Frontaler Zusammenstoß mit der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
1. Juni 2012
Unsere Nachbargalaxie Andromeda wird in etwa vier Milliarden
Jahren vermutlich frontal mit der Milchstraße zusammenstoßen. Dies ergab eine
gestern vorgestellte Analyse von detaillierten Beobachtungen des
Weltraumteleskops Hubble. Nach weiteren zwei Milliarden Jahren wird aus
den beiden Galaxien dann eine neue, elliptische Galaxie entstanden sein.
So könnte unser Nachthimmel in rund 3,75
Milliarden Jahren aussehen. Die Kollision mit der
Andromedagalaxie steht dann unmittelbar bevor.
Bild: NASA, ESA, Z. Levay, R. van der
Marel (STScI) und A. Mellinger [Großansicht] |
"Unsere Ergebnisse deuten statistisch auf einen Frontalzusammenstoß zwischen
der Milchstraße und der Andromedagalaxie hin", fasst Roeland van der Marel vom
Space Telescope Science Institute (STScI) die gestern vorgestellte
Untersuchung zusammen. Sie basiert auf detaillierten Beobachtungen mit dem
Weltraumteleskop Hubble, mit denen die Bewegung der Andromedagalaxie
genauer als je zuvor vermessen werden konnte. Die auch als Messier 31 (M31)
bekannte Galaxie ist gegenwärtig noch rund 2,5 Millionen Lichtjahre von uns
entfernt. Milchstraße und M31 ziehen sich aber gegenseitig an, so dass sie sich
unaufhaltbar näherkommen.
Dass die Milchstraße und Andromeda einmal kollidieren und verschmelzen
werden, haben Astronomen schon länger vermutet. Was sich aber genau in einigen
Milliarden Jahren abspielen wird, wusste man bislang nicht. "Nach fast einem
Jahrhundert Spekulation über das zukünftige Schicksal von Andromeda und
Milchstraße, haben wir nun endlich eine klare Vorstellung davon, was sich in den
kommenden Milliarden Jahren ereignen wird", so Sangmo Tony Sohn vom STScI.
Die neuen Messungen von Hubble flossen in Computersimulationen ein,
mit denen die Vorgänge in unserer lokalen Gruppe, unserem Heimatgalaxienhaufen,
modelliert wurden. Sie ergaben, dass es nach dem Zusammenstoß in vier Milliarden
Jahren noch rund zwei Milliarden Jahre dauern wird, bis die beiden Galaxien
komplett verschmolzen sind und eine neue elliptische Galaxie entstanden ist.
Auch wenn Galaxienkollisionen oft dramatisch aussehen, passiert den einzelnen
Sternen in den Galaxien dabei relativ wenig: Der Raum zwischen den Sternen einer
Galaxie ist so gewaltig, dass direkte Zusammenstöße von Sternen praktisch nicht
vorkommen. Die Sterne geraten allerdings bei einer Kollision auf neue
Bahnen und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich unser Sonnensystem am Ende des
Verschmelzungsprozesses sehr viel weiter vom neuen Galaxienzentrum entfernt
befindet als es heute vom galaktischen Zentrum ist.
Für zusätzliche Komplikationen dürfte außerdem der Dreiecksnebel (M33)
sorgen, eine kleinere Begleitgalaxie von Andromeda. Auch dieses System wird
nämlich an der Kollision beteiligt sein und könnte später auch mit dem Paar aus
Milchstraße und Andromedagalaxie verschmelzen. Es besteht sogar ein geringe
Chance, dass M33 die Milchstraße zuerst trifft.
Obwohl sich das Universum als Ganzes immer weiter ausdehnt, werden doch
überall Kollisionen von Galaxien und sogar von Galaxienhaufen beobachtet. Grund
dafür ist, dass diese Galaxien durch ihre Gravitationskraft aneinander gebunden
sind. So weiß man schon seit vielen Jahrzehnten, dass sich die Andromedagalaxie
mit einer Geschwindigkeit von rund 400.000 Kilometern pro Stunde auf die
Milchstraße zubewegt.
Aus dieser Information allein konnte man allerdings nicht ableiten, ob
Andromeda einmal frontal mit der Milchstraße zusammenstoßen wird oder sie
vielleicht nur streift oder gar knapp verfehlt. Dazu benötigt man auch Daten
über die tangentiale Geschwindigkeitskomponente von Andromeda, also ihre
Bewegung "zur Seite". Genau diese lieferten nun Beobachtungen des
Weltraumteleskops Hubble: "Dies gelang, indem wir wiederholt bestimmte
ausgewählte Regionen der Galaxie über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren
beobachtet haben", erläutert Jay Anderson vom STScI.
"Im schlimmsten Fall der Simulation trifft M31 frontal auf die Milchstraße
und alle Sterne werden dabei auf ganz neue Orbits verstreut", so Gurtina Besla
von der Columbia University in New York. "Die stellaren Populationen
beider Galaxien vermischen sich, die Milchstraße verliert ihr flaches
Pfannkuchen-ähnliches Aussehen. Die Kerne der Galaxien verschmelzen und die
Sterne finden sich in zufälligen Bahnen wieder und bilden so eine elliptische
Galaxie."
Die Ergebnisse der Astronomen werden in drei Fachartikeln beschrieben, die in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheinen.
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