Hubble beobachtet kosmischen Engel
von Stefan Deiters astronews.com
16. Dezember 2011
Ein neues Bild des Weltraumteleskops Hubble zeigt
eindrucksvoll, dass die Geburt eines Sterns alles andere als friedvoll ist. Auf
der Aufnahme der Wide Field Camera 3 ist das Sternentstehungsgebiet
Sharpless 2-106 zu sehen, dessen Erscheinungsbild etwas an einen Engel erinnert.
Grund dafür ist ein rebellischer junger Stern, der in seiner Umgebung für
Turbulenzen sorgt.
Hubbles Blick auf die Sternentstehungsregion
Sharpless 2-106.
Bild: NASA, ESA und das Hubble Heritage
Team (STScI/AURA) [Großansicht] |
Mit einer Geburt verbindet man in der Regel etwas Wunderbares und
Friedvolles. Doch trotz der festlichen Farben und ihres fast engelähnlichen
Aussehens geht es in der jetzt vom Weltraumteleskop Hubble beobachteten
Sternentstehungsregion Sharpless 2-106 alles andere als friedvoll zu. In ihrem
Inneren befindet sich nämlich ein junger, gerade entstandener Stern, genannt IRS
4 (für Infrared Source 4, Infrarotquelle 4), der mit hoher Geschwindigkeit
Material in seine Umgebung abstößt und so den Nebel aus Gas und Staub um ihn
herum gehörig durcheinanderwirbelt.
Der Stern hat etwa die 15-fache Masse unserer Sonne und befindet sich gerade
in der finalen Phase seiner Entstehung. Bald wird er sich beruhigen und in die
sogenannte Hauptreihenphase eintreten, während der er in seinem Inneren
Wasserstoff zu Helium fusioniert. Auch unsere Sonne befindet sich gegenwärtig in
ihrer Hauptreihenphase. Es ist die längste Episode im nuklearen Leben eines
Sterns - wenn man von der Endphase (Weißer Zwerg, Neutronenstern, Schwarzes
Loch) einmal absieht.
Noch befindet sich IRS4 inmitten der Wolke, in der sich der Stern einmal
gebildet hat. Doch die Sonne ist rebellisch und hat mit seinen Auswürfen von
Material nicht nur für das Eieruhr-ähnliche Aussehen der Wolke gesorgt, sondern
das Wasserstoffgas in der Region auch sehr heiß und turbulent gemacht. Die
dadurch entstandenen Muster sind auf der Hubble-Aufnahme gut zu
erkennen. Das vom Stern aufgeheizte Gas in der Umgebung erreicht Temperaturen
von bis zu 10.000 Grad Celsius. Die intensive Strahlung der jungen Sonne
ionisiert zudem das Wasserstoffgas und bringt es zum Leuchten. Dieses Leuchten
ist auf dem Bild bläulich dargestellt.
Die gesamte Region aus glühendem Gas ist von einem Ring aus kühleren, dicken
Schwaden aus Gas und Staub umgeben und wird von diesem in zwei Hälften geteilt.
Er erscheint auf dem Bild rötlich und verhüllt den jungen Stern fast vollständig
vor unseren Blicken. Nur an einer Stelle lässt er sich noch erahnen. Seine
Strahlung reflektiert an kleinen Staubpartikeln des Rings, so dass dunklere
Staubfilamente deutlich hervortreten.
S106 war das 106. Objekt, das der Astronom Stewart Sharpless in den 1950er
Jahren in seinen Katalog aufgenommen hat. Die mit einem Durchmesser von maximal
etwa zwei Lichtjahren relativ kleine Sternentstehungsregion ist rund 2.000
Lichtjahre von der Erde entfernt und befindet sich im Sternbild Schwan. Das Bild
entstand mit der Wide Field Camera 3 des Weltraumteleskops Hubble
und wurde aus den Daten von zwei Beobachtungen zusammengesetzt - eine im
Infraroten und eine im Licht von angeregtem Wasserstoffgas, auch H-alpha
genannt.
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