Spielt die
Erdrotation eine Rolle?
von
Rainer Kayser
5. März 2008
Enge Vorüberflüge an Planeten sind eine beliebte Methode, um
Raumsonden zusätzlichen Schwung für ihre Reise in die äußeren Regionen unseres
Sonnensystems zu verschaffen. Das Verfahren funktioniert zuverlässig, doch
werden die Sonden bei diesem Schwungholen zuweilen schneller als von der Theorie
vorhergesagt. Ein NASA-Forscher hat diese sogenannte Flyby-Anomalie nun
analysiert. Spielt die Drehung der Erde eine Rolle?
Auch beim Vorüberflug der Kometensonde Rosetta
an der Erde wurde die Flyby-Anomalie beobachtet.
Bild: ESA / AOES Medialab |
Wenn Raumsonden an der Erde vorbeifliegen, ändern sich ihre Bahnen um ein
winziges bisschen anders, als es das Gesetz der Schwerkraft vorhersagt. Ein Team
amerikanischer Forscher hat nun eine empirische Formel gefunden, die diese
"Vorbeiflug-Anomalie" korrekt beschreibt. Die Wissenschaftler sehen in der
Formel einen Hinweis darauf, dass die Rotation der Erde die Bahnen der Sonden
beeinflusst. Eine physikalische Erklärung für das Phänomen liefere die Formel
allerdings noch nicht, schreiben die Forscher im Fachblatt Physical Review
Letters.
Enge Vorbeiflüge an Planeten (sogenannte Flybys) werden in der Raumfahrt
standardmäßig eingesetzt, um Raumsonden auf einen neuen Kurs zu bringen und
ihnen zusätzlichen Schwung für ihre Reisen zu den äußeren Planeten zu geben. Als
die Jupitersonde Galileo am 8. Dezember 1990 in 960 Kilometern Höhe über die
Erde hinweg zog, erlebten die beteiligten Forscher eine Überraschung: Das
Raumfahrzeug zeigte nach dem Flyby eine um rund 14 Meter pro Stunde größere
Geschwindigkeit als erwartet. Die Differenz war zwar klein, aber immerhin etwa
50-mal größer als der Messfehler. Inzwischen konnte die Flyby-Anomalie auch bei
anderen Raumsonden beobachtet werden: Im Januar 1998 bei der Asteroidensonde Near und im März 2005 bei der Kometensonde
Rosetta.
NASA-Forscher John Anderson vom Jet Propulsion Laboratory und sein Team haben
nun eine mathematische Beschreibung des Effekts gefunden, welche die
beobachteten Abweichungen reproduziert. Entscheidend ist demnach, unter welchen
Winkeln relativ zur Erdbahn die Sonde auf die Erde zu und von der Erde
wegfliegt: Je größer der Unterscheid zwischen diesen Winkeln, desto größer ist
auch die Vorbeiflug-Anomalie. "Das deutet darauf hin, dass die Rotation der Erde
etwas mit dem Effekt zu tun hat", so Anderson.
Tatsächlich verzerrt die Rotation eines Planeten die Raumzeit in seiner
Umgebung. Doch dieser in der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein
beschriebene Effekt ist zu klein, um die Vorbeiflug-Anomalie zu erklären. Die
Forscher halten es deshalb für denkbar, dass das Phänomen ein Hinweis auf eine
"neue Physik" jenseits der Relativitätstheorie ist.
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