Die ungestüme Entstehung eines Sterns
von Stefan Deiters astronews.com
21. August 2013
Der Radioteleskopverbund ALMA gewährte Astronomen jetzt
einen faszinierenden Einblick in die turbulente Entstehungsphase eines Sterns.
Die Wissenschaftler beobachteten ein sogenanntes Herbig-Haro-Objekt und stellten
fest, dass die Geburt dieser Sonne offenbar noch deutlich ungestümer verläuft,
als bislang vermutet worden war.
Blick auf Herbig-Haro 46/47: Für das Bild
wurden Daten von ALMA (orange und grün, unten
rechts) mit Daten im sichtbaren Bereich des
Lichts des New Technology Telescope (NTT)
kombiniert. Links ist der im Optischen sichtbare
Teil des Jets (in rosa und violett) zu erkennen.
Bild: ESO / ALMA (ESO/NAOJ/NRAO) / H. Arce
/ Bo Reipurth [Großansicht] |
Die Entstehung von Sternen läuft alles andere als friedlich ab: Neugeborene
Sonnen verhalten sich sehr ungestüm und stoßen etwa Material in ihre Umgebung
ab, das dabei auf Geschwindigkeiten von über eine Million Kilometer pro Stunde
beschleunigt werden kann. Wenn das beschleunigte Material dann auf Gas in der
Umgebung trifft, wird dieses zum Leuchten angeregt und es entsteht eine
Struktur, die Astronomen als Herbig-Haro-Objekt bezeichnen - nach den beiden
Astronomen George Herbig und Guillermo Haro, die diese eigentümlichen Objekte
erstmals genauer untersuchten.
Ein spektakuläres Beispiel für ein solches Herbig-Haro-Objekt ist Herbig-Haro
46/47. Dieser junge Stern liegt rund 1.400 Lichtjahre von der Erde entfernt im
Sternbild Segel des Schiffs. Astronomen nahmen Herbig-Haro 46/47 mithilfe des
Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) ins Visier. ALMA
ist ein Verbund aus Radioteleskopen in der chilenischen Atacamawüste. Die
Beobachtungen wurden zu einem Zeitpunkt gemacht, zu dem die endgültige
Ausbaustufe des Verbunds noch nicht erreicht war.
Die Beobachtungen zeigen zwei Jets, also eng gebündelte Partikelstrahlen, die
von dem Stern ins All schießen. Einer der Jets ist direkt in Richtung Erde
gerichtet, der andere weist in die entgegengesetzte Richtung. Letzterer war bei
Beobachtungen im sichtbaren Bereich des Lichts kaum zu erkennen, da der
neugeborene Stern noch von Staubwolken umgeben ist. Mit ALMA konnten die
Astronomen zudem die Geschwindigkeit des Materials in dem Objekt messen. Das von
dem jungen Stern ins All geschleuderte Material scheint sich dabei deutlich
schneller zu bewegen, als man bislang angenommen hatte.
"Dank der exzellenten Empfindlichkeit von ALMA ist es uns gelungen, bislang
noch nicht beobachtete Strukturen in diesem Objekt zu entdecken, wie
beispielsweise diese sehr schnellen Ausströmungen", freut sich Héctor Arce von
der amerikanischen Yale University, der die Beobachtungen leitete. "Wir scheinen
es außerdem mit einem Lehrbuch-Beispiel für ein einfaches Model zu tun zu haben,
bei dem die molekulare Ausströmung durch einen weitwinkligen Wind vom jungen
Stern generiert wird."
Für die außergewöhnlich detaillierten Beobachtungen benötigten die Astronomen
lediglich fünf Stunden Beobachtungszeit mit ALMA - und dies, obwohl noch gar
nicht alle Antennen von ALMA zur Verfügung standen. Vergleichbare Untersuchungen
mit anderen Teleskopen hätten die zehnfache Beobachtungszeit gebraucht.
"Die Details in den Bildern von Herbig-Haro 46/47 sind beeindruckend", meint
auch Teammitglied Stuartt Corder vom Joint ALMA Observatory in Chile.
"Noch faszinierender ist aber vielleicht die Tatsache, dass wir uns, was solche
Beobachtungen betrifft, noch ganz am Anfang der Entwicklung befinden. In Zukunft
werden mit ALMA noch deutlich bessere Bilder in einem Bruchteil der Zeit möglich
sein."
"Dieses System ähnelt isolierten massearmen Sternen während ihrer
Entstehungsphase", ergänzt Diego Mardones von der Universidad de Chile.
"Es ist andererseits auch ungewöhnlich, weil die Ausströmungen auf der einen
Seite des jungen Sterns direkt auf eine Wolke auftreffen und auf der anderen
Seite aus der Wolke entkommen. Das macht das System zu einem
hervorragenden Objekt, um die Auswirkungen von stellaren Winden auf die Wolke zu
untersuchen, aus der ein junger Stern entstanden ist."
Dank der guten Auflösung und Empfindlichkeit der ALMA-Beobachtungen
entdeckten die Astronomen auch eine weitere, nicht vermutete Ausströmung, die
von einem masseärmeren Begleiter des jungen Sterns zu kommen scheint. Sie wird
fast im rechten Winkel zum Hauptobjekt beobachtet und "bohrt" ein eigenes Loch
in die umgebende Wolke.
"ALMA hat es uns ermöglicht, Strukturen in den Ausströmungen deutlicher als
bei früheren Studien zu beobachten", so Arce. "Das zeigt, dass es sicherlich
noch viele Überraschungen und faszinierende Entdeckungen geben wird, wenn
Beobachtungen mit dem gesamten Verbund gemacht werden. ALMA wird das Gebiet der
Sternentstehung mit Sicherheit revolutionieren."
Die Astronomen berichten über ihre Untersuchungen in einem Fachartikel in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal.
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