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SCHWARZE LÖCHER
Das dramatische Ende eines Sterns
Redaktion
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19. Februar 2004

Forschern des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik gelang es mit Hilfe der Röntgensatelliten XMM-Newton und Chandra erstmals direkt zu beobachten, wie ein Stern von einem massereichen Schwarzen Loch zerrissen und dann verschlungen wird. Der Fund bestätigt die Theorie, dass sich Schwarze Löcher im Zentrum von nahezu allen Galaxien finden lassen.

Ende eines Sterns

Ein Stern wird durch die Gezeitenwirkung eines Schwarzen Lochs zerrissen (oberes Bild). Ein Teil der stellaren Trümmer wird dann von dem Schwarzen Loch aufgesogen (mittleres Bild) und heizt sich dabei stark auf. Dies führt zu einem gigantischen Strahlungsausbruch, der mit der Zeit wieder abklingt (unteres Bild).
Bild: NASA / CXC / MPI für extraterrestrische Physik

Schwarze Löcher, glauben Astronomen, sind im Zentrum nahezu jeder Galaxien zu finden - nicht nur im Kern so genannter aktiver Galaxien. Direkter Beleg dafür wäre das Auseinanderreißen einzelner Sterne, deren Verschwinden von extrem intensiven Ausbrüchen elektromagnetischer Strahlung begleitet sein müsste. Astrophysikern des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching ist es jetzt - in Kooperation mit Kollegen der Columbia University in den USA und der ESA in Spanien - tatsächlich gelungen, ein solches Ereignis mit dem kombinierten Einsatz der zwei Röntgenobservatorien Chandra und XMM-Newton in der Galaxie RXJ1242-1119 erstmals direkt nachzuweisen.

Das Forscherteam hatte beobachtet, wie das Zentrum der optisch unscheinbaren Galaxie im Röntgenlicht extrem hell aufflammte und im Maximum eine nur Quasaren, den hellsten Objekten im Universum, vergleichbare Leuchtkraft erreichte, die erst Jahre später wieder dramatisch in sich zusammensank, ohne jedoch ganz zu verschwinden, so dass noch immer eine Art "Nachglühen" zu beobachten ist. Mit der Beobachtung des Strahlungsausbruchs eines verschwindenden Sterns ist den Forschern der erste klare Nachweis gelungen, dass dieser Prozess, der bisher zwar in zahlreichen theoretischen Arbeiten renommierter Autoren vorausgesagt worden war, tatsächlich in der Natur vorkommt.

Wie häufig sind Schwarze Löcher in den Kernen von Galaxien? Welche Masse und welchen Drehimpuls haben sie? Haben sich Galaxien und Schwarze Löcher gleichzeitig gebildet ? Wie wachsen Schwarze Löcher zu ihrer teils enormen Masse von Millionen oder gar Milliarden Sonnenmassen? Die Beantwortung dieser Fragen ist von großer Wichtigkeit, will man die Entstehung und Entwicklung von Galaxien verstehen. Die meisten Astronomen sind inzwischen sicher, dass eine kleine, spezielle Gruppe von Galaxien, die so genannten "Aktiven Galaxien" oder "Quasare", die sich durch einen dauerhaft leuchtkräftigen Kern auszeichnen, von zentralen Schwarzen Löchern "angetrieben" werden. Doch neben der kleinen Zahl "Aktiver Galaxien" stellt sich heute in der Astrophysik die Frage, ob es Schwarze Löcher auch in den Kernen der meisten oder gar aller Galaxien gibt.

Doch wie könnte man diese Schwarzen Löcher in den Zentren ferner Galaxien tatsächlich nachweisen? Der britische Astrophysiker Sir Martin Rees hat in seinen Arbeiten darauf verwiesen, dass man als unweigerliche Folge des Vorhandenseins und womöglich als direktesten Hinweis auf die Existenz eines Schwarzen Lochs beobachten müsste, dass einzelne Sterne im Zentrum einer Galaxie dem Schwarzen Loch "zu nahe" kommen und durch seine enormen Gezeitenkräfte schließlich zerrissen und nach und nach von diesem "verschlungen" werden.

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Die Max-Planck-Wissenschaftler hatten im Jahr 1992 eine ungewöhnliche Quelle von Röntgenstrahlung mit dem Röntgensatelliten ROSAT entdeckt. Im Vergleich zu ihren Eigenschaften im sichtbaren Licht - es schien sich um eine "ganz normale" Galaxie zu handeln - war sie im Röntgenlicht viel zu hell und zeigte zudem höchst seltsame Eigenschaften. Um dem Rätsel dieses Objektes auf die Spur zu kommen, haben die Garchinger Forscher diese Galaxie jetzt erneut mit drei der leistungsstärksten Observatorien im Erdorbit, dem Hubble Space Telescope, dem NASA-Satelliten Chandra und dem ESA-Satelliten XMM-Newton, beobachtet. Dabei entdeckten sie, dass die Helligkeit dieser Galaxie seither dramatisch - um den Faktor 200 - abgesunken war, dass die helle Strahlung tatsächlich aus ihrem Kern stammte und dass ihr Kern immer noch nicht ganz vom Röntgenhimmel verschwunden war - er strahlt immer noch heller als eine normale Galaxie.

Die dabei freigesetzten, ungeheuer großen Energiemengen lassen zweifelsfrei auf ein sehr massereiches Schwarzes Loch im Kern dieser Galaxie schließen. Doch was war geschehen? Offensichtlich war ein Stern dem Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie zu nahe gekommen und dessen starken " Gezeitenkräften" ausgesetzt. Dadurch deformierte sich der Stern zunächst stark, bis er schließlich völlig zerrissen wurde. In einer Art riesigem Strudel hat sich das Schwarze Loch dann einen Großteil der stellaren "Trümmer" nach und nach einverleibt. Beim Einströmen in das Schwarze Loch heizten sich die stellaren Überreste stark auf, was schließlich derart intensive Röntgenstrahlung erzeugte, die man selbst von Röntgenobservatorien im Erdorbit nachweisen und genauer untersuchen konnte.

Um die Leuchtkraft im Maximum eines solchen Strahlungsausbruches aufrecht zu erhalten, schätzt Stefanie Komossa, eine an der Entdeckung beteiligte Wissenschaftlerin, muss das Schwarze Loch etwa alle zehn Minuten eine Materiemenge von der Größenordnung einer Erdmasse verschluckt haben. Die dabei insgesamt freigesetzte Energie ist mit 1044 Watt s (1051 erg) unvorstellbar groß. Würde ein solches Ereignis in unserer eigenen Galaxis stattfinden, wäre ihr Zentrum im Röntgenlicht vorübergehend hundert Milliarden mal leuchtkräftiger. Hätten wir zudem einen unverhüllten Blick auf das Galaktische Zentrum, würde dieses - im Röntgenlicht - am Himmel vorübergehend fast so hell strahlen wie unsere Sonne. Hätten XMM-Newton und Chandra ihre "Augen" direkt in Richtung dieser Quelle gerichtet, würden ihre Detektoren durch die intensive Strahlung stark beschädigt.

Röntgensatelliten wie XMM oder Chandra sind heute unentbehrlich, um derartigen kosmischen Ereignissen auf die Spur zu kommen: Mit Chandra konnte im konkreten Fall die Quellposition relativ genau festgelegt werden - mit ROSAT war man seinerzeit nur in der Lage, eine grobe Himmelsposition des Strahlungsausbruchs zu ermitteln. Denn Chandra erreicht - erstmals in der Röntgenastronomie - eine sehr hohe räumliche Auflösung. Auf diese Weise konnten die Forscher bestätigen, dass der ungewöhnliche Strahlungsausbruch (Röntgen-Flare) tatsächlich aus der beobachteten Galaxie und konkret aus ihrem Kernbereich kam. XMM-Newton diente dazu, zum ersten Mal das "Spektrum" zu vermessen, in dem die Überreste des Sterns weiterhin "nachglühen".

Bei diesem "Röntgenspektrum" handelt es sich letztlich um eine Art diagnostische Temperatur-Messung: Ähnlich wie ein Arzt bei einem Patienten wiederholt die Temperatur kontrolliert, um zu einer Diagnose zu kommen, messen die Astronomen die "Röntgentemperatur" im Kern einer Galaxie, um herauszufinden, was in ihr tatsächlich vor sich geht. Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble bestätigten schließlich, dass es sich wirklich um eine im sichtbaren Licht "unscheinbare" Galaxie handelt, die sonst keine auffälligen Merkmale zeigt.

Der Nachweis und die Untersuchung solcher Strahlungsausbrüche von Sternen, die durch massereiche Schwarze Löcher zerrissen werden, ist für verschiedenste Kerngebiete der Astrophysik von großer Bedeutung - von der Galaxienentstehung über das Wachstum Schwarzer Löcher bis hin zu Themen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Strahlungsflares sind die sicherste Methode, massereiche Schwarze Löcher in anderen Galaxien zu identifizieren. Die dabei ausgesandte hochenergetische Röntgenstrahlung spiegelt die Bedingungen in der unmittelbaren Nähe von Schwarzen Löchern wider und gibt letztlich auch Hinweise auf ihre Masse und ihren Drehimpuls und damit auf die Entstehung und Entwicklung dieser "kosmischen Mahlströme" in der "Frühzeit" des Universums.

Das Einfangen und Zerreißen von Sternen durch Schwarze Löcher ist - neben der Akkretion von Gas sowie der Verschmelzung von zwei Schwarzen Löchern - einer der drei Hauptmechanismen, die nach heutiger Kenntnis zum Wachstum Schwarzer Löcher beitragen. Eine genauere Kenntnis dieses Prozesses könnte auch eine wichtige Rolle beim Verständnis eines der bedeutendsten Skalierungsgesetze für Galaxien spielen - der Kopplung zwischen der Zentralmasse und der Geschwindigkeitsverteilung der sie umgebenden Sterne.

Künftige "Röntgen-Himmelsdurchmusterungen", wie beispielsweise mit der geplanten Mission "DUO", spielen eine entscheidende Rolle beim Auffinden solcher Strahlungsausbrüche. Ihre Untersuchung würde zudem das Studium physikalischer Gesetze unter extremen Bedingungen erlauben. So erwarten die Wissenschaftler, dass sich in den Röntgenspektren auch Folgen der Präzession, des "Herumwirbelns" der stellaren Trümmer im starken Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs, wie von der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt, wiederfinden lassen.

Zudem erleuchten intensive Strahlungsblitze vorübergehend das Material rund um ein Schwarzes Loch, das sonst im Dunkeln liegt und machen es in einem gigantischen "Lichtecho" sichtbar. Ähnlich wie sich ein im Dunkeln Verirrter orientieren kann, wenn seine Umgebung vorübergehend durch einen Blitz aufgehellt wird, könnte das "Lichtecho" des Strahlungsausbruchs eines zerrissenen Sterns den Astronomen dann wichtige Informationen über die Bedingungen in den Kernbereichen von Galaxien liefern.

Links im WWW
XMM Newton, europäischer Röntgensatellit
Chandra, Seite an der Harvard Universität
Chandra, Seite der NASA
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