Schrumpfende Standardkerzen
von Stefan Deiters astronews.com
25. Januar 2011
Die Bestimmung von Entfernungen im Universum ist eine
komplizierte Angelegenheit. Astronomen bauen dabei auf sogenannte
Standardkerzen, also Objekte, deren Helligkeit sie recht genau zu kennen
glauben. Zu den wichtigsten Standardkerzen gehören die Cepheiden. Neue
Beobachtungen haben jetzt gezeigt, dass diese Sterne Masse verlieren, was die
Entfernungsbestimmung beeinflussen könnte.
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Die Spitzer-Beobachtungen von Delta Cephei.
Der Stern bewegt sich in etwa in Richtung der
linken oberen Ecke.
Bild: NASA/JPL-Caltech/ M. Marengo (Iowa
State) [Großansicht] |
Wer im Weltall Entfernungen bestimmen will, benötigt das kosmische
Äquivalent eines Maßbandes. Astronomen haben ihr "Maßband" kosmische
Entfernungsleiter getauft. Für verschiedene Entfernungen werden dabei
unterschiedliche sogenannte Standardkerzen verwendet, um die ungeheuren
Distanzen im All abzuschätzen. Eine Standardkerze ist ein Objekt, dessen
Helligkeit man sehr genau zu kennen glaubt, so dass man aus der beobachteten
Helligkeit und der bekannten wirklichen Helligkeit auf die Entfernung
schließen kann. Die Kalibrierung einer weiter entfernten Stufe der
Entfernungsleiter basiert dabei in der Regel auf den vorhergehenden Stufen.
Eine wichtige Rolle bei dieser Entfernungsleiter spielen die Cepheiden.
Es handelt sich um eine Gruppe von pulsierenden Sternen, bei denen sich die absolute
Helligkeit aus ihrer Pulsationsdauer berechnen lässt. Die Entdeckung dieses
Zusammenhangs führte beispielsweise in den 1920er Jahren zu der Erkenntnis, dass
das Weltall deutlich größer ist als angenommen und unsere Milchstraße nur eine
von vielen Galaxien im Universum ist.
Doch wie sicher ist die Entfernungsbestimmung durch Cepheiden? Es handelt
sich schließlich um Sterne mittleren Alters, von denen heftige Sternenwinde
ausgehen könnten. Diese so in die Umgebung abgestoßene Materie würde den Stern
verdunkeln, so dass man seine Helligkeit und damit auch seine
Entfernung falsch einschätzt. Dies wiederum könnte auch Konsequenzen für die anderen Stufen der Entfernungsleiter
haben, die auf diesen Entfernungsmessungen aufbauen. Einen entsprechenden Verdacht
in diese Richtung gab es schon länger.
Mithilfe des Weltraumteleskops Spitzer konnten Astronomen nun zeigen, dass Cepheiden tatsächlich Masse verlieren. "Wir haben gezeigt, dass dieser Typ von
Standardkerze durch die von ihm ausgehenden stellaren Winde langsam Masse
verliert", erläutert Massimo Marengo von der Iowa State University, der Hauptautor
eines Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomical Journal erscheint. "Wenn
man also Cepheiden als Standardkerzen benutzt, muss man besonders vorsichtig
sein, da sie - genau wie richtige Kerzen - immer kleiner werden, während sie
leuchten."
Die Astronomen hatten den Stern Delta Cephei im Sternbild Kepheus (lateinisch
Cepheus) untersucht. Der 1784 entdeckte Stern ist gleichzeitig Namensgeber für
diesen Sternentyp. Das Besondere an Delta Cephei ist, dass er sich mit großer
Geschwindigkeit durchs All bewegt und dabei Gas und Staub in seiner Umgebung zu
einer Art Bugwelle auftürmt. Ein anderer Stern ganz in der Nähe von Delta Cephei beleuchtet zudem die Szenerie, so dass man diese "Bugwelle" gut erkennen kann.
Durch eine genaue Analyse der Beobachtungen gelang es den Wissenschaftlern
nun
nachzuweisen, dass von Delta Cephei ein starker stellarer Wind ausgehen muss,
der hier auf Gas und Staub in der Umgebung trifft. Dieser Wind, so berechneten
die Astronomen, ist bis zu eine Million Mal stärker als der von unserer Sonne
ausgehende Wind. Die Masse von Delta Cephei sollte also dadurch langsam abnehmen.
Anschließende Beobachtungen von anderen Cepheiden ergaben, dass bis zu ein
Viertel der untersuchten Sterne dieses Typs auch Masse verlieren. "Das Fundament von kosmologischen
Untersuchungen wird brüchig, wenn man nicht mit bestmöglichen Cepheiden-Messungen
beginnt", so Pauline Barmby von der University of Western Ontario, Hauptautorin
eines Artikels über die zusätzlichen Cepheiden-Beobachtungen, der bereits
online im Astronomical Journal erschienen ist. "Diese Entdeckung dient dem
besseren Verständnis dieser Sterne, wodurch man sie dann sogar als noch genauere
Entfernungsindikatoren verwenden kann."
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