Eingebettet in 1,4 Millionen Grad heißes
Plasma
Redaktion / idw / Universität Bonn
astronews.com
5. September 2005
Radioastronomen
der Universität in Bonn haben jetzt ein astronomisches Mammutprojekt erfolgreich
zum Abschluss gebracht: Sie kartierten zusammen mit Kollegen aus den
Niederlanden das Vorkommen von Wasserstoff in der Milchstraße. Spektakuläres
Ergebnis: Unsere Heimatgalaxie ist in 1,4 Millionen Grad heißes Plasma
eingebettet.

Die Verteilung des Wasserstoffgases in der Milchstraße. In der
Mitte das Zentrum. Hohe Intensitäten in der galaktischen Ebene
sind rot, Regionen mit weniger Gas an den Polen sind blau
abgebildet. Bild: Radioastronomisches Institut der
Universität Bonn [Gesamtansicht] |
Knapp 150 Jahre nach der "Bonner Durchmusterung" des nördlichen
Sternenhimmels durch Friedrich Wilhelm Argelander kommt nun ein weiteres
astronomisches Mammutprojekt unter Bonner Federführung zum Abschluss: 1986
hatten Astronomen aus Leiden die Idee, den vollständigen Nordhimmel nach
Anzeichen von Wasserstoff zu durchsuchen, und baten ihre Kollegen vom Institut
für Radioastronomie der Universität Bonn um Mithilfe. Seit 1994 beobachten die
Forscher zusätzlich in Argentinien, um auch den Südhimmel zu erfassen. Das
Ergebnis schaffte es nun sogar auf den Titel der Fachzeitschrift Astronomy &
Astrophysics: Die erste Karte, auf der die Wasserstoffwolken in der
Milchstraße lückenlos und fehlerfrei erfasst sind.
Wasserstoff ist gewissermaßen die "Urmaterie" unseres Universums: Es ist das
erste Element, das nach dem Urknall entstand. Obwohl das häufigste Element im
Weltraum, ist das durchsichtige Gas nur schwierig nachzuweisen. Wasserstoff ist
aber ein Radiosender: Er strahlt Radiowellen mit 21 cm Wellenlänge aus, die sich
auf der Erde durch große Parabolantennen auffangen lassen. Im Radiospektrum
bilden sie die berühmte "21-Zentimeter-Linie des Wasserstoffs".
"Für uns ist die
21-Zentimeter-Linie unter anderem deshalb so interessant, weil sie Aufschluss
über die Verteilung und Bewegung des interstellaren Mediums gibt", erklärt Dr.
Peter Kalberla vom Radioastronomischen Institut der Universität Bonn (RAIUB).
Möglich wird das durch die so genannte Dopplerverschiebung: Ähnlich wie die
Sirene eines Polizeiwagens heller klingt, wenn er auf den Beobachter zufährt,
sendet auch "Radio Wasserstoff" auf höherer Frequenz, wenn sich die Wolke auf
den Empfänger zubewegt. Dadurch verschiebt sich die Wasserstofflinie zu etwas
kürzeren Wellenlängen, also in Richtung 20 Zentimeter.
Indirekt lässt sich mit dem Doppler-Effekt sogar die Temperatur des
interstellaren Mediums messen: Wie bei einem Gewitter auf der Erde herrschen in
heißen Wasserstoff-Wolken sehr turbulente Bedingungen. Es bilden sich Wirbel, in
denen sich Teile des Gases auf die Erde zubewegen, während gleichzeitig andere
Teile von ihr wegströmen. Dadurch sendet der Wasserstoff auf verschiedenen
Wellenlängen; die - eigentlich scharfe - 21-Zentimeter-Linie "fließt"
auseinander. Je heißer die Wolke, desto mehr Turbulenzen und desto "breiter" das
Wasserstoff-Signal, das dann aus vielen einzelnen filigranen Linien besteht.
Mit Hilfe der neuen Daten konnten die RAIUB-Astronomen bereits zeigen, dass
die Milchstraße in ein ausgedehntes 1,4 Millionen Grad heißes Plasma eingebettet
ist - ganz analog zur Sonnenkorona. In diesem Plasma aus ionisiertem Wasserstoff
"schwimmen" kleine Flocken aus neutralem Wasserstoff, die sich im Radiobild
bemerkbar machen.
"Wir haben erstmals den kompletten Nord- und Südhimmel nach der
21-Zentimeter-Linie durchmustert", erklärt Dr. Kalberla. Dazu nutzten die
Forscher neben dem 25-Meter-Radioteleskop im niederländischen Dwingeloo seit
1994 auch ein 30-Meter-Teleskop in Argentinien. "Was den Datensatz besonders
wertvoll macht, ist seine hohe Messempfindlichkeit. Zudem konnten wir durch ein
spezielles Rechenverfahren die Bildfehler, die bei Radioteleskopen unvermeidbar
auftreten, um den Faktor 30 reduzieren."
Dadurch können die Daten in den
nächsten Jahren auch als Referenzwerte für größere Teleskope dienen,
beispielsweise das 100-Meter-Teleskop in Effelsberg. Das liefert zwar
detailreichere Aufnahmen, hat aber gleichzeitig systematische Bildfehler, die
mit Hilfe des neuen Datensatzes erkannt und korrigiert werden können.
Auch das deutsch-niederländisch-argentinische Team hatte bei seinem
Mammutprojekt mit unerwarteten Fehlern zu kämpfen. "Manche Geräte, mit denen wir
arbeiteten, sendeten selbst Radiowellen aus und führten dadurch zu unerwarteten
Störungen in den Teleskopbildern", erinnert sich Peter Kalberla. "Irgendwann
einmal haben wir in einer 'Nacht der langen Messer' nach und nach jeden Computer
und jede einzelne Webcam abgeschaltet, bis die Störungen endlich aufhörten." Nur
die Teleskopsteuerung blieb übrig.
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