Forschungspreis für Bonner Radioastronomen
Redaktion
astronews.com
13. Januar 2004
Drei Bonner Radioastronomen haben jetzt für ihre Arbeit mit
Bolometer-Empfängern den renommierten Philip-Morris-Forschungspreis
erhalten. Die Wissenschaftler, die die extrem empfindlichen
Kameras teilweise selbst entwickelten, untersuchten mit ihnen eine Vielzahl astronomischer Objekte - vom nahen Kometen bis hin
zu fernen Galaxien.
Die 117-Pixel MAMBO-2 Bolometer-Kamera, die am IRAM
30-Meter-Radioteleskop in Südspanien installiert ist. Foto:
MPIfR Bonn, IRAM |
Prof. Karl M. Menten, Dr. Ernst Kreysa und Dr. Frank Bertoldi vom
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn haben für ihre Arbeiten
mit Bolometer-Empfängern in diesem Jahr den renommierten
Philip-Morris-Forschungspreis erhalten. Mit den am Institut entwickelten
Empfängern wurde eine Vielzahl astronomischer Objekte untersucht, von nahen
Kometen bis zu den entferntesten Galaxien. Die Beobachtungen mit
Bolometer-Kameras haben zu bahnbrechenden Einblicken in die Entstehung von
Sternen und Galaxien im Kosmos geführt. Mit dem Philip-Morris-Forschungspreis
werden seit über 20 Jahren jährlich vier hervorragende Forscher oder
Forscherteams mit diesem Preis ausgezeichnet.
Bolometer sind äußerst empfindliche Radiowellenempfänger, die Strahlung in einem
breiten Frequenzbereich empfangen können. "Da es für solche Geräte bisher keine
kommerziellen Anwendungen gibt, müssen wir sie halt selber entwickeln", erklärt
Ernst Kreysa vom MPIfR, einer von wenigen Spezialisten weltweit, die solche
Detektoren entwickeln. Für den Einsatz in Teleskopen sind Bolometer ideal
geeignet, da sie fast die gesamte einfallende Strahlung absorbieren. Ein
Bolometer-Detektor besteht aus einer millimeter-großen Folie, in der die
einfallende Strahlung absorbiert wird. Eine Änderung der Strahlungsintensität
führt zu einer geringen Temperaturänderung der Folie, die von empfindlichen
elektronischen Thermometern registriert wird. Um solche winzigen
Temperaturschwankungen überhaupt messen zu können, müssen die Bolometer auf 0,3
Grad über dem absoluten Nullpunkt (-273,15 Grad Celsius) gekühlt werden.
In einer Bolometer-Kamera sind viele einzelne kleine Bolometer-Einheiten zu
einer Matrix verbunden, vergleichbar mit den Pixeln einer Digitalkamera. Seit
1991 werden Bolometer-Kameras des MPIfR am IRAM 30-Meter-Radioteleskop auf dem
Pico Veleta in Südspanien eingesetzt. Während die ersten Kameras nur sieben
Pixel besaßen, wird heute die MAMBO-2 Kamera mit 117 Pixeln verwendet. "Mit dem
30-Meter-Radioteleskop steht uns das weltbeste Millimeter-Teleskop zur
Verfügung. Die Kombination mit unseren Bolometern ist schwer zu übertreffen",
erläutert Karl Menten.
Mit Bolometer werden insbesondere die Geburtsstätten von Sternen beobachtet. In
den allerersten Phasen ihrer Entwicklung sind Sterne noch von den dichten
Gaswolken umgeben, aus denen sie entstanden sind. Die mikroskopischen
Staubteilchen dieser Wolken absorbieren das Licht der jungen Sterne fast
vollständig. Der Staub erwärmt sich dadurch und strahlt die aufgenommene Energie
als infrarote Wärmestrahlung wieder ab. Diese kann von den empfindlichen
Bolometer-Kameras nachgewiesen werden.
Durch die enorme Empfindlichkeit der neuen Bolometer-Kameras wurde in den
letzten Jahren eine Klasse von sehr entfernten Galaxien entdeckt, die selbst in
den besten optischen Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops nur sehr schwer oder
gar nicht aufzufinden waren. Diese im optischen Licht durch Staub verdunkelten
Galaxien bilden Sterne mit ungeheuer hohen Raten. Man nimmt an, dass fast die
Hälfte aller Sterne im Universum in solch gasreichen und infrarot-hellen
Galaxien entstanden sind. Solche Galaxien kommen im heutigen Universum nicht
mehr vor.
In den letzten Jahren haben Bolometer auch bedeutende Erkenntnisse über die
Entstehung der ersten Galaxien im Universum ermöglicht. Insbesondere konnte die
thermische Strahlung von Sternentstehungsgebieten in Quasaren nachgewiesen
werden. In diesen auch bei optischem Licht leuchtkräftigen Galaxien fällt
Materie auf riesige Schwarze Löcher und leuchtet dabei hell auf. Aufnahmen mit
der MAMBO-Kamera haben gezeigt, dass gleichzeitig mit der Entstehung Schwarzer
Löcher in deren Umgebung in großer Zahl neue Sterne entstehen. Diese Verbindung
zwischen der Entstehung von Sternen und massereichen Schwarzen Löchern ist eines
der interessantesten Rätsel der modernen Astrophysik. Dem Bonner Team war es im
vergangenen Jahr sogar möglich, Staub im entferntesten bekannten Quasar zu
entdecken (astronews.com berichtete). Das bedeutet den Beweis für
Sternentstehung in einer Zeit, in der das Universum gerade einmal 800 Millionen
Jahre alt war.
Bereits in den 80er Jahren wurde mit der Bolometer-Entwicklung am MPIfR
begonnen, um die Sternentstehung in unserer Milchstraße zu untersuchen. In der
Forschungsabteilung von Prof. Peter G. Mezger baute Ernst Kreysa, heute Leiter
der Bolometer-Entwicklungsgruppe, 1981 das erste 1-Kanal-Bolometer. Mit Prof.
Karl M. Menten, der seit 1996 als Direktor für Millimeter- und
Submillimeter-Astronomie am MPIfR arbeitet, wurden Untersuchungen der
Sternentstehung in unserer Milchstraße weiter forciert. Gleichzeitig hat man die
Messungen mit Bolometer-Empfängern sowohl auf Entwicklungen in weit entfernten
Galaxien und Quasaren als auch auf unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft
am Rande des Sonnensystems ausgedehnt.
"In unserem Sonnensystem wecken insbesondere Kometen und ferne Asteroiden unser
Interesse", sagt Frank Bertoldi, der seit 1998 als
Bolometer-Projektwissenschaftler am Institut tätig ist. "Diese bestehen aus
relativ gut erhaltener urzeitlicher Materie, die bei der Entstehung unseres
Sonnensystems übrig blieb. Im Inneren des Sonnenystems wurden die kleineren
Gesteins- und Eisbrocken hingegen von den großen Planeten verschluckt." Mit
Bolometer-Beobachtungen gelang es den Bonner Forschern in den letzten Jahren,
die Größe von einigen der entferntesten Asteroiden zu bestimmen. Das ist ein
wichtiger Parameter, um die Gesamtmasse aller Asteroiden abzuschätzen und deren
Oberflächeneigenschaften zu erforschen. Unter den vermessenen Asteroiden war
auch Quaoar, das größte Objekt, das seit der Entdeckung von Pluto 1930 im
Sonnensystem gefunden wurde (astronews.com berichtete).
Das MPIfR ist weltweit führend in der technologischen Entwicklung von
Bolometer-Kameras. Den momentanen Höhepunkt markiert die Large APEX Bolometer
Camera, LABOCA, eine Kamera mit 295 einzelnen Bolometern, die Mitte diesen
Jahres am neuen APEX-Radioteleskop in 5000 Meter Höhe in Chile zum Einsatz
kommen wird. LABOCA entsteht in Kollaboration mit der Ruhruniversität Bochum und
dem Institut für Physikalische Hochtechnologie in Jena. Und so ist Prof. Karl
Menten davon überzeugt, dass "bei dem rapiden Fortschritt in der
Bolometer-Technologie noch längst kein Ende in der Entwicklung neuer Empfänger
am MPIfR abzusehen ist - es bleibt spannend!"
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