Das brutale Ende eines Sterns
von Stefan Deiters astronews.com
3. Mai 2012
Astronomen ist es offenbar gelungen, das brutale Ende eines
Sterns zu verfolgen, der einem supermassereichen Schwarzen Loch zu nahe gekommen
ist. Dabei scheint sich die unglückliche Sonne dem Schwarzen Loch nicht zum
ersten Mal gefährlich genähert zu haben. Das kosmische Drama ereignete sich in
einer weit entfernten Galaxie und wurde von mehreren Teleskopen beobachtet.
Ausschnitt aus einer Simulation, die zeigt,
wie das Gas eines durch Gezeitenkräfte zerstörten
Sterns in ein Schwarzes Loch fällt.
Bild: NASA, S. Gezari (The Johns Hopkins
University) und J. Guillochon (University of
California, Santa Cruz)
Die beobachtete Galaxie vor (links) und
während des Helligkeitsausbruchs (rechts) auf
Bildern von GALEX (oben) und Pan-STARRS-1
(unten).
BildBild: NASA, S. Gezari (The Johns
Hopkins University), A. Rest (STScI) und R.
Chornock (Harvard-Smithsonian Center for
Astrophysics) [Großansicht] |
"Nachdem der Stern von den Gezeitenkräften des Schwarzen Lochs zerrissen
wurde, fällt ein Teil der Überreste in das Schwarze Loch, während ein anderer
Teil mit hoher Geschwindigkeit ins All geschleudert wird", erläutert Suvi Gezari
von der Johns Hopkins University im amerikanischen Baltimore. "Was wir
sehen, ist das Leuchten des stellaren Gases, das mit der Zeit in das Schwarze
Loch fällt. Wir können aber auch die spektrale Signatur des ausgestoßenen Gases
messen, bei dem es sich offenbar hauptsächlich um Helium handelt. Das alles
ähnelt der Beweisaufnahme an einem Tatort. Da wir nur sehr wenig Wasserstoff und
hauptsächlich Heliumgas in den Überresten entdeckt haben, wissen wir, dass es
sich bei dem zerstörten Stern um den heliumreichen Kern einer Sonne handeln
muss, die ihre äußere Hülle verloren hat."
Somit dürfte der unglückliche Stern vor seinem brutalen Ende dem
supermassereichen Schwarzen Loch schon einmal sehr nahe gekommen sein. Dabei ist
er allerdings noch einmal davongekommen und hat nur seine äußere Hülle
eingebüßt. Bei dem Stern könnte es sich, so die Theorie der Wissenschaftler, um
einen roten Riesenstern gehandelt haben, der bereits einen großen Teil seines
Wasserstoffvorrats in Helium umgewandelt hatte und sich somit dem Ende seines
nuklearen Lebens näherte.
Der Rote Riese, so die Vermutung der Astronomen, dürfte sich in einem sehr
langgezogen Orbit um das Schwarze Loch bewegt haben, so dass er sich dem
supermassereichen Schwarzen Loch regelmäßig stark angenähert und sich dann
wieder von ihm entfernt hat. Bei einer dieser Annäherungen muss er dann als
Roter Riese seine äußere Hülle verloren haben, so dass nur noch der Kern des
Sterns weiter auf seiner Bahn um das Schwarze Loch kreiste. Als dieser dann
irgendwann dem Schwarzen Loch zu nahe kam, war auch dessen Schicksal besiegelt.
Astronomen hatten schon länger vermutet, dass um das zentrale Schwarze Loch
unserer Milchstraße Sterne kreisen müssen, die auf diese Weise ihrer äußeren
Hülle beraubt worden sind. Allerdings dürften solche schicksalhaften dichten
Begegnungen von Sternen mit dem zentralen Schwarzen Loch äußerst selten sein und
nur etwa alle 100.000 Jahre vorkommen. Aus diesem Grund nahmen Gezari und ihr
Team mit dem Galaxy Evolution Explorer, einem Weltraumteleskop der
NASA, und dem Pan-STARRS1-Teleskop auf Hawaii gleich Hunderttausende von
Galaxien im Ultravioletten und im sichtbaren Bereich des Lichts ins Visier, um
so die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, Zeuge eines solchen Ereignisses zu werden.
Dabei suchte das Team nach einem hellen Aufleuchten im Ultravioletten aus der
Kernregion einer Galaxie, deren supermassereiches Schwarzes Loch eigentlich
inaktiv sein sollte. Im Juni 2010 wurden sie fündig und konnten bei einer
Galaxie, deren Licht zu uns rund 2,7 Milliarden Jahre unterwegs war, mit beiden
Teleskopen ein Aufleuchten beobachten. Einen Monat später war die maximale
Helligkeit erreicht, die folgenden zwölf Monate nahm diese dann langsam wieder
ab. Das Aufleuchten ähnelte dabei einer Supernova, nur dauerte der
Helligkeitsanstieg mit eineinhalb Monaten deutlich länger.
"Je länger das Ereignis dauerte, desto begeisterter waren wir, da uns klar
war, dass wir es entweder mit einer sehr ungewöhnlichen Supernova zu tun hatten,
oder aber mit einem vollkommen anderen Ereignis, wie etwa einem Stern, der
gerade von einem Schwarzen Loch zerrissen wird", so Teammitglied Armin Rest vom
Space Telescope Science Institute in Baltimore. Die Masse des zentralen
Schwarzen Lochs der Galaxie bestimmten die Astronomen auf einige Millionen
Sonnenmassen, was in etwa vergleichbar ist mit der Masse des zentralen Schwarzen
Lochs der Milchstraße.
Spektroskopische Untersuchungen mit dem Multi-Mirror Telescope auf
dem Mount Hopkins in Arizona ergaben dann, dass das Schwarze Loch offenbar
gerade große Mengen an Helium verschluckt. "Das leuchtende Helium war ein
Hinweis auf einen heißen Akkretionsvorgang", so Gezari. "Das hat uns schon
einmal alarmiert. Und die Tatsache, dass wir keinen Wasserstoff gefunden haben,
hat einen sehr großen Alarm ausgelöst, den Helium ist kein typisches Gas, das
man einfach so in der Nähe des Zentrums einer Galaxie findet. Es ist
prozessiertes Gas, das aus dem Kern eines Sterns stammt. Es gibt an diesem
Ereignis nichts, was sich einfach auf andere Weise erklären lassen würde."
Auch die gemessenen Geschwindigkeiten des Gases von mehr als 32 Millionen
Kilometern pro Stunde deuten auf den Einfluss eines Schwarzen Lochs hin. "Der
einzige Ort, wo wir noch solche Geschwindigkeiten sehen, sind
Supernova-Explosionen", so Rest. "Aber die Tatsache, dass es im Ultravioletten
leuchtet, passte nicht zu allen bekannten Supernova-Varianten."
Um schließlich sicher zu sein, dass es sich nicht doch um einen aktiven
Galaxienkern handelt, nahm das Team das heiße Gas noch mit dem Weltraumteleskop
Chandra ins Visier. Die dabei ermittelten Eigenschaften des Gases
passten allerdings überhaupt nicht zu einem aktiven Galaxienkern.
"Das ist das erste Mal, dass wir so viele Beweise zusammentragen konnten",
freut sich Gezari. "Jetzt können wir sie kombinieren, um mehr über das Schwarze
Loch und den unglücklichen Stern zu erfahren. Außerdem geben uns die
Beobachtungen Hinweise darauf, auf was wir zukünftig achten müssen, um weitere
solche Ereignisse zu finden." Ein Fachartikel über die Beobachtungen erschien
gestern online in der Wissenschaftszeitschrift Nature.
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