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Eine Galaxie mit gespaltener Persönlichkeit
von Stefan Deiters astronews.com
25. April 2012
Die Sombrero-Galaxie gehört mit zu den eindrucksvollsten
Objekten in unserer kosmischen Nachbarschaft. Neue Beobachtungen mit dem
NASA-Weltraumteleskop Spitzer haben nun gezeigt, dass sich in der
Galaxie sowohl Merkmale einer elliptischen Riesengalaxie, als auch
Charaktereigenschaften einer Spiralgalaxie finden lassen. Der Fund könnte eine
bislang rätselhafte Eigenschaft der Sombrero-Galaxie erklären.

Spitzers Blick auf die Sombrero-Galaxie.
Bild: NASA/JPL-Caltech [Großansicht] |
"Die Sombrero-Galaxie ist deutlich komplexer als wir bislang angenommen
hatten", meint Dimitri Gadotti von der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile.
Gadotti ist Erstautor eines jetzt in den Monthly Notices of the Royal
Astronomical Society erschienenen Fachartikels über die neue Untersuchung.
"Die einzige Möglichkeit, alles zu verstehen, was wir über diese Galaxie wissen,
ist, sie uns als zwei Galaxien vorzustellen, eine in der anderen."
Die Sombrero-Galaxie, die auch als Sombreronebel oder unter den
Katalognummern NGC 4594 und Messier 104 bekannt ist, liegt rund 28 Millionen
Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Jungfrau. Von der Erde aus blicken
wir recht genau auf den Rand der Scheibe der Galaxie, so dass man sich -
zusammen mit dem hellen, kugelförmigen Zentralbereich - an einen Hut mit einem
breiten Rand erinnert fühlt (siehe unser
Bild
des Tages vom 22. Juli 2008). Die Astronomen wissen nicht, ob die
Sombrero-Galaxie über eine Spiralstruktur oder nur über einen Ring verfügt,
klassifizieren das System aber übereinstimmend als Scheibengalaxie und nicht
etwa als elliptische Galaxie.
"Spitzer hilft uns, Geheimnisse eines Objektes zu enthüllen, das
bereits viele Tausend Mal fotografiert wurde", so Sean Carey vom Spitzer
Science Center der NASA am California Institute of Technology im
kalifornischen Pasadena. "Es ist faszinierend, dass Spitzer die Spuren
von Ereignissen erkennen kann, die sich vor Milliarden von Jahren in dieser so
schönen und archetypischen Galaxie ereignet haben."
Durch die Infrarotaugen von Spitzer sieht die Sombrero-Galaxie
deutlich anders aus als auf Aufnahmen im sichtbaren Bereich des Lichtes. Dort
wird sie nämlich von einem leuchtenden Halo dominiert, den die Astronomen
bislang allerdings für relativ massearm und klein gehalten haben. Im Infraroten
werden auch alte Sterne sichtbar, die bislang teils hinter Staub verborgen
waren. So wird deutlich, dass der Halo tatsächlich eine Größe und Masse hat, wie
man ihn bei einer elliptischen Riesengalaxie erwarten würde.
Es wäre allerdings zu einfach, nun anzunehmen, dass hier eine elliptische
Riesengalaxie eine Spiralgalaxie verschluckt hat. Dabei wäre nämlich, so die
Astronomen, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Scheibenstruktur zerstört worden.
Stattdessen könnte eine elliptische Riesengalaxie vor mehr als neun Milliarden
Jahren quasi mit Gas überflutet worden sein. In dieser Epoche des Universums
sollte es noch zahlreiche Gaswolken gegeben haben, die immer wieder von Galaxien
aufgenommen wurden und so zu deren Wachstum beigetragen haben. Dieses Gas hätte
sich im Fall der Sombrero-Galaxie dann in einer flachen Scheibe gesammelt, die
um das Zentrum kreist. In dem Gas der Scheibe sind dann neue Sterne entstanden.
"Damit stellen sich allerdings eine ganze Reihe von Fragen", so Teammitglied
Rubén Sánchez-Janssen von der Europäischen Südsternwarte. "Wie konnte eine so
große Scheibe entstehen und im Inneren einer massereichen elliptischen Galaxie
überleben? Und wie selten ist so eine Entstehungsgeschichte?"
Die Antwort auf diese Fragen könnte den Astronomen zudem helfen, die
Entwicklungsgeschichte anderer Galaxien besser zu verstehen - etwa die von
Centaurus A. Auch diese elliptische Galaxie scheint eine Scheibe zu besitzen, in
der sich allerdings kaum Sterne finden. Eventuell handelt es sich bei Centaurus
A also um eine Galaxie, die sich in einer früheren Entwicklungsphase als die
Sombrero-Galaxie befindet.
Mit den neuen Erkenntnissen ließe sich auch eine bislang rätselhafte
Eigenschaft der Sombrero-Galaxie elegant erklären: Die Galaxie verfügt nämlich
über eine sehr große Zahl von Kugelsternhaufen. Bislang hat man rund 2.000
dieser alten und kompakten Ansammlungen von Sternen gezählt. Spiralgalaxien aber
verfügen normallerweise nur über wenige Hundert Kugelsternhaufen. Bei
elliptischen Riesengalaxien ist das anders: Sie haben Kugelsternhaufensysteme
aus einigen Tausend Haufen - ganz wie die Sombrero-Galaxie.
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