Der Saturntrabant aus dem Kuiper-Gürtel
Redaktion
astronews.com
6. Mai 2005
Der
mysteriöse Saturnmond Phoebe gibt langsam seine Geheimnisse preis: Jetzt
veröffentlichte Daten der Saturnsonde Cassini zeigen, dass sich auf dem
Mond deutlich mehr chemische Elemente und Moleküle finden als bislang
angenommen. Für die Astronomen ist dies ein wichtiger Hinweis auf die Herkunft des
Trabanten. Er dürfte nämlich, so die Theorie, nicht im Saturnsystem
entstanden sein, sondern im Kuiper-Gürtel.
Der Saturnmond Phoebe hat eine unregelmäßige äußere Gestalt. Erstmals
fotografiert wurde der Trabant 1981 von der amerikanischen Raumsonde Voyager 1, die
jedoch kaum mehr als ein kleines, verschwommenes Scheibchen erkennen ließ.
Dieses Bildmosaik entstand am 11. Juni 2004 aus Aufnahmen des Kamerasystems für das
sichtbare Licht an Bord von Cassini, das auf seinem Weg in einer Saturnumlaufbahn in nur
2.000 Kilometer Abstand an dem fast 13 Millionen Kilometer von Saturn entfernten
Trabanten vorbeiflog. Dabei wurde der Mond mit allen Fernerkundungssystemem an Bord
von Cassini untersucht, so auch mit dem
Spektrometer VIMS, das die Infrarotdaten für
eine Analyse der an der Oberfläche
vorhandenen chemischen Elemente lieferte.
Bild: NASA / JPL / Space Science Institute |
Auf dem nur 212 Kilometer großen Saturnmond Phoebe finden sich viel mehr
unterschiedliche chemische Elemente und Moleküle als bislang angenommen. Dies
ist das Ergebnis einer Auswertung von Phoebe-Spektrometerdaten, die von der
amerikanischen Raumsonde Cassini aufgezeichnet wurden. An der Studie, die
jetzt in der Fachzeitschrift Nature erschien, ist mit dem
Planetengeologen Dr. Ralf Jaumann auch ein Wissenschaftler vom Institut für
Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR)
beteiligt.
Die Zusammensetzung von Phoebe unterstütze die Theorie, dass der
kleine Saturnmond nicht gemeinsam mit dem Ringplaneten entstanden ist, sondern
seinen Ursprung weiter außen im Sonnensystem hat, nämlich im so genannten
Kuiper-Gürtel zwischen Neptun und Pluto. Erst später sei er von der Schwerkraft
Saturns eingefangen worden.
"Die Daten des Visible and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) zeigen,
dass Phoebes Oberfläche hauptsächlich aus Wassereis besteht, das mit
Kohlendioxid, hydratisierten Mineralien, wie sie auf der Erde etwa in Lehm und
Ton vorkommen, sowie mit einigen bisher noch nicht identifizierten Verbindungen
vermischt ist", erläutert VIMS-Teammitglied Dr. Ralf Jaumann, der einen Großteil
der Studien im VIMS-Center in Tucson/Arizona durchgeführt hat.
"Wir sehen in den
Spektren auch die Spuren von primitiven organischen Verbindungen, also
Kohlenwasserstoffmolekülen." Die Oberflächenzusammensetzung zeigt wenig
Ähnlichkeit mit den zwischen Mars und Jupiter vorkommenden Asteroiden. Vielmehr
ist das Material, aus dem Phoebe aufgebaut ist, weit draußen im Sonnensystem
entstanden. Dort ist es so kalt, dass diese chemischen Verbindungen aus
flüchtigen Elementen überhaupt stabil sind.
"Eines der ersten überraschenden Ergebnisse der Cassini-Mission ist die
Entdeckung der chemischen Ähnlichkeit der Oberflächenmaterialien von Phoebe mit
denen von Kometen. Dies zeigt, dass Phoebe höchstwahrscheinlich aus dem äußeren
Sonnensystem, vermutlich aus dem Kuiper-Gürtel, stammt und nicht aus dem
Asteroidengürtel. Damit gehört dieser Körper zum ursprünglichsten Material im
Sonnensystem überhaupt", sagt Robert Brown, der VIMS-Teamchef von der
Universität in Tucson. Die Mächtigkeit der äußersten Stein- und Staubkruste
Phoebes wird auf maximal mehrere hundert Meter geschätzt, darunter besteht der
Kleinkörper zum größten Teil aus Wassereis. Das Alter der Oberfläche beträgt
vier Milliarden Jahre oder mehr.
Die amerikanisch/europäische Planetenmission Cassini-Huygens erreichte
nach fast sieben Jahren und einer dreieinhalb Milliarden Kilometer langen Reise
den Saturn am 1. Juli 2004. Im Anflug auf den Ringplaneten hatte das Raumschiff
am 11. Juni 2004 einen ersten, fast unmittelbaren "Kontakt" mit dem nur 212
Kilometer großen Mond Phoebe (astronews.com berichtete). Der Vorbeiflug erfolgte
in nur 2.068 Kilometer Entfernung und eröffnete den zwölf wissenschaftlichen
Instrumenten an Bord von Cassini einmalige Beobachtungsmöglichkeiten: Die
Bilder von Phoebe zeigen einen von Kratern übersäten Trabanten, dessen
geologische Entwicklung und chemisch-mineralogische Zusammensetzung wesentlich
komplexer als angenommen zu sein scheint.
Das Cassini-Spektrometerteam, an dem Dr. Ralf Jaumann vom DLR-Institut
für Planetenforschung in Berlin-Adlershof beteiligt ist, untersuchte unmittelbar
nach dem Phoebe-Vorbeiflug an der Universität Tucson (Arizona, USA) die Daten,
die das Spektrometer VIMS von dem Kleintrabanten aufgezeichnet hat. Das
Instrument ist in der Lage, die von der Oberfläche reflektierte
elektromagnetische Strahlung in den Wellenlängen des sichtbaren Lichts und des
nahen bis mittleren Infrarots so aufzuschlüsseln, dass über diagnostische
"Absorptionsbanden" eine ziemlich genaue Aussage über die chemischen Elemente
und Moleküle auf der Oberfläche getroffen werden kann.
VIMS kann eine Oberfläche in 352 Farben vom sichtbaren Licht bis weit ins
Infrarote gleichzeitig abbilden. Alle Materialien reflektieren Licht auf
einzigartige Weise. So können Moleküle und Elementverbindungen durch die
charakteristischen Farben, die sie reflektieren oder absorbieren, identifiziert
werden. Damit ist es dem VIMS-Team gelungen in nur wenigen Tagen nach dem
Vorbeiflug die Zusammensetzung von Phoebe zu bestimmen. Im VIMS-Team arbeiten
Wissenschaftler aus den USA, Deutschland, Frankreich und Italien zusammen. Das
VIMS-Team Center ist an der University of Arizona in Tucson, Arizona.
Schon lange vermuten die Wissenschaftler, dass Phoebe nicht an derselben Stelle
und aus demselben Material entstanden ist wie Saturn und die meisten seiner
Monde. Phoebe hat eine sehr ungewöhnliche Umlaufbahn um Saturn, mit einer
starken Neigung gegenüber dem Äquator des Saturns und einer entgegen der
Rotation des Planeten und seiner Umlaufrichtung um die Sonne verlaufenden
Eigenrotation. Auch bewegt sich Phoebe bei seinen Saturnumrundungen entgegen der
Richtung der anderen Monde. Doch wenn Phoebe nicht im Saturnsystem entstanden
ist, woher kommt der Mond dann?
So genannte kurzperiodische Kometen - mit
Umlaufzeiten um die Sonne von weniger als zweihundert Jahren - befinden sich
zusammen mit anderem primitivem Material aus der Entstehungsphase des
Sonnensystems weit jenseits der Neptunbahn und können durch Neptuns Gravitation
ins innere Sonnensystem geschleudert werden. Auf diesem Weg von weit draußen zur
Sonne kam Phoebe dem Saturn zu nahe und wurde von dessen Gravitationskraft auf
seine ungewöhnliche Umlaufbahn gezwungen. Gestützt wird diese Hypothese durch
Berechnungen zweier amerikanischer Autoren zur Dichte und zum Volumen von Phoebe,
die in derselben Ausgabe von Nature veröffentlicht werden.
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Cassini, Projektseiten der NASA/JPL |
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