Erdabgewandte Seite der Sonne im Blick
von Stefan Deiters astronews.com
7. Februar 2011
Die beiden STEREO-Sonden der NASA erreichten
gestern eine Position, von der aus sie die gesamte Sonne im Blick hatten - die
erdzugewandte und die erdabgewandte Seite. Wissenschaftler können damit erstmals
sämtliche Geschehnisse auf unserem Zentralstern verfolgen. Sie erhoffen sich
davon unter anderem wichtige Fortschritte bei der Vorhersage des
Weltraumwetters.
Ein STEREO-Bild der erdabgewandten Seite der
Sonne vom 2. Februar. Zu dieser Zeit konnten die
beiden Sonden noch nicht die gesamte
erdabgewandte Seite erfassen, so dass in der
Mitte noch ein kleiner schwarzer Streifen bleibt.
Bild: NASA [Großansicht]
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"Erstmals ist es möglich, die Aktivität der Sonne wirklich in 3D
zu verfolgen," freut sich Angelos Vourlidas vom Naval Research Lab in
Washington, der zum STEREO-Wissenschaftlerteam gehört. "Dies ist ein
großer Moment für die Sonnenphysik. STEREO zeigt uns die Sonne als das,
was sie wirklich ist - eine Kugel aus heißem Plasma und komplizierten
Magnetfeldern."
Jede der beiden STEREO-Sonden der NASA macht Bilder von genau einer
Hälfte der Sonne, die dann zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden können.
Dabei beobachten die Sonden in Wellenlängenbereichen, in denen die solare
Aktivität, also etwa Flares oder Filamente, besonders deutlich werden. "Mit
Daten wie diesen können wir praktisch um die Sonne herumfliegen und schauen, was
hinter dem Horizont passiert - ohne dabei unseren Schreibtisch zu verlassen",
erläutert STEREO-Programmwissenschaftlerin Lika Guhathakurta vom
NASA-Hauptquartier. "Ich erwarte große Fortschritte in der theoretischen
Sonnenphysik und bei der Vorhersage des Weltraumwetters."
Bislang konnte sich beispielsweise eine Region mit aktiven Sonnenflecken auf
der erdabgewandten Seite der Sonne unbemerkt entwickeln. Wenn der Fleck dann -
durch die Rotation der Sonne - von der Erde aus sichtbar wird, hätten wir sofort
mit solaren Flares und gewaltigen Plasmawolken konfrontiert sein können, die aus
der Region Richtung Erde geschleudert werden. "Das kann nun nicht mehr
passieren", so Bill Murtagh vom Vorhersagezentrum für das Weltraumwetter der
National Oceanic
and Atmospheric Administration (NOAA). "Aktivitäten auf der erdabgewandten
Seite können uns nicht mehr überraschen. Dank STEREO wissen wir nun,
was auf uns zukommt."
Das sogenannte Weltraumwetter wird von der Aktivität der Sonne stark
beeinflusst. Gewaltige solare Eruptionen können beispielsweise Partikelwolken in
Richtung Erde schleudern, die dann die empfindliche Elektronik von Satelliten
gefährden. Auf der Erde sorgen sie für eindrucksvolle Polarlichter und in
extremen Fällen sogar für Störungen beim Funkverkehr und in der
Energieversorgung.
Die beiden STEREO-Sonden der NASA wurden im Oktober 2006 gestartet.
Eine Sonde umrundet die Sonne auf einer Bahn mit einem etwas geringeren Radius
als die Erde, die andere auf einer etwas weiteren Umlaufbahn. Dadurch entfernen
sich die Sonden in beide Richtungen von der Erde - eine bleibt zurück, die andere
eilt der Erde voraus. Am 6. Februar 2011 erreichten die beiden Sonden nun ihre
Oppositionsstellung. Sie waren genau 180 Grad voneinander entfernt, befanden
sich also exakt auf gegenüberliegenden Seiten der Sonne und hatten damit
zusammen den gesamten Stern im Blick.
Auch in den kommenden acht Jahren werden die beiden STEREO-Sonden
zusammen mit dem Solar Dynamics Observatory (SDO) den Wissenschaftlern
ein Gesamtbild der Sonne liefern können und damit wichtige Daten für die
Sonnenforschung liefern.
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