Die Kugelsternhaufen von Abell 1689
von Stefan Deiters astronews.com
13. September 2013
Astronomen haben im Galaxienhaufen Abell 1689 die bislang
größte Population von Kugelsternhaufen entdeckt. Mithilfe des Weltraumteleskops
Hubble konnten sie zeigen, dass diese alten Ansammlungen von Sternen
sich auch dazu eignen, die Verteilung von Dunkler Materie zu untersuchen, die
wohl alle Galaxien und Galaxienhaufen zusammenhält.

Der Galaxienhaufen Abell 1689 (links) und ein
Ausschnitt des Zentralbereichs (rechts) in dem
unzählige Kugelsternhaufen als winzige kleine
Punkte zu sehen sind. Die größeren Punkte sind
Galaxien.
Bild: NASA, ESA, J. Blakeslee (NRC
Herzberg Astrophysics Program, Dominion
Astrophysical Observatory) und K. Alamo-Martinez
(National Autonomous University of Mexico) [Großansicht] |
"Wir haben gezeigt, wie die Beziehung zwischen Kugelsternhaufen und Dunkler
Materie von der Entfernung zum Zentrum der Galaxien-Ansammlung abhängt", erklärt
Karla Alamo-Martinez vom Center for Radio Astronomy der National
Autonomous University of Mexico in Morelia. "Mit anderen Worten, wenn man
weiß, wie viele Kugelsternhaufen es in einer gewissen Entfernung gibt, können
wir den Anteil von Dunkler Materie abschätzen."
Kugelsternhaufen sind dichte Ansammlungen von einigen Hunderttausend bis zu
einigen Millionen Sternen und gelten als Zeugen der Entstehung einer Galaxie.
Sie enthalten die ältesten noch existierenden Sterne des Universums und sind zum
größten Teil ein oder zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall entstanden. Auch
in unserer Milchstraße gelten die Kugelsternhaufen, die sich überwiegend im Halo
der Galaxie befinden, als älteste Bestandteile.
Die Untersuchung der Populationen von Kugelsternhaufen kann den Astronomen
somit etwas über die frühe Entwicklungsphase des Universums verraten, in der mit
einer hohen Intensität neue Sterne entstanden sind und in der sich Galaxien
gebildet haben. Bei der Bildung von Galaxien und Galaxienhaufen wiederum spielte
die Dunkle Materie eine große Rolle, also jene mysteriöse Komponente im
Universum, von der man bislang nur weiß, dass es sie geben muss, um bestimmte
Beobachtungen zu erklären, von der man aber nicht weiß, um was es sich dabei
genau handelt.
Durch detaillierte Beobachtungen des Zentrums des Galaxienhaufens Abell 1689
mit dem Weltraumteleskop Hubble haben die Astronomen das Leuchten von
rund 10.000 Kugelsternhaufen entdeckt. Einige davon haben lediglich eine
Leuchtkraft, die nur dem Milliardsten Teil der Helligkeit eines Sterns
entspricht, der sich gerade noch mit bloßem Auge erkennen lassen würde.
Auf Grundlage dieser Zahl schätzen die Astronomen, dass es in dem
Galaxienhaufen in einem Bereich mit einem Durchmesser von 2,4 Millionen
Lichtjahren insgesamt mehr als 160.000 Kugelsternhaufen geben dürfte. "Obwohl
wir sehr tief in den Haufen hineinblicken, können wir doch nur die hellsten
Kugelsternhaufen erkennen und auch nur die, die sich in der Nähe des Zentrums
von Abell 1689 befinden, wo Hubble hingeschaut hat", so Teamleiter John
Blakeslee vom Herzberg Institute of Astrophysics am Dominion
Radio Astrophysical Observatory im kanadischen Victoria.
Die Population von Kugelsternhaufen, die man in Abell 1689 entdeckt hat,
übertrifft die bei anderen Durchmusterungen entdeckten Populationen bei Weitem.
So gibt es beispielsweise in unserer Milchstraße lediglich rund 150
Kugelsternhaufen. Mit einer Entfernung von 2,25 Milliarden Lichtjahren ist das
System im Sternbild Jungfrau zudem die entfernteste bislang untersuchte
Kugelsternhaufenpopulation.
Die Hubble-Beobachtungen zeigen, dass sich die meisten
Kugelsternhaufen in Abell 1689 in der Nähe des Haufenzentrums gebildet haben und
somit dort, wo sich auch der größte Anteil von Dunkler Materie befinden sollte.
Je weiter man sich dann vom Zentrum des Haufens entfernt, desto weniger
Kugelsternhaufen findet man. Den Anteil von Dunkler Materie in Abell 1689 kennt
man von früheren Untersuchungen. Unter anderem hat man sich dabei die
zahlreichen in dem Haufen sichtbaren Gravitationslinsen zunutze gemacht, die
eine Abschätzung der Massenverteilung des Haufens erlauben (astronews.com
berichtete).
"Die Kugelsternhaufen sind Fossilien der frühsten Sternentstehung in Abell
1689 und unsere Untersuchung zeigt, dass sie sich mit großer Effizienz in den
Regionen mit hoher Dichte an Dunkler Materie im Zentrum des Haufens bilden
konnten", erklärt Blakeslee. "Unsere Ergebnisse stimmen mit denen von anderen
Studien von Kugelsternhaufen in Galaxienhaufen überein, erweitern unser Wissen
aber in Richtung höherer Dunkelmaterie-Dichten."
Über ihre Untersuchungen berichten die Astronomen in der Fachzeitschrift
The Astrophysical Journal.
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