle Materie
und die Dunkle Energie im Universums liefern. Das Team, das das Linsenpaar im
Rahmen des Sloan Lens Advanced Camera for Surveys (SLACS)-Programms
beobachtete, stellte ihre Entdeckung jetzt auf der Wintertagung der Amerikanischen
Astronomischen Gesellschaft (AAS) in Texas vor.
Zu dem beobachteten Phänomen kommt es, wenn eine massereiche
Vordergrund-Galaxie das Licht einer weiter entfernten Galaxie im Hintergrund
abgelenkt. Dieser sogenannte Gravitationslinsen-Effekt führt im Falle eines
perfekten Hintereinanderliegens der Vordergrund- und Hintergrundgalaxie zu einem
ringförmigen Bild. Liegt eine weitere, noch entferntere Galaxie auch auf dieser
Sichtlinie, entsteht ein zweiter größerer Ring. Die Wahrscheinlichkeit eines
Auftretens einer solchen Konstellation ist nach Ansicht der beteiligten
Wissenschaftler vergleichbar mit dem Gewinn eines Jackpots beim Lotto.
"Solche erstaunlichen kosmischen Zufälle verraten einiges über die Natur des
Universums, denn Dunkle Materie kann sich vor dem Gravitationslinsen-Effekt
nicht verstecken", meint auch Leonidas Moustakas vom Jet Propulsion
Labvoratory der NASA. "Die Schönheit dieser Gravitationslinse wird nur von
den Geheimnissen der Natur übertroffen, die sie uns offenbart."
Die Galaxie, die für diesen Gravitationslinsen-Effekt verantwortlich ist,
liegt so die Astronomen etwa drei Milliarden Lichtjahre von uns entfernt.
Die beiden Ringe setzen sich aus mehreren Bildern zweier Galaxien zusammen, die
- von der Erde aus gesehen - perfekt hinter der Galaxie im Vordergrund liegen.
Sie haben eine Entfernung von sechs und elf Milliarden Lichtjahren von der Erde.
Entdecker dieses ungewöhnlichen doppelten Einstein-Rings ist
SLACS-Teammitglied Adam Bolton von der University of Hawaii. Er
entdeckte das Linsenpaar im Sloan Digital Sky Survey. "Was uns zu
dieser Entdeckung führte waren gerade einmal 500 Photonen, die sich in 500.000
Photonen versteckten, die das Spektrum der Vordergrund-Galaxie ausmachten",
erinnert er sich. "In der Hubble-Aufnahme waren die beiden Ringe klar
zu erkennen", ergänzt Treu. "Als ich sie zu erst sah, dachte ich 'Wow, das ist
doch verrückt!', ich konnte es einfach nicht glauben."
Aus der Tatsache, dass die gesamte Masse der Vordergrund-Galaxie für die
Einstein-Ringe verantwortlich ist, können die Wissenschaftler die Dunkelmaterie
in der Vordergrund-Galaxie präzise vermessen. Zusätzlich konnten sie aus der
Geometrie der beiden Einstein-Ringe auch die Masse der mittleren Galaxie genau
bestimmen: Sie beträgt eine Milliarden Sonnenmassen. Nach Angaben der Forscher
ist dies das erste Mal, dass es gelungen ist, die Masse einer Zwerggalaxie in
dieser Entfernung zu ermitteln.
Gelänge es noch mehr solche doppelten Ringe zu finden, könnte man aus den
verschiedenen Radien der Ringe die Krümmung des Raums auf unabhängige Weise
berechnen. Die Astronomen schätzen, dass man etwa 50 Ringpaare benötigen würde,
um Dunkle Materie und Dunkle Energie des Universums mit einem Fehler von maximal
zehn Prozent zu bestimmen. Weitere Doppel-Ringe könnten mit großräumigen
Himmelsdurchmusterungen von Weltraumteleskopen aus aufgespürt werden.
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