Dunkelmaterie-Blasen in Galaxienzentren?
von Stefan
Deiters
astronews.com
20. Juli 2006
Im Zentrum von Galaxien, so die Ansicht der meisten
Astronomen, verbergen sich supermassereiche Schwarze Löcher. Doch so sicher ist
dies nach Meinung eines amerikanischen Physikers nicht: Er schlägt nun, wie der
New Scientist in seiner neuen Ausgabe berichtet, Dunkelmaterie-Blasen als
Alternative vor. Damit dies funktioniert, müsste man allerdings die
Relativitätstheorie ein wenig modifizieren.
Das Zentrum der Milchstraße, beobachtet mit dem Very Large
Array-Radioteleskop. Sagittarius A*, das vermutete Schwarze
Loch, ist der helle Punkt im
Zentrum. Das Bild umfasst einen Ausschnitt von knapp zwei mal
zwei Lichtjahren. Bild:
NRAO / AUI / NSF, Jun-Hui Zhao, W.M. Goss |
Über eines herrscht unter allen Astronomen Einigkeit: Im Zentrum der meisten
Galaxien befindet sich ein Objekt, das auf unvorstellbar kleinem Raum eine
riesige Masse vereinigt. Und eigentlich alle gehen davon aus, dass dies nur ein
Objekt leisten kann: ein supermassereiches Schwarzes Loch. Dieses Schwarze Loch
würde auch manche Beobachtung erklären, die man in seiner unmittelbaren Nähe
gemacht hat, wie etwa Röntgenblitze, die nach der Theorie entstehen sollen, wenn
das Schwarze Loch Materie verschlingt. Allerdings haben jüngste Beobachtungen jetzt
gezeigt, dass diese Röntgenblitze rund alle 20 Minuten zu beobachten sind und
die Astronomen rätseln, wie sich diese Regelmäßigkeit mit ihrer Erklärung in
Übereinstimmung bringen lässt.
Vielleicht könnte ihnen Anatoly Svidzinsky, ein Physiker der Texas A&M
University in College Station, helfen. Der Wissenschaftler, so berichtet das
britische Wissenschaftsmagazin New Scientist in seiner neuen Ausgabe, glaubt, dass so genannte Axionen das Rätsel um die Röntgenblitze lösen könnten. Axionen sind
Elementarteilchen, die bislang allerdings noch nie direkt nachgewiesen wurden.
Sie haben nur eine äußerst geringe Masse und keine elektrische Ladung, gelten
aber manchen als guter Kandidat für die so genannte Dunkle Materie.
In den 1990er Jahren zeigten Computersimulationen von aus Axionen bestehenden
Dunkelmaterie-Wolken, dass sich riesige Axionen-Blasen bilden können. Svidzinsky glaubt nun, dass solche Blasen im Zentrum von Galaxien existieren.
Diese würden in einer 20-minütigen Periode expandieren und sich wieder
zusammenziehen und so die Röntgenblitze erklären können. Das von Svidzinsky durchgerechnete Model
deutet darauf hin, dass stabile Axionen-Blasen eine Masse von zwischen einer
Millionen und 2,5 Milliarden Sonnenmassen haben müssten. Und genau dies ist der
Massebereich, den man für die kompakten Objekte im Zentrum von Galaxien
beobachtet.
"Dieser Vorschlag ist schon faszinierend", meint dann auch Tim Summer auf
Nachfrage des New Scientist. Summer beschäftigt sich am Londoner Imperial
College mit verschiedenen Dunkelmaterie-Kandidaten, darunter auch mit Axionen.
"Allerdings braucht man noch deutlich mehr Beweise und weitere Untersuchungen,
bevor das Modell wirklich die etablierteren Theorien ersetzen kann."
Dazu dürfte einige Überzeugungsarbeit nötig sein: Svidzinskys Modell ersetzt
nämlich nicht nur die Schwarzen Löcher in den Zentren von Galaxien durch
Axionen-Blasen, sondern benötigt auch eine entscheidende Modifikation an
Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie: Damit die Blasen oszillieren, muss
die Gravitation ab einer bestimmten Stärke plötzlich abstoßend werden. Dieses
Konzept wurde bereits im vergangenen Jahrzehnt vereinzelt diskutiert.
Diese Variante der Gravitation braucht aber nicht unbedingt gegen
das Modell zu sprechen, meint Konstantin Zioutas vom Genfer CERN: "Es gibt
verschiedene Studien in aller Welt, die darauf hindeuten, dass Einstein nicht
das letzte Wort in Sachen Gravitation ist", sagte der Wissenschaftler gegenüber
dem New Scientist. So könnten etwa weitere Dimensionen das Verhalten der
Gravitation unter extremen Bedingungen verändern. Allerdings müsse man zunächst
einmal eindeutig belegen, dass Axionen überhaupt existieren.
Auch eine andere Beobachtung könnte Svidzinskys Modell erklären: So wurde
von unserem galaktischen Zentrum auch ein diffuses Röntgenlicht beobachtet, für
das es bislang noch keine plausible Erklärung gibt. "Jedes Gas, das heiß genug
wäre, um diese Strahlung erzeugen zu können, würde sich so schnell bewegen, dass
es sich nicht in der Galaxie halten könnte", so Zioutas. "Dunkelmaterie-Axionen
könnten aber diese Röntgenstrahlung erzeugen."
Ob es
im Zentrum von Galaxien Schwarze Löcher oder aber Axionen-Blasen gibt, wird man
vermutlich bald wissen. "In einigen Jahren können Astronomen mit Hilfe der
Radio-Interferometrie die kompakten Objekte im Inneren auflösen", so Svidzinsky.
"Schwarze Löcher sollte dann eine konstante Größe haben, während Axionen-Blasen
ihre Größe verändern." Auf das Ergebnis dürften viele gespannt warten -
auch Konstantin Zioutas: "Es steht schließlich einiges auf dem Spiel - die
Theorie der Dunkelmaterie und die von Einstein."
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