Eine Sterngeburt wird angekündigt
Redaktion
/ Pressemitteilung des Excellence Cluster "Universe" astronews.com
18. Juni 2009
Astronomen des Exzellenzclusters Universe glauben, dass in
der Dunkelwolke Barnard 68 im Laufe der kommenden 200.000 Jahre ein neuer,
sonnenähnlicher Stern aufleuchten wird. Nach Ansicht der Forscher hätte der
Kollaps der Dunkelwolke gerade begonnen. Auslöser dafür sei offenbar die
Kollision mit einer deutlich kleineren Gaswolke gewesen.
Die Dunkelwolke Barnard 68 in einer Aufnahme des
Very Large Telescope.
Bild:
ESO [Großansicht]
Kartierung der Staubdichte in Barnard 68.
Osten ist links, Norden oben.
Bild:
Excellence Cluster Universe / Alves et al. |
Ein grobes Bild davon, wie Sterne im Universum entstehen, haben die
Astronomen schon seit Jahrzehnten: Gewaltige interstellare Gaswolken, die die
Milchstraße und andere Spiralgalaxien durchwandern, ziehen sich durch die
Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft mehr und mehr zusammen, bis Dichte und
Temperatur an einigen Stellen hoch genug werden, um eine Kernfusion in Gang zu
setzen. Hunderte oder tausende von Sternen entstehen so aus einer einzigen
riesigen Wolke.
So sehr sich diese Vorstellung unter den Astronomen etabliert hat, so viel
Unklarheit herrscht dennoch über zahlreiche Details der Sternentstehung. Für die
finale Kollapsphase einer Molekülwolke interessierten sich nun der Münchner
Astrophysiker Andreas Burkert vom Exzellenzcluster Universe und sein Kollege
Joao Alves vom spanischen Calar Alto Observatorium. Die Forscher entdeckten,
dass die Kollision zweier an sich stabiler Gaswolken für den entscheidenden
"Kick" sorgen könnte, um den endgültigen Kollaps auszulösen.
Eine der nächstgelegenen Sternentstehungsregionen in unserer kosmischen
Nachbarschaft ist der Pipe Nebula im Sternbild Schlangenträger, der in
Mitteleuropa von Frühjahr bis Herbst zu beobachten ist. Der Nebel stellt einen
Komplex zahlreicher so genannter Bok-Globulen dar. Bei ihnen handelt es sich um
kugelförmige, kalte Gaswolken, deren Massen im Bereich vom 0,1- bis zum
10-fachen der der Sonne liegen. Seit langem halten Astronomen solche Globulen
für die unmittelbaren Vorläufer junger Sterne.
Eine von ihnen ist die 400 Lichtjahre entfernte und etwa 0,2 Lichtjahre große
Wolke Barnard 68 (B68). Wegen ihrer geringen Distanz zur Erde zieht B68 das
Interesse der Astronomen seit langem auf sich. Keine andere Gaswolke wurde bis
heute ähnlich intensiv untersucht. Aus der Abschwächung des Infrarot-Lichtes von
Sternen, die sich hinter der Wolke verbergen, konnte man in hoher Präzision die
Masse und innere Struktur der kompakten Wolke ermitteln.
Wie sich herausstellte, fügt sich die Gestalt des zwei Sonnenmassen schweren
Objektes exzellent in das gängige Modell einer stabilen Molekülwolke im
dynamischen Gleichgewicht. Die Forscher vermuten, dass B68 schon seit mehreren
Millionen Jahren stabil ist. Andererseits deuten die Beobachtungen auch darauf
hin, dass die Masse der Globule jenen Schwellenwert übersteigt, oberhalb dessen
eine stabile Konstellation nicht möglich ist: je massereicher ein kosmisches
Objekt und je konzentrierter seine Materieverteilung, umso ausgeprägter ist im
Allgemeinen die Wirkung seiner Eigengravitation. Danach sollte B68
eigentlich in sich zusammenzufallen und einen oder mehrere sonnenähnliche Sterne
bilden – im Widerspruch zur vermeintlichen Stabilität der Wolke.
Burkert und Alves schlagen vor, dass sich B68 tatsächlich in einem sehr
frühen Stadium der Instabilität befindet, und gerade erst zu kollabieren
beginnt. Die Ursache dafür meinen sie in einer kleinen Struktur im Südosten der
Wolke ausgemacht zu haben: Aufnahmen der Wolke zeigen deutlich eine
eigenständige, etwa 10-mal leichtere Globule, die offensichtlich dabei ist, mit
B68 zu kollidieren.
Um ihre Theorie zu prüfen, haben die beiden Astrophysiker das Szenario nun
mit Hilfe eines Supercomputers der Technischen Universität München simuliert.
Dazu fütterten sie den Rechner mit den Koordinaten zweier ein Lichtjahr
voneinander entfernten sphärischen Klumpen mit 2 bzw. 0,2 Sonnenmassen und
prägten den einzelnen Simulationsteilchen typische Geschwindigkeitsmuster auf,
wie sie aus den theoretischen Modellen hervorgehen. Die inneren Strukturen der
Objekte passten sie an das natürliche Vorbild von Barnard 68 und seines Nachbarn
an. Dann verfolgten sie die Entwicklung des Systems mit Hilfe eines numerischen
Algorithmus, der in zigtausend kleinen Zeitsprüngen die Gasbewegung unter dem
Einfluss der Schwerkraft berechnete.
Wie zu erwarten, veränderte die kleinere der beiden Globulen zunächst ihre
Gestalt, um nach etwa 1,7 Millionen Jahren "Computerzeit" mit einer
Geschwindigkeit von 370 Metern pro Sekunde in die größere einzudringen. Die
interne Struktur des vereinten Systems entsprach in exakter Weise derjenigen der
realen Barnard-Wolke. Auch den beobachteten Gas-Strom aus der Globule in
Richtung der irdischen Beobachter, ausgelöst durch den Staudruck der
einfallenden Wolke, fanden die Forscher in ihrem Modell.
Im weiteren Verlauf der Simulation geriet das vorher stabile System in der
Tat aus dem Gleichgewicht, begann zu kollabieren und erzeugte extrem hohe
Dichten in seinem Zentrum – die Voraussetzungen für die Geburt eines Sternes. In
mehreren Simulationen dieser Art variierten die Forscher die physikalischen
Parameter der Globulen und konnten daraus ableiten, unter welchen Bedingungen
die Verschmelzung zweier Gaswolken zum anschließenden Kollaps führt.
Stimmen die Berechnungen von Burkert und Alves, wird innerhalb der nächsten
200,000 Jahre ein neuer, sonnenähnlicher Stern in unserer unmittelbaren
kosmischen Nachbarschaft aufleuchten, in dessen Umgebung sich auch Planeten
bilden könnten.
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