Loch im All nur Artefakt?
von Stefan Deiters astronews.com
21. Mai 2008
Im Sommer des vergangenen Jahres berichteten Astronomen von
der Entdeckung eines riesigen Lochs im fernen Universum, in dem sich weder Gas,
noch Sterne und noch nicht einmal Dunkle Materie finden lässt. Eine neue Analyse
der Daten legt jetzt aber nahe, dass es sich bei dem
vermeintlichen Loch lediglich um ein statistisches Artefakt handelt.
Verbirgt sich hinter der kalten Region in den
WMAP-Daten wirklich ein "Loch" im Universum?
Bild: Rudnick et al., NRAO / AUI / NSF, NASA |
Die Aufregung im August des vergangenen Jahres war groß: "Es ist nicht nur,
dass noch niemand zuvor einen so großen leeren Bereich im Weltall gefunden hat",
meinte etwa Lawrence Rudnick von der University of Minnesota und einer
der Entdecker damals, "wir haben auch nie im Leben damit gerechnet, ein so
großes Loch zu finden." Rudnick und sein Team war - wie bei astronews.com
berichtet - durch eine merkwürdige kalte Stelle in den Daten der NASA-Sonde WMAP
auf jene Stelle im All aufmerksam geworden und folgerte nach Beobachtungen mit
dem Very Large Array, dass die kalte Stelle mit einem gewaltigen
Leerraum im Universum übereinstimmt, der einen Durchmesser von fast einer
Milliarde Lichtjahren hat.
Das "große Loch im All" sorgte damals für einige Schlagzeilen und forderte
etablierte kosmologische Theorien heraus, die erhebliche Schwierigkeiten
hatten, einen so großen Leerraum überzeugend zu erklären. Manche Astrophysiker
spekulierten deswegen schon, dass es sich bei dem Loch eventuell um eine Art
Abdruck eines Paralleluniversums handeln könnte.
Doch jetzt stellt eine neue Analyse der Daten die Schlussfolgerungen von
Rudnick und seinem Team in Frage: Wie die britische Wissenschaftszeitschrift New
Scientist berichtet, hält der Astronom Kendrick Smith von der Universität im
englischen Cambridge den Leerraum im All lediglich für ein statistisches
Artefakt. Ob man ihn sieht oder nicht, sei schlicht eine Frage der
Interpretation. Smith plant, seine Resultate in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society zu veröffentlichen.
Weil bei der Beobachtung eines solchen Leerraums immer ein paar Sterne im
Vordergrund oder im Hintergrund sein werden, kann man ihn nicht direkt sehen,
sondern muss auf seine Existenz schließen. Im New Scientist berichten die
Forscher von zwei wesentlichen Punkten, in denen sie die Interpretation von Rudnick
anzweifeln: Zum einen würde das Zentrum des Leerraums nicht exakt dort liegen wo
sich auch die Mitte des entdeckten kalten Bereichs befindet. Zum anderen, so Smith, hätten Rudnick und seine Kollegen bestimmte Annahmen
machen müssen, um diese Leerstelle im Raum erkennen zu können. So hätten sie
sich auf die Region im kalten Bereich konzentriert, wo sich die wenigsten
Galaxien befanden und lediglich Galaxien gezählt, die eine gewisse
Minimalhelligkeit hätten.
Würde man sich nun aber mit gleich guten Argumenten auf einen anderen Bereich
der kalten Region konzentrieren und zudem eine andere Grenzhelligkeit für die
Galaxien wählen, erläutert Smith, würde der Leerraum komplett verschwinden. Man
könnte unter gewissen Umständen sogar eine Überhäufigkeit von Galaxien in der
kalten Region nachweisen - und dies mit der gleichen statistischen Sicherheit,
mit der Rudnick den Leerraum gefunden hat.
Rudnick und seinen Kollegen hatten schon in ihrer Veröffentlichung
"statistische Unsicherheiten" eingeräumt. Und auch andere Wissenschaftler
glauben inzwischen, dass die Beweise für ein riesiges Loch im All immer
schwächer werden. Klären könnte man die Frage wohl nur durch ein großangelegtes
Beobachtungsprogramm mit optischen Teleskopen und einer anschließenden
dreidimensionalen Rekonstruktion der Galaxienverteilung in jenen Regionen. Was
bleibt ist allerdings die von WMAP entdeckte kalte Stelle, über deren Ursache
weiterhin gerätselt werden darf.
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