"Zehnter Planet" deutlich größer als Pluto?
von Stefan
Deiters
astronews.com
2. Februar 2006
Nach Beobachtungen deutscher Astronomen ist das oft als
zehnter Planet bezeichnete Kuiper-Gürtel-Objekt 2003 UB313 deutlich größer als
Pluto. Die Forscher bestimmten durch Messung der Wärmeabstrahlung den
Durchmesser von 2003 UB313 auf 3.000 Kilometer. Pluto hat einen Durchmesser von
2.300 Kilometern.

2003 UB313: Größer als Pluto
oder nicht? Bonner Astronomen meinen ja. Bild: NASA / JPL-Caltech
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Wenn die Messung der Astronomen des Bonner Max-Planck-Instituts für
Radioastronomie zutrifft, wäre 2003 UB313 das größte im Sonnensystem gefundene Objekt nach
der Entdeckung von Neptun im Jahre 1846. Damit dürfte die Diskussion, ob Pluto
eigentlich seinen Status als Planet verdient, wenn dieser Status 2003 UB313
versagt wird, neu angefacht werden. Die Astronomen berichten über ihren Fund in
der heutigen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature.
Dabei besteht unter allen Wissenschaftlern grundsätzlich Einigkeit darüber,
dass Pluto und 2003 UB313 zur selben Klasse von Objekten gehören: Beide sind
Mitglieder des so genannten Kuiper-Gürtels, wobei 2003 UB313 dreimal weiter von
der Sonne entfernt ist als Pluto. Ein Jahr, als eine Umkreisung der Sonne,
dauert auf 2003 UB313 rund 560 Erdjahre.
Die Objekte des Kuiper-Gürtels waren lange Zeit nichts weiter als bloße
Theorie:
Erstmals gelang es Astronomen 1992, einen Kleinplaneten jenseits von Neptun und Pluto zu finden und
damit eine damals 40-jährige Vorhersage der Astronomen Kenneth Edgeworth und Gerard
P. Kuiper zu bestätigen. Die Wissenschaftler hatten die These aufgestellt, dass
es jenseits der Bahn des Neptun einen Gürtel von Asteroiden geben muss, der von
der Entstehung
des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren übrig geblieben ist. Manchmal werden
diese Objekte jedoch von der Gravitationskraft des Neptun ins Innere des
Sonnensystems abgelenkt, wo sie dann als Kometen erscheinen.
Seit Entdeckung des ersten Kuiper-Gürtel-Objektes sind zahlreiche weitere
Brocken jenseits der Neptunbahn aufgespürt worden, die allesamt jedoch nicht an
die Größe Plutos heranreichten. Bei 2003 UB313 versprach dies anders zu sein: Nach seiner Entdeckung im Jahr 2005 ließ
seine optische Helligkeit darauf schließen, dass das Objekt mindestens
die Größe von Pluto hat, vermutlich aber sogar größer ist. Eine genauere
Größenbestimmung war jedoch nicht möglich, da das Reflektionsvermögen dieses Kleinplaneten
nicht bekannt war. Das heißt, die Astronomen konnten nur grob schätzen, wie viel
des Lichtes, das 2003 UB 313 erreicht, von diesem auch wieder ins All
reflektiert wird und nahmen einen Wert an, der dem anderer Objekte wie
beispielsweise Pluto
entspricht.
Einem Astronomenteam der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie um Prof. Frank Bertoldi sowie Dr. Wilhelm Altenhoff
ist es nun gelungen, die Größe von 2003 UB313 deutlich besser zu bestimmen: Die Bonner Wissenschaftler benutzten
dazu die wärmeempfindliche Bolometer-Kamera "MAMBO-2"
am 30-Meter Radioteleskop von IRAM (Institut de Radio Astronomie Millimétrique) in Spanien, die vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelt und installiert wurde, um die Wärmestrahlung von
2003 UB313 zu messen. In diesem Wellenlängenbereich hängt die Helligkeit nur von der Größe und Oberflächentemperatur des Objekts
ab.
Die Temperatur kann man gut aus der Distanz zur Sonne abschätzen, so dass man die Objektgröße und
das optische Reflexionsvermögen aus der von MAMBO gemessenen Helligkeit bestimmen kann. Zudem
konnten die Forscher daraus schließen, dass die Oberfläche von 2003 UB313 rund 60 Prozent der einfallenden
Sonnenstrahlung reflektiert, was vergleichbar mit Plutos Reflektionsvermögen ist.
Mit dem so bestimmten Durchmesser von 2003 UB313 von 3.000 Kilometern dürfte
die Diskussion um den Status des Objektes oder aber den Status von Pluto neuen
Schwung erhalten: "Da UB313 deutlich größer ist als Pluto", so Bertoldi, "wird es zunehmend schwieriger, Pluto einen Planeten zu
nennen, aber UB313 diesen Status zu verwehren."
Und Altenhoff ergänzt, dass die neuen Messdaten zeigen würden, "dass Pluto, der ja eigentlich auch als Kuiper-Gürtel-Objekt gelten muss, kein so
außergewöhnliches Objekt ist. Vielleicht gelingt es uns, noch weitere solch große Objekte zu finden, die
uns dann Aufschlüsse über die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems erlauben."
Doch ganz klar scheint die Sache noch nicht zu sein: Das Wissenschaftsmagazin
Science berichtete in der letzten Woche in seiner Onlineausgabe von einem
neuen Hubble-Bild von 2003 UB313, das im Dezember 2005 gemacht worden
sein soll. Eine Auswertung dieser Daten hätte ergeben, dass 2003 UB313 ein
Reflektionsvermögen von 92 Prozent hat - deutlich mehr als der von den Bonner
Wissenschaftlern gefundene Wert. Damit wäre aber 2003 UB313 kaum größer als
Pluto. Die Information stammt nach Angaben von Science vom 2003 UB313-Entdecker Michael Brown.
Dieser hätte darüber im Rahmen eines öffentlichen Vortrags berichtet.
Inzwischen kündigte Brown auf seiner Webseite die Ergebnisse der Hubble-Beobachtungen
für Ende Februar an. Offenbar waren die sehr vorläufigen Ergebnisse gegen seinen
Wunsch veröffentlicht worden. Die gründliche und genaue Analyse der Daten sei
noch nicht abgeschlossen.
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