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Vor genau 35 Jahren, am 8. November 1969, startet der erste deutsche Forschungssatellit ins All: AZUR war sozusagen das "Gesellenstück" der deutschen Weltraumforschung und eröffnete durch die Kooperation mit der NASA deutschen Wissenschaftlern und Firmen den Zugang zum lukrativen Satellitenmarkt.
Mit dem Start des ersten deutschen Forschungssatelliten AZUR am 08. November 1969 um 2.52 Uhr MEZ gesellte sich die Bundesrepublik Deutschland zu den Staaten, die bereits über Satelliten verfügten: der Sowjetunion, den USA, Großbritannien, Italien, Frankreich, Kanada, Japan und Australien. AZUR wog 72 Kilogramm und wurde mit einer Scout-Rakete vom amerikanischen Vandenberg (Kalifornien) gestartet. Den Satellitenbetrieb übernahm am 15. November 1969 das eigens in Oberpfaffenhofen errichtete Deutsche Raumfahrt-Kontrollzentrum (GSOC) der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR), eine Vorgängerin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). In den letzten 35 Jahren hat sich Deutschland eine hohe Kompetenz im Satellitenbau erarbeitet - sowohl im Bereich der Extraterrestrik als auch in der Erdbeobachtung. Heute führt Deutschland das europäische Projekt Galileo an, das ab 2010 mit 30 Satelliten eine vom amerikanischen GPS unabhängige Satelliten-Navigation ermöglichen wird. AZUR war das "Gesellenstück" der deutschen Weltraumforschung. Der Forschungssatellit diente der Untersuchung der kosmischen Strahlung und ihrer Wechselwirkung mit der Magnetosphäre, spezifisch des inneren Van-Allen-Gürtels, der Polarlichterforschung sowie der zeitlichen Änderung der Solarpartikelströme (Sonnenwind) bei Sonneneruptionen.
Das Interesse der Wissenschaft war schon damals groß: Über 100 Experimente wurden vorgeschlagen, von denen sieben für den Flug ausgewählt werden konnten. Daneben verfolgte das damalige Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (BMwF) die Absicht, mit der deutsch-amerikanischen Kooperation die technologischen Fähigkeiten der deutschen Industrie auszubauen und Know-how für das komplexe Management von Weltraummissionen zu gewinnen. Fünf Wochen nach dem Start fiel das Magnetband-Speichergerät aus, so dass von diesem Zeitpunkt an die Messwerte und Kontrolldaten nur noch als Echtzeit-Informationen empfangen werden konnten. Dadurch wurde der Datenstrom auf zirka 80 Prozent der erhofften Menge reduziert. Obwohl der Satellit seine erwartete Lebenszeit von mindestens einem Jahr nicht erreicht hatte - am 29. Juni 1970 brach die Verbindung zu AZUR aus ungeklärten Gründen ab - werteten Politik, Forschung und Industrie die Durchführung des ersten deutschen Langzeitunternehmens im All als großen Erfolg. Diplom-Ingenieur Ants Kutzer, Projektleiter AZUR bei der im Auftrag des Bundesforschungsministeriums federführenden "Gesellschaft für Weltraumforschung" (GfW), resümierte im Dezember 1969: "Die gewonnene Erfahrung ist abhängig von dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung. Das Projekt AZUR ist technisch komplexer als vergleichbare Projekte, das Management-System ebenso an Komplexität kaum zu übertreffen." Zehn Jahre nach dem Start trat AZUR in die Erdatmosphäre ein und verglühte. Neben den zu dieser Zeit bereits laufenden europäischen Bemühungen zur weltraumwissenschaftlichen (ESRO) und raketentechnischen Zusammenarbeit (ELDO), die 1975 dann in der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) zusammengefasst wurden, gelang mit AZUR der Durchbruch zu einer bis heute anhaltenden, engen Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Weltraumforschung. Deutschland nutzte die fortschrittliche amerikanische Weltraumforschung und Raketentechnik. Es erhielt die Möglichkeit zum Start national entwickelter Satelliten ohne eigene Raketenkapazität. So eröffnete sich für deutsche Wissenschaftler die Chance, an Untersuchungen im Weltraum teilzunehmen. Für die deutsche Industrie öffnete sich damit die Tür, im europäischen Verbund an Projekten der Raumfahrt maßgeblich mitzuwirken. Das Vorhaben diente seitens des BMwF auch dem Ziel, durch Erprobung neuer Verfahren und Techniken die technologischen Fähigkeiten der deutschen Industrie derart auszubauen, dass künftig bessere Voraussetzungen für die Beteiligung der Bundesrepublik an weiteren nationalen und internationalen Weltraumvorhaben geschaffen wurden. Ebenso galt es damals, neuartige Managementmethoden zu entwickeln oder von denen der NASA zu lernen. Für die USA war die wirtschaftlich starke Bundesrepublik ein hoffnungsvoller Partner, denn Frankreich blieb eher auf Distanz zu den USA. Die USA versprachen sich Vorteile von einer Kooperation mit ausgewählten Sparten der bundesdeutschen Industrie und Forschung, die sie für besonders zuverlässig hielten. Durch die Förderung internationaler Vorhaben erhoffte sich die NASA auf wissenschaftlich-technischem Gebiet eine breitere Basis für die eigene weltraumgestützte Forschung. Politisch sollte das Vorhaben das positive, offene Image der Amerikaner im Gegensatz zur Sowjetunion stützen und den europäischen Einigungsprozess durch neue Felder für innere Zusammenarbeit stärken. Kooperation bei Weltraumtechnologie wurde als Erweiterung der Mittel staatlicher Diplomatie verstanden. Wirtschaftlich schließlich sollten die Kosten der eigenen extraterrestrischen Forschung gesenkt sowie längerfristig neue Märkte errichtet werden. Jeder Partner trug seine eigenen Kosten: die Bundesrepublik Deutschland die Kosten für die Entwicklung des Satelliten durch die Firma Bölkow als Hauptauftragnehmer und des dazugehörigen Bodensystems, die USA diejenigen für die Trägerrakete, den Start und die Bahnverfolgung seitens der NASA-Bodenstationen. Die deutschen Kosten beliefen sich auf rund 80 Millionen DM. Für die deutschen Firmen bedeuteten die an sie gestellten Aufgaben eine immense technologische Herausforderung, für die sie nach den Worten Ludwig Bölkows "kaum vorbereitet" waren. Praktisch alle elektronischen Bauteile wurden in den USA beschafft. Die politische Hoffnung jedoch erfüllte sich: Durch die Mitarbeit vieler Firmen am Projekt AZUR erweiterte sich das raumfahrtspezifische Know-how sowohl der deutschen Industrie als auch der Wissenschaft und bereitete sie auf künftige Aufgaben vor. In der Folge schlugen die USA den Bau einer gemeinsamen Sonnen-Sonde vor, woraus das 1974 gestartete Programm HELIOS hervorging.
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