Neutronenstern statt Schwarzes Loch
von
Hans Zekl
für
astronews.com
4. November 2005
Massereiche Sterne, so die allgemein anerkannte Theorie, explodieren als
Supernovae. Zurück bleibt ab einer bestimmten Masse ein Schwarzes Loch. So
einfach scheint es allerdings nicht zu sein: Jetzt fanden Astronomen mit dem
Röntgenteleskop Chandra einen Neutronenstern, wo sie eigentlich ein
Schwarzes Loch erwartet hätten. Sind Schwarze Löcher seltener als gedacht?
Chandra-Aufnahme des Sternhaufens Westerlund 1. Die Position des
entdeckten Neutronensterns ist markiert. Foto: NASA / CXC
/ UCLA / M. Muno et al. |
Neutronensterne sind extrem dichte Sternleichen. Wenn das atomare Feuer der
Kernfusion in Sternen, deren Masse wesentlich größer als die unserer Sonne ist,
erlischt, bricht ihr Kern in Sekunden in sich zusammen. Die Atome werden
dermaßen stark zusammengequetscht, dass Elektronen und Protonen zu elektrisch
neutralen Neutronen verschmelzen.
Die Materie wird dabei so stark verdichtet,
dass eine Masse mit etwa der anderthalbfachen bis dreifachen Sonnenmasse in
einer Kugel mit zehn bis 20 Kilometer Durchmesser Platz findet. Bereits vor über
70 Jahren leiteten die Physiker Landau, Baade und Zwicky theoretisch die
Existenz von Neutronensternen her, aber erst 1967 gelang es den Astronomen
Jocelyn Bell und Antony Hewish, sie nachzuweisen.
Der jetzt entdeckte Neutronenstern befindet sich in dem extrem jungen
Sternhaufen Westerlund 1 im südlichen Sternbild Altar (Ara) und ist 16.000
Lichtjahre von der Erde entfernt. Der Haufen enthält mehrere Sterne mit über 40
Sonnenmassen. Da Sterne umso kürzer existieren, je mehr Masse sie besitzen, muss
der Vorläufer des Neutronensterns noch mehr Materie besessen haben. Die
Astronomen suchten in dem Haufen eigentlich nach Schwarzen Löchern, fanden
stattdessen aber nur einen Neutronenstern. Im Röntgenlicht macht er sich durch
regelmäßige Pulse bemerkbar, die ihn alle 10,6 Sekunden aufblitzen lassen.
"Unsere Entdeckung zeigt, dass einige der massereichsten Sterne nicht wie
vorhergesagt zu Schwarzen Löchern kollabieren, sondern stattdessen
Neutronensterne hervorbringen," erklärt Michael Mundo von der University of
California in Los Angeles den Fund. Wenn aber aus solchen Sternen noch
Neutronensterne entstehen, welche Sterne produzieren dann Schwarze Löcher?
Theoretische Berechnungen zeigen, dass massereiche Sterne während ihres
Lebens sehr viel Materie als so genannten Sternwind abblasen. Je mehr Masse
ursprünglich vorhanden ist, umso stärker ist der Massenverlust. Dabei dürfte
weit mehr als die Hälfte der Ursprungsmasse verloren gehen. Die Entdeckung des
Neutronensterns in Westerlund 1 grenzt nun den Bereich ein: Die Anfangsmasse
eines Sterns, der als Schwarzes Loch enden wird, sollte zwischen 25 und 40
Sonnenmassen liegen. Andere Faktoren, wie der Anteil schwerer chemischer
Elemente, die Rotationsgeschwindigkeit, Mitgliedschaft in einem
Doppelsternsystem spielen wahrscheinlich ebenfalls eine Rolle, ob am Ende ein
Neutronenstern übrig bleibt oder nicht.
Bei der Entstehung eines Neutronensterns wird mehr als 95 Prozent der Masse
in den umgebenden Weltraum geschleudert. Im Laufe seines Lebens hat ein Stern
durch die Kernfusion aus leichten Elementen schwerere erschaffen, die er dann
bei der Supernovaexplosion wieder ins All schleudert. Dadurch nimmt der Anteil
schwerer Elemente im Universum ständig zu. "Dabei werden enorme Mengen schwerer
Elemente zurück in einen Kreislauf gebracht, in dem wieder neue Sterne und
Planeten entstehen", beschreibt J. Simon Clark von der Open University in
Großbritannien den Prozess.
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