Eis unter der Oberfläche der Utopia-Ebene?
Redaktion /
Pressemitteilung des DLR astronews.com
5. Juni 2009
Neue jetzt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
veröffentlichte Bilder der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der
ESA-Sonde Mars Express zeigen die Region Hephaestus Fossae im Südosten
der Utopia-Ebene. Hier entdeckten die Wissenschaftler Indizien dafür, dass
einmal Eis unter der Oberfläche vorhanden gewesen sein muss. Ob das heute noch
der Fall ist, kann man auf den Bildern allerdings nicht ausmachen.
Diese senkrechte Farb-Draufsicht auf das Gebiet
Hephaestus Fossae wurde aus dem senkrecht
blickenden Nadirkanal und den schräg auf die
Oberfläche gerichteten Farbkanälen des
Kamerasystems HRSC erstellt; Norden ist rechts im
Bild.
Bild: ESA / DLR / FU Berlin (G. Neukum)
[Gesamtansicht] |
Westlich des Marsvulkans Elysium Mons erstreckt sich die Utopia-Ebene. Die jetzt
vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) veröffentlichten Bilder
zeigen einen Ausschnitt aus der Region Hephaestus Fossae, einem Gebiet von etwa
600 Kilometern Durchmesser im Südosten von Utopia Planitia. In Hephaestus Fossae,
benannt nach dem griechischen Gott des Feuers, finden sich zahlreiche
Kanalsysteme, deren Entstehung noch nicht endgültig geklärt ist. Mit großer
Wahrscheinlichkeit spielt Eis, das in Hohlräumen unter der Oberfläche
gespeichert war, bei der Bildung der heute trockenen Kanäle eine bedeutende
Rolle. Die Bilddaten wurden mit der vom DLR betriebenen hochauflösenden
Stereokamera HRSC während Orbit 5122 von der Sonde Mars Express der
europäischen Weltraumorganisation ESA aufgenommen. Die Bilder zeigen
einen etwa 170 mal 80 Kilometer großen Ausschnitt von Hephaestus Fossae bei 21
Grad nördlicher Breite und 126 Grad östlicher Länge. Die Bildauflösung beträgt
zirka 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Mit einer Fläche von 13.600
Quadratkilometern ist das abgebildete Gebiet damit ein wenig kleiner als
Schleswig-Holstein. Das vor allem im unteren Bildteil überwiegend ebene Gebiet
zeigt zahlreiche kleinere Einschlagkrater mit Durchmessern von etwa 800 bis
2.800 Metern (in der Gesamtansicht in der Mitte unten). Fast über die gesamte
Region finden sich auch Anhäufungen von kleinen Kratern, bei denen es sich
höchstwahrscheinlich um so genannte Sekundärkrater handelt. Solche Krater
entstehen beim Auftreffen von Gesteinsfragmenten, die bei größeren Einschlägen
in der Umgebung ausgeworfen wurden.
In der linken Bildhälfte ist ein deutlich größerer Einschlagkrater
zu sehen. Mit einem Durchmesser von über 20 Kilometern
bedeckt er eine Fläche von zirka 150 Quadratkilometern. In einen Krater dieser
Größe würden Städte wie Bonn oder Kiel passen. Im Gegensatz zu den kleineren
Kratern zeigt dieser Krater eine deutlich erkennbare Auswurfdecke mit Fliessformen, die sich von den steilen Flanken des Kraters in die Umgebung
erstrecken. Bei den kleineren Einschlägen wurde das feste
Gesteinsmaterial ballistisch ausgeworfen und schlug in unterschiedlicher
Entfernung vom Einschlagort wieder auf der Oberfläche auf. Bei dem großen
Einschlagkrater wurde jedoch deutlich weicheres, weniger verfestigtes Material
ausgeworfen, das rund um den Kraterrand eine solche Auswurfdecke gebildet hat.
Solche Krater werden nach dem englischen Wort für Wall auch Rampart-Krater
genannt. Rampart-Krater unterscheiden sich von "gewöhnlichen" Einschlagkratern,
deren Auswurf strahlenförmig um das Zentrum des kosmischen Treffers in die
Umgebung verteilt wurde, durch ihre charakteristischen, sich überlagernden
Auswurfdecken. Auf dem Mars befindet sich der größte Teil des gefrorenen
Wassereises in Hohlräumen unter der Oberfläche. Möglicherweise wurde bei dem
Einschlag ein solches Eisreservoir getroffen. Die Ausbildung der Ejektadecke
sowie die schon vor dem größeren Einschlag in diesem Gebiet vorhandenen, durch
Oberflächenabfluss entstandenen verzweigten Kanäle (Bildmitte) zu beiden
Seiten des Einschlagkraters stützen eine solche Vermutung.
Da die kleinen
Einschlagkrater keine solche Auswurfdecke zeigen, ist davon auszugehen, dass
ihre Tiefe nicht ausreicht, um das Eis in der Tiefe zu erreichen. Es ist also
möglich, aus den verschiedenen Tiefen der Einschlagkrater in Verbindung mit der
Ausbildung einer Ejektadecke zu berechnen, in welcher Tiefe sich ein mögliches
Reservoir gefrorenen Wassers befinden könnte. Ob auch heute noch Eis unter der
Oberfläche von Hephaestus Fossae vorhanden ist, kann man anhand der Bilder nicht
feststellen; der Einschlag der Meteoritenkraters erfolgte vermutlich vor vielen
Millionen Jahren.
Die
HRSC-Aufnahmen stammen vom 28. Dezember 2007. Mars Express startete vor fast
genau sechs Jahren am 2. Juni 2003 vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in
Kasachstan und befindet sich seit dem 25. Dezember desselben Jahres im Marsorbit
– bis heute hat die ESA-Sonde fast 7.000 Mal den Mars umrundet. Sämtliche sieben
Experimente sind noch voll funktionsfähig. Die HRSC (High Resolution Stereo Camera) ist das erste Kameraexperiment in der Planetenforschung, das eine
Oberfläche gleichzeitig in hoher Auflösung, in Farbe und in "3D" aufnehmen kann.
Das Aufnahmesystem kann bei der geringsten Flughöhe über der Marsoberfläche
Bilder von bis zu 10 Metern pro Pixel aufzeichnen.
Die Hälfte der insgesamt
knapp 150 Millionen Quadratkilometer der Marsoberfläche wurden bereits von der
HRSC in einer Auflösung von 20 Metern pro Pixel und besser aufgenommen. Ziel ist
es, im Missionsverlauf die gesamte Oberfläche des Mars in diesen für geologische
Fragestellungen und die Auswahl zukünftiger Landestellen erforderlichen
Auflösungen von 10 bis 20 Metern pro Pixel zu erfassen und aus den Bilddaten so
genannte digitale Geländemodelle mit vergleichbaren Höhenauflösungen zu
erzeugen. Die ESA entscheidet gegen Ende des Jahres über eine Verlängerung ihrer
ersten, wissenschaftlich ausgesprochen erfolgreichen Planetenmission bis zum
Jahr 2012.
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der
Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator
(PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die
technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte,
geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32
Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit
industriellen Partnern gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische
Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom
Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit
mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
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