Materie im All scheint gleichmäßig verteilt
von Stefan Deiters astronews.com
22. August 2012
Ist die Materie im Universum tatsächlich gleichmäßig
verteilt, wie es das allgemein anerkannte kosmologische Modell erfordert? Da
sich ein großer Teil der Materie in Galaxien, Galaxienhaufen und
Galaxiensuperhaufen konzentriert, erscheinen Zweifel daran angebracht. Jetzt hat
eine umfangreiche Himmelsdurchmusterung aber tatsächlich eine extrem
gleichmäßige Verteilung der Materie im All ergeben.

Das Anglo-Australian Telescope im
australischen Bundesstaat New South Wales während
Beobachtungen für den WiggleZ-Survey.
Foto: Michael Drinkwater (UQ) und David
Woods (UBC) |
Auf den ersten Blick erscheint die Materie im Universum alles andere als
gleichmäßig verteilt zu sein: Sterne gruppieren sich zu Galaxien, Galaxien zu
Galaxienhaufen und diese wiederum zu Superhaufen. Da stellt sich natürlich die
Frage, ob dieses hierarchische System aus immer größer werdenden Strukturen
immer weiter geht oder ob sich auf sehr großen Skalen eine gleichmäßige
Verteilung der Materie einstellt.
Diese Frage beschäftigt Kosmologen allein schon deshalb, weil die allgemein
akzeptierten, auf Einsteins Theorien basierenden Modelle des Universums, eine
gleichmäßige Materieverteilung auf sehr großen Skalen erfordern. Ist das
Universum auch hier "klumpig", ist die Materie also nicht homogen
verteilt, wäre die Gültigkeit dieser Modelle zumindest in
Frage gestellt.
Auf kleinen Skalen, also in einem Bereich von einigen zehn Millionen
Lichtjahren, ist das All extrem klumpig. Damit das kosmologische Standardmodell
gültig sein kann, muss es somit in größerer Entfernung einen Übergang zu einer
homogenen Materieverteilung geben, die sich in alle Blickrichtungen beobachten
lassen sollte. Oder könnte es, wie manche Astronomen in letzter Zeit
spekulierten, tatsächlich sein, dass das Universum nie homogen wird, sondern die
Materieverteilung mehr den "Apfelmännchen" gleicht, und sich somit, ganz ähnlich
wie bei den berühmten Fraktalen, eine Haufenbildung in jeder Größenordnung
finden lässt? Dies hätte nicht nur Auswirkungen auf die kosmologischen Modelle,
sondern auch auf das Verständnis damit zusammenhängender Phänomene wie etwa der
mysteriösen Dunklen Energie.
Doch die Sorge, dass die allgemein akzeptierten Modelle aufgrund der
mangelnden Homogenität ungültig sein könnten, dürfte unbegründet sein: Morag
Scrimgeour, Doktorandin am International Centre for Radio Astronomy Research
(ICRAR) und an der University of Western Australia, hat jetzt in einem
Fachartikel in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
die Ergebnisse der Analyse von Daten einer umfangreichen Himmelsdurchmusterung
vorgestellt.
Scrimgeour stellte fest, dass auf Entfernungen von mehr als 350 Millionen
Lichtjahren die Materie extrem gleichmäßig verteilt ist und es kaum Hinweise auf
fraktalartige Muster gibt. "Wir haben eine Durchmusterung namens WiggleZ
verwendet, in der mehr als 200.000 Galaxien enthalten sind und die ein Volumen
von rund drei Milliarden Lichtjahren im Kubik umfasst", erläutert die
Doktorandin. "Damit handelt es sich um die umfangreichste Durchmusterung, die
bislang für solche Messung der großräumigen Struktur des Universums verwendet
wurde."
Die Ergebnisse von Scrimgeour dürften für Kosmologen eine große Erleichterung
sein. "Unser gesamtes Verständnis des Universums, sogar unsere Interpretation
des Lichts, das wir von Sternen und Galaxien sehen, würde sich ändern, wenn das
Universum auf großen Skalen nicht homogen wäre", verdeutlicht Scrimgeour. "Die
Analyse der Verteilung der WiggleZ-Galaxien im Raum auf Skalen bis zu
930 Millionen Lichtjahren zeigt, dass sie annähernd homogen verteilt sind, was
bedeutet, dass es keine großräumige Haufenbildung gibt." Dies führt, so
Scrimgeour, zu einer beruhigenden Schlussfolgerung: "Wir können mit einer großen
Sicherheit davon ausgehen, dass unser Bild vom Universum auf großen Skalen
korrekt ist."
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