Was Eisen-Ionen in der Sonne bewirken
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des MPI für Kernphysik astronews.com
10. September 2013
Wissenschaftler haben am Synchrotron PETRA III des Deutschen
Elektronen-Synchrotrons (DESY) in Hamburg erstmals die Röntgenabsorption von
hochgeladenen Eisen-Ionen systematisch untersucht. Die Messungen liefern
wichtige neue Erkenntnisse zur Rolle hochgeladener Ionen in astrophysikalischen
Plasmen und damit für den Strahlungstransport in Sternen.

Eisen-Ionen spielen im Inneren der Sonne eine
bedeutende Rolle.
Bild: NASA |
Hochgeladene Ionen - das heißt, Atome, denen viele Elektronen entrissen
wurden - spielen eine wichtige Rolle in der Astrophysik. Betrachtet man die
großen Ansammlungen sichtbarer (also leuchtender) Materie im Universum, so ist
der hochgeladene Zustand die natürliche Erscheinungsform - in Sternatmosphären
wie auch in ihrem Inneren bei Temperaturen von einigen Millionen Grad Celsius.
Auch in der Umgebung exotischer Objekte, wie etwa von Neutronensternen oder
Schwarzen Löchern, kommen sie vermehrt vor. Bevor Materie in diese hineinstürzt,
gewinnt sie beim Fall im Gravitationsfeld Energie, erhitzt sich extrem und
sendet Röntgenstrahlung aus, die beobachtet werden kann.
Röntgenstrahlung bestimmt auch den Energietransport in unserer Sonne. In
ihrem Kern läuft ein natürliches Fusionskraftwerk mit einer Gesamtleistung von
etwa 4x1026 Watt bei einer
Temperatur von 15 Millionen Grad. Die Leistungsdichte von nur 200 Watt pro
Kubikmeter nimmt sich dagegen bescheiden aus und entspricht etwa der eines
Komposthaufens - im Gegensatz zu einem solchen ist die Sonne jedoch sehr groß.
Würde nun der Sonnenkern ungehindert bei diesen Temperaturen Röntgenlicht
abstrahlen, so entspräche dies einer Leistung, welche die Fusionsleistung im
Inneren um elf Größenordnungen überträfe.
Die Sonne funktioniert, weil der Strahlungstransport nach außen gehemmt wird,
um die hohe Temperatur im Kern aufrecht zu erhalten. Konvektion, bei der heiße
Materie transportiert wird, setzt erst weiter außen bei rund 70 Prozent des
Sonnenradius ein. Diese gute Isolierung reduziert den Wasserstoffverbrauch und
verlängert die Brenndauer unseres Zentralgestirns auf die Milliarden von Jahren,
die ein stabiles Planetensystem, und letztendlich das Leben darin benötigen.
Ein Maß für die Hemmung des Strahlungstransports ist die Undurchsichtigkeit,
fachsprachlich die "Opazität" der Sonnenmaterie. Obwohl diese überwiegend aus
Wasserstoff und Helium besteht, tragen diese Elemente nur untergeordnet zur
Opazität bei. Ihr Anteil sinkt im Bereich der Strahlungszone von etwa 50 auf
unter 20 Prozent. Den Rest bestimmen die winzigen Verunreinigungen (rund 1,6
Prozent nach Masse) an schwereren Elementen, die von den Astronomen pauschal
"Metalle" genannt werden.
Neben Sauerstoff spielt Eisen mit einem Massenanteil von nur 0,14 Prozent für
Röntgenlicht quasi die Rolle eines Treibhausgases, das mit etwa einem Viertel
zur gesamten Opazität beiträgt. Um es zu veranschaulichen: Die Gesamtmenge des
Eisens in der Sonne entspräche einer massiven Wand von etwa 100 Kilometern Dicke
am Rande der Strahlungszone bei 500.000 Kilometer Radius. Als verdünnte
Verunreinigung im Sonnenplasma übernimmt dieses Eisen einen beträchtlichen Teil
der Röntgenabschirmung.
Um die Rolle dieser stellaren "Spurengase" besser zu verstehen und solide
Messdaten für den Vergleich mit astronomischen Beobachtungen zu gewinnen, haben
Physiker um José R. Crespo López-Urrutia vom Heidelberger Max-Planck-Institut
für Kernphysik (MPIK) in Kooperation mit Kollegen des DESY (Hamburg) und
weiteren acht Institutionen weltweit hochgeladene Eisen-Ionen in acht
verschiedenen Ladungszuständen systematisch untersucht. Hierzu hat Jan Rudolph
im Rahmen seiner Doktorarbeit mit seinen Kollegen eine am MPIK entwickelte
mobile Ionenfalle (EBIT) zur Erzeugung und Speicherung hochgeladener Ionen am
PETRA-III-Synchrotron aufgebaut.
Diese Quelle liefert einen der stärksten Röntgenstrahlen weltweit, welcher
auf die gefangenen Ionen gelenkt und energetisch durchgestimmt wurde. Damit
konnte die Absorption des Röntgenlichtes durch die Eisen-Ionen zum ersten Mal
und mit hoher Präzision vermessen werden. Diese neuen laborastrophysikalischen
Daten zeigen eine gute Übereinstimmung mit den aktuellsten theoretischen
Berechnungen.
Von Bedeutung ist neben der charakteristischen Energie der Absorptionslinien
im Spektrum ihre - in diesem Experiment auch zum ersten Mal gemessene -
natürliche Linienbreite, denn diese bestimmt die maximale Strahlungsleistung,
die ein einzelnes Eisen-Ion verarbeiten kann. Diese beträgt für die betrachteten
Röntgenübergänge hochgeladener Eisen-Ionen fast ein Watt pro Ion.
Dennoch sind Eisen-Ionen selbst in der inneren Strahlungszone bezüglich des
Strahlungstransports bei weitem nicht ausgelastet, weil sie millionenfach
schneller Röntgenphotonen absorbieren und emittieren können, als normale Atome
die viel weniger energetischen Photonen des sichtbaren Lichtes. Diese
Kombination aus hohen Raten und hoher Photonenenergie ist für die Dominanz des
Eisens in der Strahlungsbilanz entscheidend.
Die neuen Messdaten liefern wertvolle Erkenntnisse für die Berechnungen der
Opazität, die als Grundlage von Sternmodellen genutzt werden können. Zudem
helfen sie auch bei der Diagnostik astrophysikalischer Plasmen wie etwa jener um
aktive galaktische Kerne oder Doppelsternsysteme, die ein kompaktes Objekt wie
einen Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch enthalten, das Materie des
Partnersterns aufsaugt. Die von den Forschern untersuchten Eisenröntgenlinien
sind in der Regel die letzten spektroskopischen Zeugen solcher Vorgänge.
Über ihre Untersuchungen berichtet das Team in der Fachzeitschrift
Physical Review Letters.
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