Stellarer Babyboom
im jungen Universum
von Stefan Deiters astronews.com
11. Juli 2008
Astronomen haben jetzt eine weit entfernte Galaxie
aufgespürt, in der mit extrem hoher Rate Sterne entstehen: In dem 12,3
Milliarden Lichtjahre entfernten System werden in jedem Jahr rund 4.000 neue
Sonnen geboren - in unserer Milchstraße sind es gerade einmal zehn. Der Fund
könnte das etablierte Modell über Entstehung und Entwicklung von Galaxien im
Kosmos durcheinanderbringen.
Blick auf die Babyboom-Galaxie in 12,3
Milliarden Lichtjahren Entfernung (rot und grüne
Bereiche in der Mitte). Das Bild entstand aus
Daten von Spitzer und des Subaru-Teleskops. Die
blauen Flecken sind Galaxien im Vordergrund.
Bild: NASA/JPL-Caltech / P.
Capak (Spitzer Science Center) |
Bislang gehen Astronomen davon aus, dass die großen Galaxien im
Universum ganz allmählich gewachsen sind, indem sie kleinere Galaxien
verschluckt haben. Dieses sogenannte "Hierarchische Modell" sieht eigentlich die
Entstehung einer großen Galaxien durch einen gewaltigen "Babyboom" nicht vor.
Doch genau dieses scheint nun das Infrarot-Weltraumteleskop Spitzer
zusammen mit anderen erdgebundenen Teleskopen aufgespürt zu haben.
"In dieser Galaxie gibt es gerade eine gewaltige Phase von Sternentstehung,
in der die meisten Sterne der Galaxie auf einmal produziert werden", erläutert
Peter Capak vom Spitzer Science Center der NASA am California
Institute of Technology in Pasadena. "Wenn die Erdbevölkerung durch einen
ähnlichen Babyboom entstanden wäre, müssten fast alle heute das gleiche Alter
haben". Die Entdeckung von Capak und seinen Kollegen wurde in der aktuellen
Ausgabe der Fachzeitschrift Astrophysical Journal Letters
veröffentlicht.
Die neu entdeckte Galaxie, die dank ihres "Babybooms" in die Gruppe der
sogenannten Starburst-Galaxien eingeordnet wird, ist der neue
Entfernungsrekordhalter für eine Galaxie dieses Typs. Ihre extreme Helligkeit
diente dabei den Astronomen als Maß für ihre Sternentstehungsrate. Zuerst
entdeckt wurde die Galaxie im optischen Bereich des Lichtes mit Hilfe des
Weltraumteleskops Hubble und des japanischen Subaru-Teleskops
auf Hawaii. Wegen ihrer großen Entfernung erschien sie aber lediglich als ein
verwaschener Fleck und sah nicht ungewöhnlich aus.
Als jedoch das Weltraumteleskop Spitzer und das James Clerk
Maxwell-Teleskop die Galaxie im Infraroten und im Submillimeter-Bereich
unter die Lupe nahmen, änderte sich das Bild. Die Galaxie erschien nun deutlich
heller als andere vergleichbare Systeme. Ursache dafür, so die Forscher, sind
die vielen jungen Sterne, die viel Licht im ultravioletten Bereich abstrahlen.
Diese Strahlung wird vom Staub in ihrer Umgebung absorbiert. Der Staub heizt
sich auf und strahlt schließlich im Infraroten und im Submillimeter-Bereich.
Um mehr über die entfernte Galaxie zu erfahren nutzten Capak und sein Team
weitere Teleskope, darunter das Keck-Teleskop auf Hawaii. Auf diese
Weise bestimmten sie die Entfernung der Galaxie auf 12,3 Milliarden Lichtjahre.
Wir sehen die Galaxie somit zu einem Zeitpunkt, zu dem das Universum gerade
einmal 1,3 Milliarden Jahre alt war. Mit Hilfe zusätzlicher Radiobeobachtungen
bestimmten die Wissenschaftler dann auch die genaue Sternentstehungsrate des
fernen Systems auf 1.000 bis 4.000 Sterne pro Jahr. Mit dieser Geburtsrate würde
die Galaxie nur 50 Millionen Jahre brauchen, um eine Größe zu erreichen, die der
der massereichsten heute bekannten Galaxien entspricht.
Sternentstehungsraten dieser Größenordnung sind für sich genommen nichts
Ungewöhnliches. Galaxien in unserer näheren Umgebung können auch Starbursts
durchlaufen und ähnliche Sternentstehungsraten aufweisen. Was den Fall besonders
macht ist die Entfernung: Die bislang entfernteste Galaxie mit einer solchen
Sterngeburtsrate war 11,7 Milliarden Lichtjahre entfernt.
"Bislang haben wir Galaxien mit einer solchen Geburtsrate nur in der
Jugendzeit des Universums aufgespürt, hier haben wir eine zu einer Zeit
entdeckt, zu der das Universum noch ein Kind war", vergleicht Capak. "Die Frage,
die sich nun stellt ist, ob die meisten sehr massereichen Galaxien sehr früh
durch einen solchen stellaren Babyboom entstehen oder ob es sich hier um eine
Ausnahme handelt. Eine Antwort auf diese Frage wird dann zeigen, ob das
hierarchische Modell der Galaxienentstehung immer noch gültig ist oder nicht."
Und Teammitglied Nich Scoville vom California Institute of Technology
ergänzt: "Diese unglaubliche Sternenentstehungsaktivität könnte bedeuten,
dass wir hier gerade Zeuge der Entstehung einer der massereichsten elliptischen
Galaxien im Universum werden."
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