Die Sterne von Messier 55
von Stefan Deiters astronews.com
11. Mai 2012
Die Europäischen Südsternwarte ESO
hat in dieser Woche eine neue Aufnahme des Infrarot-Surveyteleskops VISTA
veröffentlicht. Sie zeigt den eindrucksvollen Kugelsternhaufen Messier 55. Auf
kleinstem Raum sind hier eine große Anzahl von Sternen versammelt, die mit zu
den ältesten Objekten im Universum gehören. Für Astronomen sind Kugelsternhaufen
daher ein wichtiges Studienobjekt.
VISTA-Infrarotaufnahme des Kugelsternhaufens
Messier 55.
Bild: ESO / J. Emerson / VISTA /
Cambridge Astronomical Survey Unit [Großansicht] |
Kugelsternhaufen sind gewaltige Ansammlungen von Sternen, die von der
gegenseitigen Anziehungskraft ihrer Mitglieder zusammengehalten werden. In
unserer Milchstraße kennt man rund 160 Kugelsternhaufen, um andere Galaxien hat
man Kugelsternhaufensysteme mit über Tausend Mitgliedern entdeckt. Die jetzt
veröffentlichte Aufnahme des Visible and Infrared Survey Telescope for
Astronomy (VISTA) der Europäischen Südsternwarte ESO zeigt mit Messier 55
ein eindrucksvolles Beispiel für einen Kugelsternhaufen unserer Milchstraße. In
einem Bereich mit einem Durchmesser, der etwa der 25-fachen Entfernung der Sonne
zum nächstgelegenen Sternsystem entspricht, befinden sich hier rund 100.000
Sterne.
Beobachtungen haben gezeigt, dass die Sterne eines Kugelsternhaufens ungefähr
alle zur gleichen Zeit und aus derselben Wolke aus Gas entstanden sind. Da das
Alter von Kugelsternhaufen in der Regel über zehn Milliarden Jahre beträgt,
zählen die Haufenmitglieder damit zu den ältesten Objekten im Universum. Die
Sterne entstanden also in einer Zeit, zu der das Weltall gerade einmal wenige
Milliarden Jahre alt war. Da schwere Elemente in jener Zeit noch sehr selten
waren - diese sind nämlich erst im Laufe der Entwicklung des Universums im
Inneren von Sternen erzeugt worden - enthalten die Sterne eines
Kugelsternhaufens hauptsächlich Wasserstoff und Helium.
Damit unterscheiden sie sich deutlich von anderen Objekten in der Milchstraße
und beispielsweise auch von unserer Sonne. Diese ist mit einem Alter von rund
4,6 Milliarden Jahren noch nicht einmal halb so alt wie die Sterne der meisten
Kugelsternhaufen. Deswegen finden sich in unserem Zentralgestirn auch deutlich
mehr schwerere Elemente, da das interstellare Medium, aus dem sich schließlich
die Geburtswolke unserer Sonne bildete, einige Milliarden Jahre länger durch
schwerere Elemente angereichert werden konnte.
Für Astronomen sind Kugelsternhaufen daher auch ein interessantes
Studienobjekt, um etwas über die Entwicklung von so alten Sternen zu erfahren.
Da die Sterne eines Haufens alle zur gleichen Zeit entstanden sind, lassen sich
in dem Haufen - abhängig von der Anfangsmasse des jeweiligen Sterns - ganz
verschiedene Entwicklungsstadien beobachten. Je massereicher ein Stern
ursprünglich ist, desto schneller durchläuft er nämlich seine verschiedenen
Entwicklungsstadien. Die masseärmsten Sterne haben sich bis heute kaum
weiterentwickelt.
Messier 55 liegt im Sternbild Schütze und nimmt am Himmel einen Raum ein, der
fast zwei Drittel des Vollmonddurchmessers entspricht. Trotz seiner Entfernung
von 17.000 Lichtjahren ist der Kugelsternhaufen auch mit kleinen Teleskopen
leicht zu finden. Die Ansammlung von Sternen wurde zuerst vom französischen
Astronomen Nicolas Louis de Lacaille im Jahr 1752 beobachtet und 26 Jahre später
auch von Charles Messier als 55. Objekt in seinen berühmten Katalog aufgenommen.
VISTA ist ein 4,1-Meter-Teleskop auf dem Gipfel des Paranal im Norden Chiles.
Auf der jetzt veröffentlichten Aufnahme sind außer Messier 55 auch zahlreiche
Galaxien zu sehen, die sich in deutlich größerer Entfernung befinden -
beispielsweise rechts oben vom Zentrum eine Spiralgalaxie, bei der wir genau auf
den Rand blicken.
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