Astronomen entdecken Galaxie ohne Sterne
von
Hans Zekl
für
astronews.com
24. Februar 2005
Mit Hilfe von Radioteleskopen glaubt ein Team von Astronomen erstmals
eine dunkle Galaxie aufgespürt zu haben: Sie entdeckten ein Objekt im All, das
eine große Masse zu besitzen scheint und sich wie eine Galaxie verhält -
allerdings, ohne dass auch nur ein einziger Stern zu erkennen ist. Die
Forscher vermuten, dass sie es mit einer Galaxie aus Dunkler Materie zu tun
haben.
Man erkennt, man sieht nichts: Die Ellipse zeigt die
Himmelsregion, in der die Astronomen die dunkle Galaxie
aufgespürt haben. Foto:
University of Cardiff |
Dunkle Galaxien wurden schon seit einiger Zeit theoretisch vorhergesagt. Sie
enthalten große Mengen an Gas und rotieren, aber aus unbekannten Gründen kommt
es nicht zur Sternbildung. Seit Jahrzehnten sagen Computersimulationen
wesentlich mehr Zwerggalaxien voraus, als tatsächlich beobachtet werden.
Beispielsweise sollte unsere lokale Galaxiengruppe Hunderte dieser kleinen
Galaxien enthalten, aber nur 35 hat man bisher gefunden.
Andererseits erkannten
Astronomen aus den Bewegungen der Sterne in Galaxien und den Bewegungen der
Milchstraßensysteme, dass es im Universum wesentlich mehr Materie geben muss,
als zu sehen ist. Die Masse der sichtbaren Materie einer Galaxie ist viel zu
gering, um die Sterne in einer stabilen Umlaufbahn zu halten. Eigentlich müssten
sie in den intergalaktischen Raum entweichen und die Galaxien sich auflösen.
Deshalb vermuten die Forscher eine weitere, unsichtbare Komponente, deren
Schwerkraft die Galaxien zusammenhält. Diese Dunkle Materie gibt den Forschern
aber immer noch viele Rätsel auf. Könnte es also sein, dass sich im Universum
auch unsichtbare, dunkle Galaxien verbergen?
Leicht entdecken lassen sich diese dunklen Galaxien naturgemäß nicht. Das Forscherteam aus Großbritannien, Frankreich, Italien und Australien
suchte daher auch nicht im sichtbaren Bereich des elektromagnetischen
Spektrums, sondern im Radiospektrum, denn dort geben die Wasserstoffatome im
Universum eine charakteristische Strahlung ab. Die Wolke im Virgo-Haufen, einer
großen Ansammlung vieler Galaxien in etwa 50 Millionen Lichtjahren Entfernung,
wurde zuerst mit dem Lovell-Radioteleskop der University of Manchester
entdeckt und danach durch Beobachtungen am Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico
bestätigt. Die Wolke, genannt VIRGOHI21, enthält genug Wasserstoff, um 100
Millionen Sonnen entstehen zu lassen - mehr als ausreichen für eine kleine
Galaxie.
Dr. Robert Minchin von der Cardiff University und Leiter des Teams
beschreibt VIRGOHI21 folgendermaßen: "Die Rotationsgeschwindigkeit zeigt, dass
VIRGOHI21 tausendmal mehr Masse enthält als der beobachtete Wasserstoff liefern
kann. Wenn sie eine gewöhnliche Galaxie wäre, wäre sie recht hell und könnte
auch in guten Amateurteleskopen beobachtet werden." Bei der fehlenden Materie,
so die Forscher, kann es sich eigentlich nur um
Dunkle Materie handeln.
Alle zuvor entdeckten Kandidaten für dunkle Galaxien stellten sich bislang als
"Blindgänger" heraus. Beobachtungen mit leistungsstarken optischen Teleskopen
zeigten nämlich schließlich doch Sterne in ihnen. Aber als Minchin und seine
Kollegen den Himmelsbereich mit dem 2,5-Meter Newton-Teleskop auf La Palma auf
den Kanarischen Inseln untersuchten, fanden sie keine Anzeichen für Sterne. "Das
ist das erste Objekt, bei dem wir sicher sind, eine dunkle Galaxie vor uns zu
haben," erklärt Minchin. Die Astronomen nahmen sich fünf Jahre Zeit, ihren Fund
abzusichern, die ersten Untersuchungen fanden schon im Jahr 2000 statt.
Ein anderes Mitglied des Forscherteams, Professor Mike Disney, beruft sich auf
Sherlock Holmes: "Wenn man das Unmögliche eliminiert hat, bleibt nur noch die
Wahrheit übrig – so unwahrscheinlich sie auch sein mag." Und so ist es
tatsächlich möglich, dass die Astronomen hier die erste "Dunkle Materie-Galaxie"
entdeckt haben.
Gängige Vorstellungen über dunkle Galaxien nehmen an, dass in ihnen die
Dichte der Materie zu gering ist, um Sterne zu bilden. Aber durch die
Beobachtungen von VIRGOHI21 könnte es sein, dass man bald zu neuen Erkenntnissen
gelangt. Die Daten deuten nämlich darauf hin, dass sich das Gas in der dunklen
Galaxie - ganz wie in normalen Spiralgalaxien - in einer rotierenden Scheibe
befindet.
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