Neutronensterne als Kanonenkugeln
von
Hans Zekl
für
astronews.com
31. Oktober 2003
In den letzten Jahren fanden Astronomen einzelne Neutronensterne, die mit
einer Geschwindigkeit von
mehreren hundert Kilometern pro Sekunde durch das Weltall rasen. Nun gelang es
Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München
und der Universität Chicago mit neuen Computermodellen die Entstehung dieser
Neutronensterne zu erklären.
Der Krebsnebel mit dem Krebspulsar im Zentrum. Foto: ESO |
Massereiche Sterne mit mehr als dem Zehnfachen der Masse unserer Sonne beenden
ihr Leben in gewaltigen Supernovaexplosionen. Während sie dabei den größten Teil
ihres Gases in das Weltall schleudern, bricht der Kern des Sterns unter seiner
eigenen Schwerkraft in sich zusammen. Sofern seine Masse einen bestimmten Wert
nicht überschreitet, bildet sich ein Neutronenstern mit einem Durchmesser von
etwa 20 Kilometern, dessen Materie so dicht wie in Atomkernen gepackt ist
Einige Neutronensterne sitzen inmitten der sich ausdehnenden Explosionswolke. Das
wohl bekannteste Beispiel ist der Pulsar, ein schnell rotierender
Neutronenstern, im Krebsnebel. Hier im Sternbild Stier beobachteten chinesische
Astronomen im Jahr 1054 einen hellen neuen Stern, der für gut einen Monat auch
am Taghimmel zu sehen war. Inzwischen wurden auch andere Explosionswolken
entdeckt. Doch nicht immer konnte darin ein Neutronenstern gefunden werden.
Andererseits entdeckte man einzelne Neutronensterne, die sich mit hohen
Geschwindigkeiten bewegen. Mit mehreren hundert Kilometern pro Sekunde, in
Einzelfällen sogar über 1000 Kilometern pro Sekunde, jagen sie durch die Milchstraße. Diese
Geschwindigkeiten sind wesentlich höher als die der normalen Sterne. Deshalb werden
einige Neutronensterne die Anziehungskraft unserer Galaxis überwinden und diese
verlassen können. In einigen Fällen zeigt es sich, dass diese schnellen Neutronensterne
aus einer Explosionswolke entkommen sind.
Eine ganze Reihe zum Teil sehr exotischer Erklärungsversuche wurden im Laufe der
Jahre entwickelt. Darunter befand sich auch die Idee, dass bei einer Supernova
ein Stern asymmetrisch explodiert. Dabei stößt er seine Hülle nicht gleichmäßig
nach allen Seiten ab, sondern vorwiegend in eine bestimmte Richtung. Aus
physikalischen Gründen, muss der verbleibende Kern, der Neutronenstern, in die
entgegengesetzte Richtung fliegen. So bestechend die Idee ist, konnte sie doch
bislang nicht schlüssig untermauert werden.
Schon lange ist bekannt, dass sich kleine Schwankungen in fließender Materie zu
großen Störungen aufschaukeln können. Wie das Forscherteam jetzt mit neuen
Computersimulationen zeigen konnte, ist es genau dieser Effekt, der zu extrem
großen Abweichungen von der Kugelgestalt bei der Explosion führen kann. In
Sekunden wird dabei der Neutronenstern auf viele hundert Kilometer pro Sekunde
beschleunigt.
Bei ihren Untersuchen konnte gleichzeitig eine andere Theorie unterstützt
werden, die die Entstehung der Sternexplosion selbst erklärt, aber bisher nicht
durch entsprechende Modellrechnungen überzeugend bestätigt werden konnte. Danach
wird die Explosion durch Neutrinos ausgelöst, die beim Zusammenbruch des Kerns
in riesigen Mengen entstehen. Ihre Anzahl ist so hoch, dass sie trotz ihrer
äußerst schwachen Wechselwirkung mit Materie, das Gas im Sterninnern aufheizen.
Der dadurch entstehende Druck ist der Motor für die Explosion.
Damit existiert nun ein durchgängiges theoretisches physikalisches Modell, dass
zum einen die Entstehung einer Supernovaexplosion, die beobachteten
asymmetrischen Explosionswolken und die schnell laufenden Neutronensterne
erklären kann.
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