First Light für größtes Tscherenkow-Teleskop
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft astronews.com
31. Juli 2012
In Namibia konnten Astronomen in der vergangenen Woche das sogenannte
First Light des größten bislang gebauten Tscherenkow-Teleskops
feiern. H.E.S.S. II besitzt einen 28 Meter
durchmessenden Spiegel und ergänzt die vier bereits bestehenden
Zwölf-Meter-Teleskope. Die Forscher erhoffen sich neue Daten über die
Quellen hochenergetischer kosmischer Strahlung.

Neues Gamma-Auge für die H.E.S.S.-Familie:
Die Antenne des Teleskops besitzt einen
Durchmesser von 28 Metern und wiegt fast 600
Tonnen.
Foto: H.E.S.S. Collaboration, Clementina
Medina/Irfu-CEA [Großansicht] |
Das neue H.E.S.S. II-Teleskop (H.E.S.S. steht für High Energy
Stereoscopic System) hat am 26. Juli 2012 um 0.43 Uhr MEZ seine erste
astronomische Beobachtung gemacht. Astronomen bezeichnen eine solche
Premiere als "First Light" also "erstes Licht". Das Teleskop machte
dabei Bilder von atmosphärischen Teilchenschauern, die von kosmischen
Gammastrahlen oder von kosmischer Strahlung erzeugt werden. Das Teleskop
wiegt fast 600 Tonnen und sein 28-Meter-Spiegel entspricht etwa der Fläche
von zwei Tennisplätzen. Es ergänzt vier bereits bestehende
12-Meter-Teleskope, die sich alle in der Nähe des Gamsbergs in Namibia
befinden.
"Das neue Teleskop hat nicht nur die weltweit größte Spiegelfläche derartiger
Instrumente, sondern es löst auch die Bilder der Teilchenschauer mit
beispiellosem Detailreichtum auf, da es viermal mehr Pixel pro Himmelsfläche
besitzt als die kleineren Teleskope", sagt Pascal Vincent von dem französischen
Team, das für die Lichtsensor-Einheit, also die Kamera, im Fokus des Spiegels
verantwortlich ist.
Gammastrahlen stammen nach heutigem Verständnis aus natürlichen kosmischen
Teilchenbeschleunigern wie supermassereichen Schwarzen Löchern, Doppelsternen,
Pulsaren, Galaxienhaufen und Supernovae oder auch von Teilchen aus dem Urknall.
Im Universum gibt es viele solcher natürlichen Beschleuniger, die geladene
Teilchen auf weit höhere Energieniveaus bringen als dies in künstlichen
Beschleunigern wie dem LHC am Genfer CERN der Fall ist.
Bisher kennen die Wissenschaftler mehr als 100 kosmische Quellen
höchstenergetischer Gammastrahlen. Mit H.E.S.S. II werden die Astrophysiker
nicht nur diese Objekte detaillierter erforschen können, sondern wohl auch viele
neue Quellen entdecken. Insbesondere wird H.E.S.S. II den Gammastrahlenhimmel
bei Energien im Bereich von einigen zehn Gigaelektronenvolt erkunden - also im
wenig untersuchten Übergangsbereich zwischen Weltrauminstrumenten und den
derzeitigen Teleskopen am Boden, der ein riesiges Potenzial für Entdeckungen
bietet.
Hinter den extremsten Gammastrahlern verbergen sich aktive Galaxienkerne. Sie
leuchten etwa hundertfach so hell wie die gesamte Milchstraße; dabei scheint die
Energie aus einem Volumen zu kommen, das deutlich kleiner ist als das unseres
Sonnensystems. Zudem ändert sich die Intensität der Strahlung innerhalb von
Minuten dramatisch - ein Hinweis auf die Existenz von supermassereichen
Schwarzen Löchern, die gierig Materie aus der Umgebung verschlingen und dabei
Strahlung abgeben. Die H.E.S.S.-Teleskope haben in den vergangenen Jahren einige
Quellen entdeckt, die bei anderen Wellenlängen unsichtbar sind. Dabei könnte es sich um einen neuen Typ von Himmelsobjekten
handeln, zu deren Entschlüsselung H.E.S.S. II beitragen soll.
Die Teleskope beobachten das All nicht direkt wie etwa optische Fernrohre.
Wenn Gammastrahlen nämlich hoch in der irdischen Atmosphäre auf Luftmoleküle
treffen, erzeugen sie eine Kaskade von Sekundärteilchen, die sich durch
bläuliche Lichtblitze, die sogenannte Tscherenkow-Strahlung, verrät. Genau diese
können die Teleskope nun mit ultraschnellen Kameras am Boden registrieren.
Die für H.E.S.S. II entwickelte Kamera ist in der Lage, die sehr schwachen
Blitze mit einer Belichtungszeit von einigen Milliardstel Sekunden aufzunehmen,
also eine Million mal schneller als eine normale Kamera. Die H.E.S.S.-II-Kamera
hat die Fläche eines Garagentors, wiegt etwa drei Tonnen und liegt 36 Meter über
dem Spiegel in der Brennebene - bei aufrechter Position auf der Höhe eines
20-stöckigen Gebäudes. Trotz seiner Größe kann das Teleskop doppelt so schnell
wie die kleineren Teleskope schwenken, um sofort auf schnelle und kurzzeitige
Phänomene wie Gammastrahlenausbrüche irgendwo am Firmament zu reagieren.
Die Teleskopstruktur und das Antriebssystem wurden von Ingenieuren in
Deutschland und Südafrika entwickelt und in Namibia und Deutschland gebaut. Die
875 sechseckigen Spiegelfacetten, aus denen der riesige Reflektor besteht,
wurden in Armenien hergestellt. Die Kamera mit integrierter Elektronik wurde in
Frankreich entwickelt und gebaut. Der Bau des neuen H.E.S.S.-II-Teleskops wurde
hauptsächlich von deutschen und französischen Institutionen vorangetrieben und
finanziert; wesentliche Beiträge kamen aus Österreich, Polen, Südafrika und
Schweden. Das Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik war an der
Entwicklung und dem Design aller Komponenten außer der Kamera und ihrer
Elektronik maßgeblich beteiligt und koordinierte die Aufbauarbeiten. Die
Max-Planck-Gesellschaft war mit einem Anteil an der Finanzierung von knapp 50
Prozent der mit Abstand größte Geldgeber für H.E.S.S. II.
"Die erfolgreiche Inbetriebnahme des neuen Teleskops ist ein großer Schritt
voran für die Wissenschaftler von H.E.S.S., für die astronomische Forschung
insgesamt und für das südliche Afrika als erstklassigen Standort", sagt Werner
Hofmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik und Sprecher des
Projekts. "H.E.S.S. II ebnet auch den Weg zur Realisierung von CTA, dem
Cerenkov Telescope Array. Das ist die nächste Instrumentengeneration mit
höchster Priorität bei Astroteilchenphysikern in Europa."
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