Schwarze Löcher heizen das Universum
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien astronews.com
21. Mai 2012
Aktive supermassereiche Schwarze Löcher können ihre Umgebung offenbar in
einem weitaus größeren Ausmaß beeinflussen als bislang angenommen. So
fand ein internationales Forscherteam nun Hinweise dafür, dass die
Gammastrahlung von Blazaren das diffuse Gas im Universum aufheizt. Dies
könnte wichtige Folgen für die Entstehung von Galaxien haben und
eventuell ein altes Rätsel der Galaxienbildung lösen helfen.
Ein extrem
massereiches Schwarzes Loch, das von einem
Staubring umgeben ist. Der Einfall von Gas auf
das schwarze Loch führt zu einem energiereichen
Strahl aus Materie und Strahlung, einem Jet. Wenn
dieser in unsere Richtung zeigt, spricht man von
einem Blazar. Bild:
ESA/NASA, das AVO Projekt und Paolo Padovani |
Im Zentrum wohl jeder Galaxie befindet sich ein extrem massereiches
Schwarzes Loch. Verschlingt dieses gerade große Mengen an Material, ist
also "aktiv", heizt sich das Gas in seiner unmittelbaren Umgebung auf
extreme Temperaturen auf. Dadurch entsteht eine intensive
Strahlung und es können zudem enggebündelte Teilchenstrahlen, sogenannte
Jets, ins All schießen. Diese aktiven Galaxienkerne sind oft so hell,
dass sie die gesamte sie umgebende Galaxie überstrahlen - besonders wenn
sie sehr weit von uns entfernt sind.
Je nachdem, aus welchem Winkel wir auf einen aktiven Galaxienkern blicken,
sehen wir ein scheinbar anderes Objekt. Blickt man beispielsweise direkt in den
enggebündelten Teilchenstrahl, kann der Galaxienkern besonders hell erscheinen.
Man nennt solche Objekte dann Blazare. Sie senden auch hochenergetische Gammastrahlung aus.
Während aber andere Strahlung - wie zum
Beispiel sichtbares Licht oder Radiowellen - das Universum ohne Probleme
durchquert, trifft dies auf energiereiche Gammastrahlung nicht zu. Diese
Strahlung steht in Wechselwirkung mit dem optischen Licht, das die Galaxien
aussenden, und wird in die Elementarteilchen Elektronen und Positronen
umgewandelt.
Die Elementarteilchen bewegen sich anfänglich fast mit Lichtgeschwindigkeit,
werden aber vom diffusen Gas im Universum abgebremst. Da jeder Bremsprozess aber
Wärme erzeugt, heizt sich das umgebende Gas auf diese Weise extrem auf. Es wird
im Durchschnitt zehnmal heißer als bislang angenommen - in den kosmischen
Regionen mit einer geringeren Dichte als im Durchschnitt sollten es sogar hundert
Mal mehr sein. "Blazare schreiben die thermische Geschichte des Universums um", fasst Dr.
Christoph Pfrommer vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien (HITS) die
Theorie der Wissenschaftler zusammen.
Um diese Idee zu überprüfen haben
sich die Forscher die Spektren von anderen aktiven Galaxienkernen vorgenommen,
nämlich die von weit entfernten Quasaren. In deren optischen Spektren sieht man eine Vielzahl von Linien, den
sogenannten Linienwald. Der Wald entsteht bei Absorption von ultraviolettem
Quasarlicht durch neutrale Wasserstoffatome in den frühen Entwicklungsphasen des
Universums. Wenn das Gas hier aber nun heißer ist, dann sollten die schwächsten
Linien verbreitert sein. Auf diese Weise lässt sich somit hervorragend die
Temperatur im jungen Universum messen und damit quasi das Weltall in seiner
Jugendzeit beobachten.
Die Wissenschaftler überprüften den neu postulierten Heizprozess nun
erstmals mit Hilfe von detaillierten Computersimulationen der kosmologischen Entstehung
von Strukturen. Überraschenderweise zeigten sich in den Simulationen die Linien gerade so
verbreitert, dass sie mit der gemessenen Linienstatistik in den Quasarspektren
genau übereinstimmen. "Damit können wir auf elegante Weise ein lange bestehendes
Problem mit diesen Quasardaten lösen", stellt Dr. Ewald Puchwein fest, der die
Simulationen auf dem Großrechner am HITS durchführte.
Doch diese neu entdeckte Heizquelle könnte noch weitere Konsequenzen haben: Der
Linienwald in den Quasarspektren wird durch Dichteschwankungen im Universum
hervorgerufen. Regionen mit einer vergleichsweise hohen Dichte sollten
schließlich kollabieren und auf diese Weise Zwerggalaxien, Galaxien und
Galaxienhaufen entstehen lassen. Wenn das diffuse Gas allerdings zu heiß ist, kann es
nicht kollabieren. Die Entstehung von Zwerggalaxien könnte somit verzögert oder
völlig unterdrückt werden.
Hier könnte nun der Schlüssel zur Lösung eines weiteren, bislang ungelösten Problems in der
Theorie der Galaxienbildung liegen: Man hat nämlich in
der Nähe unserer Milchstraße und in bestimmten anderen kosmischen Regionen
wesentlich weniger Zwerggalaxien beobachtet, als es kosmologische Simulationen
vorhersagen. "Besonders aufregend an dem neuen Prozess des Blazarheizens ist,
dass dieser Effekt gleich mehrere Rätsel in der kosmologischen
Strukturentstehung erklären kann," freut sich Prof. Volker Springel, Leiter der
Forschergruppe am HITS.
Die Gruppe, die die Resultate in mehreren Beiträgen in den Fachzeitschriften
Astrophysical Journal und Monthly Notices of the Royal Astronomical
Society veröffentlicht hat, plant nun, die Simulationsmodelle weiter zu
verfeinern, um so die physikalische Natur der Blazare und ihre Auswirkungen auf
das heutige Universum noch besser zu verstehen.
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