Deutlich
massereicher als bislang angenommen
Redaktion
astronews.com
24. Januar 2005
Die
Masse eines Sterns ist für seinen Lebenslauf die entscheidende Größe. Doch
leider ist diese gerade bei massearmen Sternen relativ schwer zu bestimmen. Mit
Hilfe eines neuen Instrumentes am Very Large Telescope der ESO gelang es
aber jetzt, den massearmen Begleiter eines normalen Sterns abzubilden. Und
dieser Begleiter war massereicher als bislang gedacht. Hat man also die Masse
vieler Objekte bislang unterschätzt?

Kontrastverstärktes Infrarotbild von AB Doradus A und C. Der
schwache, rötliche Begleiter, als winziger Punkt "bei 8 Uhr"
sichtbar, ist 120-mal so lichtschwach wie der bläuliche
Hauptstern. Ein so enges und so ungleiches Paar wurde hier mit
Hilfe der neuen NACO-SDI-Kamera am ESO Very Large Telescope in
Chile erstmals getrennt abgebildet. Die berechnete Umlaufbahn
des Begleiters ist eingezeichnet. Bild: ESO /
Max-Planck-Institut für Astronomie |
Mit Hilfe der gewonnenen Aufnahme konnten die Forscher erstmals die Masse
eines jungen, sehr massearmen Begleiters bestimmen. Das Objekt ist mehr als
hundertmal schwächer als der Stern, an den es durch die Schwerkraft gebunden
ist. Seine Masse beträgt das 93-fache der Masse des Planeten Jupiter, nahezu das
Doppelte des Wertes, der sich aus heutigen theoretischen Modellrechnungen für
ein Objekt mit seinen Eigenschaften ergeben würde.
Damit müssen die
gegenwärtigen Vorstellungen von einer Population "Brauner Zwerge" und die
Existenz der viel diskutierten, noch masseärmeren "frei fliegenden" extrasolaren
Planeten in Frage gestellt werden. Die Arbeitsgruppe um Laird Close, Steward
Observatory der University of Arizona, und Rainer Lenzen,
Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, haben in der aktuellen Ausgabe
der Fachzeitschrift Nature über diese Entdeckung berichtet.
Braune Zwerge sind Himmelskörper, die mindestens die 75-fache Masse des
Jupiter besitzen, aber immer noch nicht groß genug ist, um in ihrem
Zentralbereich wie echte Sterne zu brennen. Wenn angebliche Braune Zwerge
doppelt so massereich sind wie bisher vermutet, dann sind viele von ihnen in
Wahrheit doch normale massearme Sterne. Die kürzlich entdeckten "frei
fliegenden" Planeten sind dann ihrerseits in Wahrheit Braune Zwerge.
Das Astronomenteam hat jetzt den schwach leuchtenden, massearmen Begleiter AB
Doradus C entdeckt, der den jungen Stern AB Doradus A in einem Abstand von nur
2,3 Astronomischen Einheiten umläuft. Eine Astronomische Einheit entspricht dem
Radius der Umlaufbahn der Erde um die Sonne: In unserem Sonnensystem liegt der
2.3-fache Abstand von der Sonne im Asteroidengürtel knapp jenseits der Marsbahn.
Forscher, die nach sehr massearmen Objekten fahnden, untersuchen die
unmittelbare Umgebung junger, sonnennaher Sterne, denn die massearmen Objekte
strahlen am hellsten in ihrer frühen Jugend, bevor sie noch weiter kontrahieren
und abkühlen. Seit den frühen 1990-er Jahren bestand der Verdacht, dass der
bekannte Stern AB Doradus A, der nur 48 Lichtjahre von der Sonne entfernt und
nur 50 Millionen Jahre alt ist, einen massearmen Begleiter hat, denn er
"wackelt" am Himmel hin und her, wie wenn eine unsichtbare, ihn umlaufende Masse
an ihm zerrte. Aber nicht einmal mit dem Weltraumteleskop Hubble gelang
der direkte Nachweis des Begleiters, denn er war offenbar zu lichtschwach und
stand dem größeren und viel helleren Stern zu nahe.
Close und Lenzen gelang mit ihren Kollegen nun die Abbildung des schwer zu
fassenden Begleiters im Februar 2004 an einem der vier 8-Meter-Reflektoren des
europäischen Very Large Telescope der ESO in Chile. Dabei setzten sie die
neue, von Rainer Lenzen am Max-Planck-Institut für Astronomie und einem
internationalen Team gebaute, hochauflösende Kamera NACO ein und verwendeten
eine von Close und Lenzen für die Suche nach extrasolaren Planeten entwickelte
Zusatzoptik - den Simultaneous Differential Imager oder NACO-SDI.
Damit
werden die Trennschärfe des 8-Meter-Teleskops mit seiner adaptiven Optik und
seine Fähigkeit, lichtschwache Begleiter im gleißenden Lichthof des Primärsterns
nachzuweisen, noch einmal erhöht: Ein so hoher Kontrast (der Hauptstern ist
120-mal so hell wie sein Begleiter) in einem so geringen Abstand war zuvor noch
nie überwunden worden: Der Winkelabstand zwischen dem Stern und seinem schwachen
Begleiter beträgt 0,156 Bogensekunden - das entspricht der scheinbaren Größe
eines Groschen in 13 Kilometern Entfernung.
War der Begleiter einmal identifiziert, so ließen sich seine Temperatur und
seine Leuchtkraft im infraroten Spektralbereich bestimmen. Zur Überraschung der
Forscher war der Begleiter 400 Grad kühler und 2,5-mal so lichtschwach wie auf
Grund neuester Modellrechnungen erwartet. Aus der genauen Ortsbestimmung des
Begleiters und der beobachteten "Wackel"-Amplitude des Primärsterns ergab sich
für seine Masse ein sehr genauer Wert von 88 bis 98 Jupiter-Massen: Die
Modellrechnungen sagen dagegen für einen Körper dieses Alters und dieser
Leuchtkraft einen Wert von nur 50 Jupiter-Massen vorher. Das neue Ergebnis wird
also zu einer Neubewertung der Massen kleinster junger Himmelskörper führen.
Objekte wie AB Doradus C sind sehr selten. Nur ein Prozent aller Sterne haben
enge massearme Begleiter, und nur ein Prozent der sonnennahen Sterne sind jung.
Deshalb ist die Möglichkeit, diese Messung überhaupt durchführen zu können, ein
großer Glücksfall. Die NACO-SDI-Kamera enthält eine adaptive Optik, mit der die
durch die Turbulenzen der Erdatmosphäre verursachte Unschärfe beseitigt wird.
Die Zusatzoptik SDI zerlegt das Licht eines einzelnen Sterns in vier identische
Bilder bei benachbarten Wellenlängen inner- und außerhalb der für massearme
Objekte charakteristischen, infraroten Methanbanden. Auf geeigneten
Differenzbildern dieser vier Bilder verschwindet der bläuliche Hauptstern mit
seinem hellen Lichthof nahezu vollständig, und der massearme, kühle und rötliche
Begleiter wird deutlich erkennbar.
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