Neutronenstern mit zwei Gesichtern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie astronews.com
25. Januar 2013
Die gleichzeitige Beobachtung eines schnell rotierenden
Neutronensterns im Radio- und Röntgenbereich brachte nun ein überraschendes
Ergebnis. Bestimmte Änderungen im Abstrahlverhalten im Radiobereich zeigten sich
nämlich auch in den Röntgendaten, allerdings anders als zunächst erwartet. Der
Fund könnte helfen, die Physik rund um diese faszinierenden Objekte besser zu
verstehen.

Künstlerische
Darstellung eines Pulsars mit intensiver, stark
gebündelter Radiostrahlung aus Richtung der
magnetischen Pole des Pulsars, in seiner
"radiohellen" Phase.
Bild: ESA / ATG medialab |
Pulsare sind kompakte schnell rotierende Sterne von nur etwa 20 Kilometern
Durchmesser mit einer Gesamtmasse, die ungefähr der Masse unserer Sonne
entspricht. Sie haben ein starkes Magnetfeld, ungefähr eine Million mal stärker
als alle Magnetfelder, die in irdischen Laboratorien künstlich erzeugt werden
können. Ein Pulsar gibt seine Strahlung sehr stark gebündelt ab. Wenn der
Strahlenkegel des Pulsars im Lauf seiner Rotation über die Erde streift, wird
ein kurzer Strahlungspuls beobachtet, ähnlich wie bei einem Leuchtturm.
Einige Pulsare geben Strahlung über die gesamte Breite des
elektromagnetischen Spektrums ab und können sowohl im Röntgen- als auch im
Radiobereich beobachtet werden. Obwohl die ersten Pulsare bereits vor über 40
Jahren entdeckt wurden, ist der Mechanismus, mit dem sie ihre Strahlung abgeben,
nach wie vor nicht genau bekannt.
Man weiß seit einiger Zeit, dass Pulsare im Radiobereich im Verhalten
zwischen zwei oder sogar mehreren unterschiedlichen Zuständen sehr schnell hin-
und herspringen können, wobei sich sowohl die Form als auch die Intensität ihrer
Radiopulse ändert. Der Zeitpunkt des Umspringens ist dabei nicht vorhersehbar
und kann sehr plötzlich, oft sogar innerhalb einer einzelnen Pulsperiode,
auftreten.
Aus Daten von Satellitenteleskopen ist bekannt, dass eine Handvoll
Radiopulsare auch bei Röntgenfrequenzen nachgewiesen werden können. Das
Röntgensignal ist allerdings so schwach, dass bisher nichts über eine
Variabilität im Röntgenbereich bekannt ist. Aber natürlich haben sich die
Forscher gefragt, ob dieses "Umspringen" wohl auch im Röntgenbereich zu sehen
ist.
Für ihre jetzt in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Studie
haben die Wissenschaftler den Pulsar mit der Bezeichnung PSR B0943+10 untersucht
- einer der ersten entdeckten Pulsare überhaupt. Die Signale dieses Pulsars
ändern alle paar Stunden ihre Form und Helligkeit, und diese Änderungen ereignen
sich innerhalb von nur einer Sekunde. Es ist als ob der Pulsar zwei ganz
unterschiedliche Persönlichkeiten hätte.
Da PSR B0943+10 einer der wenigen Pulsare ist, bei denen auch
Röntgenstrahlung entdeckt wurde, sollte die Untersuchung des Röntgenverhaltens
während der Änderung in der Radiostrahlung Aufschluss geben können über die
Natur des Strahlungsprozesses in diesen Pulsaren. Da der Pulsar nur schwache
Röntgensignale aussendet, hat das Forschungsteam Beobachtungen mit dem
empfindlichsten Röntgenteleskop überhaupt durchgeführt, nämlich mit dem von dem
europäischen Weltraumteleskop XMM-Newton.
Die Beobachtungen erfolgten über insgesamt sechs Intervalle von jeweils sechs
Stunden. Um die genauen Zeiten der Änderung im Radioverhalten des Pulsars zu
identifizieren, wurden gleichzeitig Beobachtungen mit den zwei weltweit
empfindlichsten Radioteleskopen für den Meter-Wellenlängenbereich durchgeführt,
dem Giant Meterwave Radio Telescope (GMRT) in Indien und dem
europäischen LOw Frequency ARay (LOFAR).
Durch diese simultanen Beobachtungen konnten die Wissenschaftler feststellen,
dass auch die Röntgensignale ihr Verhalten synchron mit den Radiosignalen
ändern. Allerdings geschieht das Ganze antizyklisch - wenn die Radiopulse stark
sind, ist die Röntgenstrahlung schwach. Und bei schwächerer Intensität der Pulse
im Radiobereich wird das Röntgensignal entsprechend stärker.
"Zu unserer großen Überraschung mussten wir feststellen, dass beim Rückgang
der Radiohelligkeit der Signale auf die Hälfte ihre Röntgenhelligkeit auf das
Doppelte anstieg“, erklärt Wim Hermsen vom niederländischen Institut für
Weltraumforschung (SRON) und der Universität Amsterdam, der Leiter des
Forschungsprojekts. Und nur dann tritt die Röntgenstrahlung auch in gepulster
Form auf.
Lucien Kuiper vom SRON, der die Röntgendaten von XMM-Newton
gründlich geprüft hat, zieht daraus den Schluss, dass ein nur zeitweise
auftretender "Hotspot" nahe am magnetischen Pol entsprechend den
Zustandsänderungen in der Emission des Pulsars an- und ausgeschaltet wird. Am
meisten überrascht dabei, dass die Umwandlung des Erscheinungsbilds bei dem
Pulsar innerhalb von Sekunden erfolgt, während er danach für einige Stunden
stabil in dem neuen Zustand verharrt.
"Warum der Pulsar nun diese dramatischen und nicht vorherberechenbaren
Änderungen vollführt, können wir durch die bekannten Theorien nicht erklären",
so Aris Noutsos vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, ein Mitglied der
"Pulsar Working Group". "Es spricht aber stark für sehr schnell stattfindende
Änderungen in der gesamten Magnetosphäre des Pulsars."
45 Jahre nach der Entdeckung der ersten Neutronensterne liefert das
unerwartete Verhalten des Radiopulsars PSR B0943+10 nun weitere wichtige
Hinweise zum Verständnis der grundlegenden physikalischen Prozesse unter derart
extremen Bedingungen, wie sie in den Magnetosphären von Pulsaren auftreten.
Hermsen und seine Kollegen haben inzwischen zusätzliche Beobachtungszeit mit
dem Röntgensatelliten XMM-Newton erhalten. Durch die Kombination von
Röntgenbeobachtungen mit Radiobeobachtungen mit einer Reihe von Radioteleskopen
wie Westerbork, GMRT, Effelsberg und Jodrell Bank wollen sie einen weiteren
Pulsar, nämlich PSR B1822-09, der ganz ähnliche Eigenschaft aufweist, simultan
in Radio- und Röntgenwellenlängen studieren.
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